Boat People. Sharon Bala

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Название Boat People
Автор произведения Sharon Bala
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783963114441



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gab die Frau zurück. Haben Sie meine Eier gesehen?

      Mahindan wollte sie gerade daran erinnern, dass sie keine Eier mehr hatten, aber Chithra warf schnell ein: Wir brauchen keine Eier.

      Nur zwanzig Rupien, sagte die Frau.

      Beladen mit ihren Einkäufen gingen sie weiter. Chithra musste über die Eier lachen.

      Wie schön, alles billiger zu bekommen, frotzelte er.

      Wieso billiger? Die Aubergine war viel zu teuer.

      Alle betrieben das gleiche Spielchen. Sie warfen den Preis wie einen Ball hin und her, haderten über angebliche Makel, nur, um Druck auszuüben.

      Wie können Sie so viel verlangen?

      Können Sie nicht ein bisschen runter gehen?

      Weiter runter geht’s nicht, Sir. Absolut nicht.

      Sie schlenderten durch die Süßwarengeschäfte, wo es nach Rosenwasser und zuckersüßem Sirup duftete. An den Fleischerläden gingen sie vorbei. Der Mann, der kleine Statuen und Öllampen verkaufte, war gut im Geschäft. Alle heiraten, sagte Chithra.

      Im Trockenwarenladen schaufelte Mahindan roten Reis aus einem zwei Fuß hohen Fass. Chithra wog Palmyra-Wurzelmehl ab. Am Ladentisch bekamen sie Cashewnüsse und Rosinen.

      Können Sie da nicht was machen?, fragte Chithra, und eine extra Handvoll wurde ihr stillschweigend dazugegeben.

      Mahindan fand diese Verhandlungen immer etwas peinlich. Wenn Chithra richtig loslegte – bei einer größeren Summe war sie ganz in ihrem Element –, ging er nach draußen und drehte ein paar Runden. Chithra ihrerseits konnte seine Empfindlichkeit nicht verstehen.

      Als sie noch nicht lange verheiratet waren und Mahindan einmal allein auf den Markt gehen musste, weil Chithra krank und mit Bauchschmerzen darniederlag, war sie entsetzt, als er zurückkam. Achtzig Rupien für ein Kilo Reis! Dreihundert für ein Kilo Orangen? Wie viel dann für die Eier? Sie fasste sich an die Stirn und jammerte: Aiyo! Die werden dich dein Leben lang über den Tisch ziehen. Diese Gauner lachen sich ins Fäustchen, wenn sie dich sehen: Hier kommt der Dumme, der gestern aus dem Ei gekrochen ist.

      Wie wäre es wohl, wenn es feste Preise gäbe? Das wollte ­Mahindan in seiner Autowerkstatt ausprobieren. Als er das Geschäft von seinem Vater übernommen hatte, stellte er unverzüglich eine Preisliste mit der Erklärung auf, dass diese Preise unverhandelbar seien. Sein Vater hielt das für hellen Wahnsinn, aber schon nach einem Jahr hatten seine Kunden sich an seine Festpreise gewöhnt.

      Ihr letzter Stopp war bei dem Töpferladen, der sich hinter dem Markt befand.

      Wie findest du diesen hier? Chithra hielt ihm einen Wasserkrug mit dickem Bauch und langer dünner Tülle hin: orangefarbene Terrakotta mit rotem geometrischem Muster. Sie könnten ihn zu Hause gründlich mit kochendem Wasser ausspülen, drei Mal, und dann für ihr Trinkwasser benutzen.

      Wie du willst, sagte Mahindan.

      Chithra war durchaus wählerisch bei der Anschaffung kleinerer Haushaltsgegenstände. Was sie an Hausrat besaß, sollte zusammenpassen, aber nicht gleichförmig sein. Noch schwebte sie in dem jungen Glück, Herrin ihres Hauses zu sein.

      Sie standen hinter einer jungen Frau, die einen ähnlichen Krug kaufte. Der Ladeninhaber nannte einen Preis und sie bezahlte ihn anstandslos. Er wickelte den Krug in Zeitungspapier, und sie machte ihm dafür ein Kompliment. Sie sprach mit einem unbestimmbaren Akzent. Sie trug kurze Jeans und ein rotes T-Shirt. Ihr Haar war glatt zurückgekämmt und zu einem Pferdeschwanz gebunden. Australien, schätzte Mahindan. Obwohl er wusste, dass Leute aus England und Amerika zurückgekehrt waren. Auch aus Kanada.

      Das ganze Land hatte so lange den Atem angehalten, und jetzt endlich, seit dem von Norwegen vermittelten Waffenstillstand, schien es, als ob sie alle wieder ausgeatmet hätten. Bauern gingen auf ihre Reisfelder zurück, Familien nahmen die Vorhängeschlösser von ihren verlassenen Häusern ab. Menschen, die vor Jahrzehnten ausgewandert waren, schickten ihre erwachsenen Kinder zurück und überfluteten den tamilischen Norden mit westlichem Geld.

