Mühlviertler Grab. Eva Reichl

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Название Mühlviertler Grab
Автор произведения Eva Reichl
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839266069



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schlafen«, erklärte Silvia Koch. »Und die letzte Nacht war so eine. In der Früh hat die Sissi dann brav g’schlafen.«

      »Ihr Mann hat seine politischen Ansichten unter anderem auf Twitter verbreitet und sich dabei nicht nur Freunde gemacht.«

      »Darüber weiß ich nix. Mit Twitter und Facebook, und wie sie alle heißen, hab ich nix zu tun. Ich muss g’stehen, dass ich mich damit net wirklich auskenn’, eigentlich gar net. Ich red’ lieber mit den Leuten, wenn ich ihnen auf der Straße begegne.«

      »Alles klar. Hat es Streit in der Gemeinde gegeben?«

      »Nicht mehr als sonst«, sagte die Witwe. Es war ihr anzusehen, dass sie das Gespräch erschöpfte. »Wie ich Ihnen schon g’sagt hab, mein Mann ist ein guter Mensch g’wesen. Er wollt’ für alle Politik machen und nicht nur für ein paar wenige. Ihm hat man vertrauen können. Er hätt’ g’halten, was er versprochen hat, wenn man ihn zum Bürgermeister g’wählt oder in die Landespolitik abberufen hätt’ … irgendwann einmal.«

      Stern seufzte. Das politische Gelaber ging ihm auf die Nerven. Dafür hatte er nichts übrig. »Wenn Ihnen etwas einfällt, Frau Koch, das uns weiterhelfen könnte, rufen Sie uns bitte an.« Er hielt der Witwe seine Visitenkarte hin und stand auf. Silvia Koch nahm die Karte entgegen und starrte sie an, als hätte sie immer noch nicht ganz begriffen, was los war. Wenn das Beruhigungsmittel nachließ, würde sie die Wucht der Realität erneut treffen, und dann ging alles von vorn los. Stern hatte Mitleid mit der Frau.

      »Danke, wir finden den Weg allein hinaus«, sagte Grünbrecht an die Schwester gewandt, die gerade das Baby holte, um es zu wickeln. Ein säuerlicher Geruch ging von der Kleinen aus, und Stern hoffte, dass dieser Abschreckung genug für Grünbrecht war, einmal eigenen Kindern den Hintern säubern zu müssen.

      »Von so viel politischem Gerede kriege ich Kopfschmerzen«, sagte er, als sie draußen vor dem Haus auf den Wagen zusteuerten. »Die Frau sollte sich überlegen, ob sie nicht selbst in die Politik gehen will. Das Zeug dazu hätte sie.«

      »Sie sagt doch nur, was sie immer von ihrem Mann gehört hat. Ich glaube, sie hat ihn wirklich geliebt. Bei ihm hingegen bin ich mir nicht so sicher.«

      »Wieso?«, hakte Stern überrascht nach, weil er erfahren wollte, was seine Kollegin zu einer derartigen Annahme veranlasste.

      »Ich denke, dass ihm die Karriere wichtiger gewesen ist als seine Ehefrau. Und sein Kind! Wieso sonst hätte er abends so lange arbeiten sollen? Oder er hatte ein Gspusi.«

      Stern überlegte und brummte. »Mord aus Eifersucht?«

      »Möglich.«

      »Mirscher und Kolanski sollen prüfen, ob sie eine Geliebte von diesem Koch ausfindig machen können. In einem Ort wie diesem lässt sich ein Verhältnis sicher nicht lange verheimlichen«, ordnete Stern an.

      »Noch etwas anderes, Chef«, sagte Grünbrecht, als sie den Wagen erreichten.

      »Ja?«

      »Haben Sie am Freitagabend schon etwas vor?«

      Stern war überrascht. »Äh … nein.« Er hatte keine Ahnung, warum Grünbrecht das wissen wollte.

      »Ich veranstalte bei mir zu Hause eine kleine Party, und ich würde mich freuen, wenn Sie kommen.«

      Stern, dessen Gehirn bereits zu rotieren angefangen hatte, als Grünbrecht das mit der Party erwähnt hatte, überlegte fieberhaft nach einem möglichen Grund für diese Feier. Grünbrecht arbeitete seit drei Jahren im LKA, und noch nie hatte sie ihn zu sich nach Hause eingeladen. War sie etwa schon schwanger? Und wollte sie bei dieser Feier die frohe Botschaft verkünden?

