Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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weil sich Niemand in die Nähe getraute, selbst der Schulmeister und der Küster waren fort und das Läuten blieb aus und die hölzerne Uhr stand still auf dem Thurme – kauerte der rothbärtige Freiwild am vergitterten Fensterlein und flüsterte in den Keller hinab: »Junger Herr Baumhackel! Bist noch wach? Wohnst woltern vornehm, jetzund. Das g’freut mich. Aber vermeint hätt’ ich’s nicht, daß mir mein lieber Nachbar alljährlich die feisten Schafe stiehlt.«

      »O, Freiwild!« seufzte der Kleine im Keller.

      »Aber als braver Nachbar will ich Deine Ehre retten.«

      »Thue es doch gleich – heut’ noch, daß ich aus diesem Kotter komme.«

      »Ein Schafdieb ist etwas ganz Niederträchtiges, wirst es einsehen, Baumhackel. Es hat mich vor etlich’ Wochen, als ich mir auf der Höhe einen Lärchenstamm nahm, Dein Herr Bruder, der Waldhüter, schon einen dreidoppelten Spitzbuben geheißen. Und Dein Vater selig, wie der noch ist Waldhüter gewesen, der hat mich etlicher Armvoll Reisigstreu wegen auf die Bank binden lassen. Schon das hat dem Ehrenmann, als der ich Gott sei Dank immer gewesen bin, nicht wohl bekommen. Jetzt denke Dir erst: ein Schafdieb! Möchtest ja wieder frei werden, aber schwarz bliebest und ein Schurkel bliebest in aller Leut’ Augen. Nein, Nachbar, das kunnt ich nicht mit ansehen. Schau, da ist Dir ein kecker, blutiger Mörder doch ganz was Anderes! Und gar so Einer, wie der gestrige! Der wird respectirt! Sein Ruf geht in alle Welt und nach hundert Jahren noch zeigt der Vater seinem Sohn den Ahornbaum: auf dem ist er gehangen – Nein, nein, Baumhackel, Schafdieb bist keiner. Mir fehlt kein feister Schöps.«

      »Um der heiligen Maria-Linden Willen, Freiwild, thu’ mich nicht martern!« flehte der im Keller.

      »Es müßte denn sein,« sagte der Rothbärtige, »daß Du Dich gescheiterweis’ einmal zu was brauchen lassen wolltest.«

      »Was Du willst, Nachbar, nur des Schöpses wegen sage die Wahrheit. Im Sommerstadl unter dem Schnee ist ja das Eingeweide und das Messer zu finden.«

      »Das ist das Wenigste, mein lieber Baumhackel, das kann ich heute noch aus dem Wege räumen.«

      »Wirst doch kein Teufel sein, Freiwild?«

      »Wie ich sage, wenn Du Dich einmal zu etwas brauchen läßt. Aber voreh müßt’ ich Deinen Eidschwur haben. Ich und ein Zweiter, wir haben was vor, und da brauchen wir auch einen Dritten dazu. Ist auf Dich zu rechnen?«

      Der Kleine schwur einen gewaltigen, siebenfachen Eid.

      »So!« Sagte der Freiwild, »so wären wir auf Eins. Gute Nacht, Schafdieb!«

      Am anderen Tage gab der Freiwild auf der Höhe an, wie es sich herausgestellt habe, daß ihm in der Sturmnacht richtig der feiste Schöps aus dem Stalle geführt, und daß etliche Büchsenschuß von seinem Hause, im Sommerstadl, das Eingeweide gefunden worden sei.

      »Aber,« setzte er bei, »ich verzeihe es dem armen kleinen Kerl, und ich schenke ihm’s. Er soll meinetwegen nichts zu büßen haben. Ein andermal, wenn er wieder Hunger hat, soll er offen zu mir kommen.«

      Wie nun die Leute staunten! Der Freiwild war nicht allein reich, er war auch großmüthig.

      Der wird noch Richter von Trawies!

      Das Verhör mit dem Baumhackel wickelte sich nun rasch ab; der kleine Faun war wieder frei. –

      Beim Rocken-Paul saßen sie vergnüglich beisammen um den Tisch, knackten Haselnüsse auf und besprachen die Neuigkeiten aus dem Dorf.