      An der Hauptverkehrsstraße entstand ein neues Stadtzentrum. Das Krankenhaus war neu gebaut worden, Postamt und Busbahnhof waren voll betriebsfähig. Wiederaufbau und Instandsetzungen – all die Bauarbeiten, die begonnen hatten, als die Tigers vor vier Jahren die Armee vertrieben, wurden jetzt mit neuem Optimismus wieder in Angriff genommen.

      Sehr beliebt heutzutage, sagte der Ladeninhaber, als er sie bediente. Er wickelte den Krug in Zeitungspapier und sagte: Dreihundert Rupien.

      Hundertfünfzig, sagte Chithra mit fester Stimme. Ich bin keine von diesen Ausländerinnen.

      Kaum hatten sie den Laden verlassen, rief sie jemand von irgendwoher.

      Braut und Bräutigam!, sagte Chithra.

      In einer Wolke von Eau de Cologne rauschte Ruksala heran, ihr zur Seite der getreue Rama. Die jungen Frauen beschnupperten sich flüchtig an den Wangen, erst rechts, dann links.

      How machan?, begrüßte Mahindan seinen Cousin mit einem kräftigen Schlag auf den Rücken. Alles fertig für Freitag?

      Rama nickte lebhaft. Ja, ja, alles fertig. Wir kommen gerade von Kumurans Laden. Du weißt doch, dass er den von seinem Vater übernommen hat?

      Ich habe davon gehört, sagte Mahindan.

      Girlanden, Essen, alles bestellt und vorbereitet?, fragte Chithra. Die Musiker?

      Ruksala hakte sich bei Chithra ein, und zu viert gingen sie weiter, die Frauen voran, die Männer hinterher. Jetzt gibt es nichts mehr zu tun, außer zu entspannen, sagte Ruksala.

      Und was ist mit der Öllampe, habt ihr euch entschieden?, fragte Chithra.

      So, sagte Mahindan und schlang den Arm um die Schultern seines Cousins. Deine letzte Woche als Junggeselle.

      Die letzte Woche, bestätigte Rama, der beim Gehen die Füße leicht nach außen kehrte. Rama gehörte zu den jungen Männern, die von der Ehe nur profitieren konnten. Von dem Ansehen, das er gewann, wenn er seine Frau vorstellte. Bei diesem Gedanken fragte Mahindan sich, ob andere seine eigene Ehe nicht auch so sahen.

      Mahindan und Chithra packten ihre Einkäufe in die Fahrradkörbe und schoben die Räder neben sich her. Sie ließen das Gedränge im Stadtzentrum hinter sich und überquerten ein offenes Stück Land hinter dem Amman Kovil. Das war ein im dravidischen Stil erbauter Tempel mit einem pyramidenähnlichen Turm und einer von feinen Gravuren und Skulpturenreliefs bedeckten Fassade. Wie ein großer Teil von Kilinochchi, war auch der Tempel verdeckt durch ein Baugerüst aus Bambusholz. An Werktagen arbeiteten dort die Maler schwer daran, den Skulpturen ihren Glanz zurückzugeben.

      Hast du gehört, dass Shangam wieder zurück ist?, sagte Rama.

      Ach ja? Die Tigers haben ihn nach Hause geschickt?, sagte Mahindan.

      Er kommt heute Abend an den See.

      Samstagabends versammelte sich das junge Volk zum Sonnenuntergang am See. Flaschen mit hausgemachtem Palmwein gingen von Hand zu Hand. Chelva spielte Gitarre, und sie sangen alte Beatles-Songs. Oder Jeyanthi brachte ihren CD-Spieler mit und legte Tamil-Rap auf. Angefeuert vom Alkohol, tanzten sie wie wild, bis einer von ihnen, mit Sicherheit Rama, stolperte und ins Wasser fiel und die Mädchen in simuliertem Entsetzen aufkreischten.

      Wir müssen für Shangam ein nettes Mädchen finden, sagte Ruksala. Jetzt, wo wieder Frieden ist.

      Wer weiß, wie lange, sagte Chithra.

      Die Sonne schien durch die Bäume und zeichnete diagonale Schatten auf die Erde. Affen baumelten an ihren Schwänzen und hielten gestohlene Früchte in den Pfoten. Ein Hund schnüffelte sich durch einen Abfallberg.

      Ein Mann und eine Frau donnerten auf einem Motorrad vorbei, beide mit Schutzhelm, und Chithra zischte verächtlich durch die Zähne. Sie meinte, dass es Wahnsinn sei, wenn einmal Ausgewanderte in ihre unsichere Heimat zurückkehrten.

      Warum sollen wir unsere besten Leute an andere Länder verlieren?, sagte Ruksala.