Mühlviertler Grab. Eva Reichl

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Название Mühlviertler Grab
Автор произведения Eva Reichl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839266069



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Platz in geweihter Erde fand.

      »Das ist okay. Wenn Sie in diesem Teil des Friedhofes bleiben, dürfen Sie das Grab ausheben«, entschied Stern und ließ den Totengräber ziehen. Er war zweifelsohne ein einfacher Mann, jedoch einer, der seine Arbeit äußerst ernst nahm.

      2. Kapitel

      Chefinspektor Oskar Stern und Gruppeninspektorin Mara Grünbrecht kehrten nach der Befragung des Totengräbers zurück zur Fundstelle der Leiche. Stern inspizierte die Grabstätte erneut und rätselte, was der Täter mit der Positionierung des Opfers hatte ausdrücken wollen, welche Botschaft dahintersteckte und ob das Opfer und die Tote in dem Grab einander gekannt hatten.

      »Paula Eckinger«, las er die Inschrift auf dem Grabstein laut vor. »Sie ist nur 29 Jahre alt geworden.«

      »Glauben Sie, dass es eine Verbindung zwischen unserem Opfer, diesem Oliver Koch, und Paula Eckinger gibt?«, griff Grünbrecht seine Überlegungen auf.

      »Wir sollten herausfinden, wie die Frau gestorben ist und ob sie Koch gekannt hat.«

      »Okay.« Grünbrecht wollte sich schon an die Beschaffung der Informationen machen, als Stern sie zurückhielt.

      »Mirscher und Kolanski sollen das erledigen, und sie sollen sich auch umhören, wie Koch als Politiker gewesen ist. Ob er beliebt war oder nicht. Wir beide fahren zu diesem Bründl, von dem Kolanski gesprochen hat.«

      »Wieso das …? Ich dachte, Sie glauben eh nicht …«

      »Ich will ausschließen, dass wir etwas übersehen. Auch wenn das mit dem Bründl unwahrscheinlich ist. Aber wir suchen nach etwas, in dem das Opfer ertrunken sein könnte, so wie Weber behauptet hat«, erklärte Stern seine Beweggründe. »Und wenn wir bei diesem Bründl Kampfspuren finden, haben wir vielleicht den Tatort. Denn auf dem Grab ist Koch sicher nicht ertrunken. Und auf dem Friedhof sehe ich auch sonst nichts, wo Wasser drinnen ist. Der Trog unter dem Kreuz ist ja leer.«

      »Okay, Chef. Wir nehmen meinen Wagen«, schlug Grünbrecht vor und googelte bereits im Gehen alles Wissenswerte über das Maria Bründl im Exenholz, das gut zwei Kilometer außerhalb von St. Oswald in einem ausgedehnten Waldstück lag. Während sie den Motor des BMW startete, setzte sie Stern darüber in Kenntnis, was sie im weltweiten Netz in Erfahrung gebracht hatte. »Anscheinend gibt es zu diesem Bründl eine Geschichte. Ein Holzfäller hat sich schwer bei der Arbeit verletzt. Anschließend hat er mit dem Wasser die Wunde behandelt und ist rasch genesen.«

      »Zufall«, brummte Stern.

      »Diese Heilung war nur die erste. Ab da an sind ständig Menschen zu der Quelle gepilgert und wurden von ihren Leiden erlöst«, berichtete Grünbrecht weiter, was im Internet geschrieben stand.

      »Ach was! Wir Menschen klammern uns in der Not an alles Mögliche. Der Glaube an dieses Wasser aktiviert die Selbstheilungskräfte, und die haben diese Menschen, von denen da geschrieben steht, gesund werden lassen. Und nicht das Wasser, das angeblich irgendwelche Heilkräfte besitzt.« Stern hielt nicht viel von solchen Dingen. Schon gar nicht, wenn es keine Beweise gab, sondern nur Aussagen von den angeblich Geheilten, die seines Erachtens nicht in der Lage waren, objektiv Zeugnis abzulegen. Mit Zeugenaussagen hatte er im Laufe seiner Dienstzeit so seine unliebsamen Erfahrungen gemacht. Einmal hatte ein Zeuge sogar beim Leben seiner Mutter geschworen und einen bestimmten Menschen als Täter identifiziert, der jedoch zur Tatzeit nachgewiesen in China gewesen war.

      »Es gibt dort eine Kapelle«, erzählte Grünbrecht, als sie die Ortstafel passierten und sich der Wald vor ihnen ausbreitete. »Wenn ich mich richtig daran erinnere, was ich eben im Internet gelesen habe, hat man sie um 1696 erbaut. Der Altar kam erst viel später hinzu, von irgendjemandem aus Ottensheim.«

      »Einem gewissen Meister Kepplinger«, ergänzte Stern.

      Grünbrecht spähte neugierig zu ihrem Chef hinüber und war überrascht, dass er den Namen jenes Mannes kannte, der den Altar der Kapelle erschaffen hatte. Weder stufte sie Stern als besonders gläubig noch als geschichtlich interessiert ein.

