Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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Herr hat Feinde gehabt. Vielleicht sitzt der Mörder hier im Wirthshaus mitten unter uns und trinkt, und läßt sich erzählen, wie es gewesen ist.

      »Man müßte ihn hängen!« riefen Mehrere.

      »Köpfen, rädern, steinigen!« schrien Andere.

      »Man müßte ihn auf den hintersten Trasank hinaufjagen, daß ihn die Häscher nicht finden,« meinte ein Einzelner. Da stutzten die Anderen. Männer waren darunter, die saßen schweigend da und Mancher seufzte in sich hinein: »Wenn diese Tage erst vorbei wären!« Was dann wird?! –

      Mittlerweile waren an den Stufen des Altars die Kerzen niedergebrannt und verloschen.

      Der Schulmeister lag vor Schreck fast ohnmächtig in seiner Stube. Das Fenster, welches gegen die Kirche ging, hatte er sich mit Leinwand zweifach verhüllen lassen. Der Küster war in allen Weiten und erzählte die Schreckensthat in den Häusern, und war ganz außer sich, und ging trotz des tiefen Schnees wie auf Flügeln, und klagte allerwärts: »Er war so gut!« und tröstete sich und Andere: »Aber vielleicht kriegen wir jetzund einen noch Besseren.«

      Um die Mittagszeit kamen die Knechte des Feuerwart und trugen den Todten in den Pfarrhof, um ihn dort aufzubahren. Sie kamen ins Wirthshaus und gestanden, daß alle Beine gebrochen werden müßten, wenn man ihn so aufbahren wolle, wie andere Leute. Er sei ganz erstarrt. Ob man glaube, daß sie »brechen« dürften.

      Da gab Einer den Bescheid: »Wollt’ Euch’s nicht rathen! Beinbrechen ist criminalistisch!«

      »Heißt das, wenn man verklagt wird,« warf ein Anderer ein, »aber der Herr Franciscus, und das ist das Beste an ihm, verklagt Keinen mehr.«

      Keinen mehr!

      Endlich am Nachmittage, da es schon zu dunkeln anhub und sich die Leute in ihre Häuser zurückzogen, um in denselben einer Gespensternacht entgegen zu bangen, versammelten sich die Ältesten von Trawies in der Oberstube des Feuerwart um einen Eichentisch, auf dem zwei Kerzen brannten.

      »Das Allererste ist,« hub Gallo Weißbucher, der Feuerwart an, »daß wir seinen Leib in die Erde schaffen. Ich habe ihn zur Bahre legen lassen und meine Knechte sind jetzt auf dem Gottesacker und bereiten das Grab. es wird wohl Jeder mit mir einverstanden sein, wenn ich sage, der Herr muß in christlichen Ehren bestattet werden.«

      »So sage ich auch,« versetzte der Bart vom Tärn, »je eher, desto besser, bevor sich das Gerede noch über die Haide hinauszieht; kommen die Fremden, dann sind wir nicht mehr Herr im Haus. Warten, ob er etwan wieder munter wird, das ist bei dem nicht vonnöthen, so ist meine Antwort, daß wir ihn morgen früh in die Erde thun.«

      »Daß die Eile nur nicht auffallend ist!« meinte der Firner-Hans.

      »Sollten wir darüber einmal wortangelassen werden, so sagen wir, was wahr ist: Die Leute wären in einen Aufruhr gerathen, Jeder hätte die schreckliche Wunde sehen wollen und sie haben vor Erregtheit nicht gewußt, was sie thun, und ist das Trawieser Dörfel nicht mehr sicher gewesen. Wem liegt es an, als uns, daß wir Ordnung halten!« so sprach Uli der Köhler.

      »Es ist ganz schreckbar,« seufzte der Feuerwart, »solcher Gestalt! am Altar, vor aller Leut’ Augen. Ungeschickter hätte er es nimmer machen können. Wir werden arg zu thun haben, meine lieben Männer, daß wir uns aus der Patsche schleifen!«

      Ob mehrere Trawieser Leute eine Ahnung hätten, was dahintersteckt? wurde gefragt.

      »Auf unserem Johannesberg droben,« berichtete der Firner-Hans, »heißt’s allerwege, ein Raubmörder aus dem Ritscherwald herüber habe es gethan. Dem sei um das Silbergeräthe zu thun gewesen und er habe während der Rorate in der finsteren Sacristei die Laden durchsucht, sei dann nach der Messe vom Pfarrherrn überrascht worden. Er hätte dem Herrn noch den vergoldeten Kelch wollen aus der Hand reißen; der Herr Franciscus wollt’s aufnehmen mit dem Wicht, sollen miteinander noch Eins gerungen haben, und da habe ihm dieser mit einem Hieb den Kopf auseinandergehauen. Der Mörder habe hierauf eilends fliehen und seinen Raub zurücklassen müssen. Am Vormittage darauf soll er noch im hinteren Trasankthale gesehen worden sein, mit der blutigen Axt.«