      Grünbrecht bemerkte Sterns Zögern offensichtlich und erklärte: »Mirscher und Kolanski werden da sein und noch ein paar Freunde von mir.«

      Natürlich würde Mirscher auch da sein, dachte Stern panisch, schluckte und fragte: »Gibt’s dafür einen bestimmten Anlass?« Schweiß drängte durch seine Poren an die Oberfläche, und die Vorstellung, dass Grünbrecht tatsächlich …

      »Ich hab Geburtstag!«

      »Sie haben was?« Stern hatte so sehr damit gerechnet, dass Grünbrecht ihm mitteilte, sie würde das Team verlassen, dass er einen Moment brauchte, um die Information zu verarbeiten.

      »Geburtstag. Ich hab Geburtstag. Geht’s Ihnen gut, Chef?«

      »Ja!«, beeilte sich Stern mit einer Antwort. »Natürlich geht’s mir gut.« Obwohl – sicher war er sich nicht.

      »Für einen Augenblick dachte ich, Sie hätten einen Schlaganfall erlitten oder etwas Ähnliches. Sie sind ganz blass und schwitzen.«

      »Das ist nur … dieser Fall«, redete Stern sich heraus. Er konnte unmöglich sagen, was er wirklich gedacht hatte.

      »Sind Sie sicher?«, hakte die Kollegin nach.

      »Todsicher«, bekräftigte Stern die Lüge.

      »Dann ist es ja gut. Ich dachte schon, Sie wollten mir eine Abfuhr erteilen wegen der Party. Sie kommen doch, oder?«

      »Natürlich komme ich«, brummte Stern. »Und danke für die Einladung.«

      »Ich koche, meine Freundin Sabine sorgt für den Nachtisch, und die Jungs kümmern sich um die Getränke.«

      »Ich bringe Wein mit«, sagte Stern und legte damit eine Falle aus. Wenn Grünbrecht am Freitag Wein tränke, konnte sie unmöglich in freudiger Erwartung sein und diese Sache wäre erst mal vom Tisch. Stern war mit seiner Idee zufrieden.

      »Das ist lieb von Ihnen«, sagte Grünbrecht, und Stern bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Natürlich war das keinesfalls lieb von ihm, sondern heimtückisch. Hinterfotzig. Er seufzte ob seiner schändlichen Gedanken und hoffte, dass Grünbrecht nichts davon bemerkte.

      »Sie können gerne eine Begleitung mitbringen«, sagte sie.

      »Eine Begleitung?«, wiederholte Stern schon wieder baff.

      »Ja. Vielleicht diejenige, wegen der Sie immer zu spät zum Dienst erscheinen.« Grünbrecht lächelte. Auch hinterfotzig, wie Stern vorkam, da sie ebenso hinter sein Geheimnis kommen wollte. Nun waren sie quitt.

      Stern dachte an die Katzenfamilie in seiner Wohnung. Grünbrecht würde Augen machen, wenn er mit der Rasselbande vor ihrer Tür stünde. Aber hey! Vielleicht war das gar keine so schlechte Idee! Er könnte Grünbrecht eines der Kätzchen zum Geburtstag schenken, dann wäre er einen Teil seines Katzenproblems los. Sie hatte ohnehin bereits vor längerer Zeit einmal anklingen lassen, dass ihr ein Haustier gefallen würde.

      »Mal sehen«, antwortete er kryptisch. »Seien Sie nicht enttäuscht, wenn ich alleine komme. Essen werde ich auf alle Fälle für zwei.« Stern strich über seinen fülligen Bauch.

      »Okay.« Grünbrecht bohrte nicht weiter nach, wofür Stern ihr dankbar war. »Nach dem Essen am Freitag drehen wir noch eine Runde durch die Linzer Altstadt, auf einen Absacker. Ziehen Sie sich also was Hübsches an.« Grünbrecht warf einen Blick auf das alte Sakko ihres Chefs und lächelte erneut zweideutig, nichtsahnend, dass es völlig egal war, was Stern am Freitag trug, da sie die Linzer Altstadt nie erreichen würden.

      4. Kapitel

      Als Stern am nächsten Morgen im Landeskriminalamt in Linz in der Nietzschestraße eintraf, waren die Kollegen bereits versammelt und hefteten Notizen über den aktuellen Fall an eine Magnetwand.

      »Na, auch schon da?«, begrüßte Kolanski ihn mit breitem Grinsen.

      Stern ignorierte den Gruppeninspektor und brummte ein »Guten Morgen« in die Runde. Danach wollte er wissen, was es Neues gab.

      »Dieser Oliver Koch ist anscheinend öfter am Golfplatz in St. Oswald gewesen als im Gemeindeamt«, erklärte Mirscher herablassend.

      »Und wenn er nicht Golf gespielt hat, hat er sich in Linz bei seinen Parteifreunden herumgetrieben und dort genetzwerkt. Offenbar wollte er tatsächlich groß rauskommen,