      »Tja, da staunen Sie, Grünbrecht, was? Auch ich kann mit einem Handy mehr tun, als bloß zu telefonieren.« Stern hielt sein Smartphone in die Höhe, auf dem die Seite der Gemeinde St. Oswald über das Maria Bründl geöffnet war, und wedelte damit herum. Nur mit dem Lesen tat er sich schwer. Er brauchte eine Brille, war ihm seit Längerem klar, aber irgendwie sträubte er sich, diese Tatsache zu akzeptieren. Mit einer Brille, so glaubte er, wäre er dem Pensionsantritt noch näher als ohne, und mit seinen 59 Jahren fühlte er sich dem Rentnerdasein ohnehin schon viel zu nahe. Deshalb hatte er die Schriftgröße auf seinem Handy auf Maximum gestellt, um die Informationen halbwegs entziffern zu können. »Im Jahr 1680 ließen die damaligen Herrscher von Weinberg eine Badeanlage bei der Quelle errichten, 1761 wurde diese Anlage neu gebaut und im Jahr 1955 geschlossen«, las er laut vor.

      »Schade, sonst hätten wir ein Bad nehmen können. Dadurch hätten wir am eigenen Leib erfahren, ob das Wasser eine Wirkung hat oder nicht«, scherzte Grünbrecht und bog in die Zufahrt zur Heilquelle ein. Auf dem Parkplatz vor der spätbarocken Wallfahrtskapelle Maria Bründl hielten sie an.

      »Natürlich hat Wasser eine Wirkung. Man wird davon sauber und es löscht den Durst«, brummte Stern.

      »Das natürlich auch, aber das meinte ich nicht. Irgendetwas muss doch dran sein an dieser Heilwasser-Geschichte.«

      »Laut wissenschaftlichen Untersuchungen weist die Quelle einen Radongehalt von 5,6 nCi pro Liter auf«, dozierte Stern.

      »Und was bedeutet das?«, fragte Grünbrecht, die keinen blassen Schimmer hatte, was ihr Vorgesetzter damit ausdrücken wollte. »Radon ist doch so radioaktives Zeug, oder etwa nicht?«

      »Schon, aber wenn man der Medizin Glauben schenken darf, hilft das natürlich vorkommende Radon im Wasser bei Rheuma sowie Haut- und Atemwegserkrankungen.« Stern beendete die Internetrecherche und steckte das Handy in die Brusttasche seiner Jacke. »Und wie wir mit eignen Augen feststellen können, glauben ganz viele Menschen an die Heilkraft dieses Radonwassers.« Stern und Grünbrecht beobachteten vom Wagen aus, wie mehrere Personen ganze Kisten voller Wasserflaschen aus dem Wald herauskarrten.

      »Irgendwo dort drinnen ist wohl die Quelle«, schlussfolgerte Grünbrecht.

      »Ich schlage vor, wir sehen uns das mal an.« Stern stieg aus dem BMW und folgte den Pilgern hinein in den Wald. Nur einen Steinwurf von der Kapelle entfernt befand sich am Beginn eines Hangs eine Abfüllstation, zu der das Wasser der Quelle geleitet wurde, damit die Menschen beim Abfüllen ihrer Flaschen die Andacht in der Kapelle nicht störten. Mindestens acht Personen belagerten die Entnahmestelle, und Stern überlegte, wie viele weitere seit dem Mord an dem Politiker hier gewesen sein mochten. Sie alle hatten dazu beigetragen, dass alle Kampfspuren – wenn es welche gegeben hatte – vernichtet worden waren.

      »Hier werden wir nichts finden, Chef«, kam Grünbrecht zu dem gleichen Ergebnis.

      »An einem derart stark frequentierten Ort ist es immer schwer, Spuren zu sichten, Grünbrecht. Schauen wir uns den steinernen Brunnen mal genauer an, ob es überhaupt möglich wäre, dass darin jemand ertrinkt.«

      »Oder ersäuft wird.«

      »Auch das ist natürlich denkbar.«

      Die Kriminalbeamten warteten darauf, bis die Menschen mit ihrem abgezapften Heilwasser von dannen gezogen waren, und besahen sich anschließend die Abfüllstation.

      »Wir haben Glück, Chef. Dort oben ist eine Kamera. Sie zeigt auf den Platz vor der Entnahmestelle.«

      »Der Winkel ist nicht gerade vielversprechend«, warf Stern ein. »Alles, was sich direkt vor der Quelle abspielt, wird nicht gefilmt. Und wenn man seitwärts den Hang runterkommt, erfasst einen die Kamera auch nicht.«

      »Trotzdem sollten wir den Betreiber um die Aufnahmen bitten.«

      »Übernehmen Sie das, Grünbrecht.«

      Die Gruppeninspektorin notierte sich die Anweisung, und Stern stellte sich vor, wie der Mord an diesem Platz abgelaufen sein könnte.