      »Der Pfarrherr liegt noch immer im Pfarrhof und hat kein Licht und kein Gebet. Alle Tage kommen Herren aus Neubruck und Oberkloster und schauen den Todten an und begucken das Blut am Altar, und treiben allerhand wunderliche Sachen, und sperren hernach Pfarrhof und Kirche immer wieder fest zu, daß kein anderer Mensch hinein kann. Dies Jahr haben wir Trawieser keine Christmette.«

      »In allen Gräben und auf allen Bergen steigen die Landwächter herum – aber aufgekommen ist noch gar nichts.«

      »Der kleine Baumhackel soll schon wieder daheim sein. Vor dem muß man sich jetzt in Acht nehmen.«

      »Ist’s wohl wahr, daß sie gestern den Feuerwart haben forttreiben wollen?«

      »Ja, den, als Vormann der Gemeinde, wollen sie verantwortlich machen für das Unglück. Was kann denn der dafür?«

      »Jetzt ist der Brauch abgekommen. Sonst ist es allzeit Brauch gewesen zu Trawies, daß die Leute ihrem verstorbenen Pfarrherrn einen Ehrenmantel haben geflochten.«

      »Einen Ehrenmantel! Wovon denn? Vielleicht einen aus dem Barte der alten Weiber?«

      So redeten sie und auf einmal: »Uh, Dunar, wer ist denn heute draußen?«

      Man hörte das Abklopfen des Schnees von Schuhen und Kleidern; dann schritten sie auch schon in die Stube. Der Gerichtsbote und ein Landwächter. Zwei übrige Wächter blieben draußen vor der Schwelle stehen. Der Rocken-Paul sah etwas befremdet drein. Seit sein Haus stand, waren noch keine solchen Leute zur Thür hereingegangen.

      »Hier ist das Rocken-Paul-Haus?« fragte der Gerichtsbote.

      »Ja!?« antwortete der Bauer, und das Wörtchen endete in einen fragenden Ton.

      »Wir suchen einen Simon Hanefer.«

      Da stand der Knecht von seinem Platze auf und sagte: »Der Simon Hanefer bin ich. Was wollen die Männer von mir?«

      »Im Namen des Gerichtes: Du mußt mit uns gehen.«

      »Wer, ich?« lachte der Simon auf, »möchte doch wissen, wozu ich Euch gut wäre.«

      »Das wird sich weisen. Mache Dich fertig!«

      Der Knecht richtete sich höher auf – das war ein Mensch, prächtig und stark wie ein junger Tannenbaum – und sagte: »Ich lasse mich nicht forttreiben, wie ein Kalb von der Kuh. Ich will wissen warum, dann werde ich freiwillig gehen.«

      »Nu, nu,« versetzte der Bote, »ich hätte gemeint, Du würdest es noch früh genug erfahren, und dürfte Dir – wenn Du’s einmal weißt – die Zeit gar lang, vielleicht auch zu kurz werden. Ich habe nicht Befehl zu reden, sintemal Du es selber leicht viel besser weißt, als wir allmiteinander.«

      Der Rocken-Paul trat vor den Boten und bedeutete, daß er glaube, er habe hier auch ein Recht, er sei Herr im Hause und für seine Leute verantwortlich und er frage ernstlich, weshalb man ihm den Knecht fortführen wolle.

      »Wenn Einer von uns Beiden zu fragen hat, so werde ich es sein,« versetzte der Gerichtsbote, »und so wird mir der Bauer Wort geben, wo sein Knecht Simon Hanefer am Vierten in diesem Monate von sechs bis sieben Uhr Morgen gewesen ist.«

      »Ach je, das ist wieder die Mordgeschichte. Wenn Ihr Alle fassen wollt, die bei der Rorate gewesen sind, werdet Ihr lang zu thun haben und hat der Schelm Zeit genug, daß er holl geht. – Mein Simon ist am Barbaratag wohl freilich auch beim Gottesdienst gewesen.«

      »So wisset Ihr aber auch, Bauer, daß er in der Kirche nicht gesehen worden ist? daß der Rocken-Paul-Stuhl leer gewesen ist? Und hat Euer Knecht nicht das Wort fallen lassen, in der einen Hand den Rosenkranz, in der anderen den Schlagring, anders ginge er zu Trawies nicht in die Kirchen?«

      Der Bauer blickte auf seinen Knecht; der war etwas gar roth geworden im Gesicht, und diese Röthe wollte dem Paul nicht gefallen. »Sollt’ mich wundern Simon, wenn Du damals unredlich gewesen und nach dem Hafermus wieder ins Bett gekrochen wärest? Es ist mir nachher wohl aufgefallen, daß Du nichts von den Geschehnissen erzählt hast; hast nur verlautet, Du wärest ein wenig vor dem Auswerden fortgegangen, weil Du so zeitlich heimgekommen bist.«

      »Ist verdächtig,« meinte der Bote.

      »Narrheit!« rief der Bauer, »in seinem Nest wird er gehockt haben.«

      »Wie Du mir geheißen hast, Bauer,« sagte der Knecht, »so bin ich von Haus aus meines Weg’s gegangen.«

      »So wirst in der Kirchen gewesen sein.«

      Der Simon suchte sein rothes Sacktuch