      So berichtete der Firner-Hans und setzte noch bei: »Ich habe allen Leuten, mit denen heute davon die Rede war – und es spricht kein Mensch was Anderes, als vom Morde – gesagt, es könne wohl nicht anders sein, aber des Verbrechers dürfte bei so unsicheren Zeiten schwer habhaft zu werden sein.«

      »Daß es so steht,« versetzte der Feuerwart, »das ist mir recht lieb.«

      »Und,« meinte der Waldhüter, »der Mensch kann um Mitternacht in die Sacristei gestiegen sein – die Sturmnacht ist ihm gut zustatten gekommen – und – was ich übernehme – ein ausgehobenes Fenstergitter mag sich morgen, wenn man die Sache erst untersuchen wird, leicht finden lassen. – Wir sind hernach ledig.«

      Jetzt fuhr sich der Bauer vom Tropperhof mit seiner rauhrindigen Hand über das Gesicht und that, als ob er reden wollte.

      »Weißt Du auch was, Tropper?« fragte der Feuerwart.

      »Was ich gehört habe,« sagte nun der Aufgeforderte, »und was mein Knecht, der Nantel, heimgesagt hat, thäten die Leute doch so ihre Köpfe zusammenstecken; man wisse nicht, den guten Herrn Franciscus könne auch ein braver Mann aus der Trawieser Pfarr’ in den Himmel geschickt haben.«

      »Auf der Wildwiesen ist dasselbe Gerede.«

      »Bei der Kofelarztin, wo ich heute wegen eine kranken Kuh war,« berichtete ein Anderer, »und wo allerhand Leute zusammenkommen, habe ich auch so etwas gehört.«

      »Das ist schlimm,« murmelten sie, »das ist schlimm!«

      »Mich nimmt das nicht Wunder,« sprach der Bart vom Tärn.

      »Es wird doch Keiner unter uns ein Spitzbub’ sein gewesen!«

      »Davon keine Rede,« sagte der Feuerwart, »was das Mundhalten anbelangt, da getraue ich mir meine Seele für Jeden einzusetzen.«

      »Aber,« setzte der Bart vom Tärn bei, »was uns eingefallen ist, kann auch Anderen eingefallen sein, zu Trawies ist ein solcher Gedanke, bei meiner Treu, doch nichts Unmögliches. So gut als wir Bauern, könnten sich die Holzer am Rockenbach verschworen haben, oder die Leute im Tärn, oder auch die Knappen aus den Sanköfen. Denken mögen sich’s Viele, das glaube ich, aber Name darf keiner genannt werden, sonst sind wir verloren. Zum Glücke, daß der große Schnee die Löcher in die Trawies vermauert hat, sonst hätten wir die Herren von Neubruck und Oberkloster und weiß Gott von wo her schon morgen am Halse.«

      »Dem sei Gott vor. Erst muß der Todte unter die Decke, muß den Leuten das Maul gestopft sein, müssen wir die weitere Verwaltung von Trawies geordnet und unseren Stand gegen die Herren beschlossen, müssen den Schreiner in Sicherheit gebracht haben. Dann mögen sie kommen, wir wollen uns vor ihnen nicht fürchten.«

      »Die Verwaltung von Trawies?«

      »Aus Einheimischen und Hausgesessenen wird der Rath gewählt, wie es vor Zeiten war,« sagte der Feuerwart und legte seine Hand auf ein graues Blatt von Pergament. »Dieser Rath ist der Herr und das Gericht im Hause und im Walde, in der Kirche und in der Schule und in allen Gemeindesachen. An Steuern und Gaben den zehnten Theil führen wir, wie es Gottes Willen ist, ehrlich an die hohe Obrigkeit ab. Und von den streitbaren Männern jeder Siebente, den das Los trifft, wird willig dem Land zu Schutz und Wehr sich stellen, oder allzeit zu finden sein. Von den Weltpriestern des Bisthums, den Caplänen wählen wir nach altem Recht zwölf; aus diesen zwölfen Einen wird der Erzbischof uns zum Seelsorger bestimmen. So ist das alte Trawieser Gesetz gewesen und so wollen wir es wieder aufrichten.«

      Sie sprachen noch, als die Stiege herauf ein Gepolter vernehmbar wurde. Fast gleichzeitig ging die Thüre auf. Der Gerichtsbote und zwei Mann der Landwache traten ein. Einige der Männer richteten sich mit Befremdung auf, die anderen blieben scheinbar gelassen sitzen, und blickten ernst den Eintretenden entgegen.

      »Wir bitten um Verzeihung,« sagte der Gerichtsbote und wendete sich gegen den Feuerwart. »Ihr seid, besinne ich mich gut, der Gallo Weißbucher? Wir kommen eilig aus Neubruck.«

      »Habt