Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

Читать онлайн.
Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



Скачать книгу

Du schon nicht fortgehen willst,« sagte die schöne Köhlerin, »so mußt mir, dieweilen in der Kirche Rorate ist, die Litanei beten helfen.«

      »Ei, freilich, versteht sich. Beten, das gehört sich. Na versteht sich.«

      »Bist gleichwohl durch und durch ein liederlicher Bursch’, so ist doch wenigstens Eins an Dir: daß Du ein guter Christ bist.«

      »Schon gewiß auch noch! Nur möchte ich Dich fragen, Schatz, thun wir uns vor der Litanei gern haben oder nachher?«

      Jetzt wendete sich die Han zu ihm und während sie noch die Arme hinter das Haupt erhob, um das Haar – das schwere, weiche, rothschimmernde Haar – zu binden, so daß die junge geschmeidige Gestalt in ganzer Schönheit vor ihm stand, sagte sie folgende Worte: »Mein lieber Simon! Dich hat heute kein guter Geist in das Stüberl geführt. Wenn Du jetzt gehst, so ist es noch früh genug. Jetzt bist dazu noch stark genug und jetzt wissen wir es nach alle zwei – daß es nicht sein darf. Schau, die Anderen sind in der Kirche und beten, und uns kunnt die Gnad’ Gottes verlassen. Jetzt, Simon, spielst noch mit Dir selber! Steht nicht lange an, so bist nimmer Herr über Dich. Und ist’s vorbei, nachher magst nit mehr in der Schummel-Zenz-Hütten zusprechen; wirst vom Rockenberg bis zur Kirchen hinaus allemal den Umweg über die Wildwiesen machen, weil Du ihr nimmer begegnen magst, Derselbigen, die Dich heut’ nit hätt’ fortgewiesen. Schon morgen, schon heut’ wenn die lichte Sonne scheint, thäte es Dich gereuen, Simon! Nach mir frage ich nicht und mir wird’s zum verderben sein, daß ich Dich allzu gern habe. Nur Deinetwegen ist’s, daß ich Dich jetzt recht schön bitte: Geh’ ib die Kirchen!«

      O, Du unerfahrenes Herz! Öl ins Feuer waren Deine Worte – für ihn – für Dich. Er hört nur ihrer Stimme Klang. Der Reiz ihrer Gestalt entfacht von Augenblick zu Augenblick lebhafter das Feuer seines Auges – zuckend ausstrecken sich die Muskeln seiner Arme und plötzlich reißt er sie an seine Brust. Wie Wachs fließt sie hin vor der Gluth seiner Küsse.

      Noch einen Moment zuvor, als das Auge ihr vergeht, sieht sie draußen einen Schein ans Fenster schlagen. »Der Meiler brennt!« sie kann es nicht mehr stammeln ....

      Und im Meiler, der gebaut worden war aus kernigem und harzigem Gestämme des Waldes, ist das Feuer losgebrochen. Züngelnd, matt zuerst, blau wie ein Irrlicht, dann heller und lebendiger schlägt die Flamme aus der schwarzen Decke, immer weiter im Kreise rieselt die Hülle ein, immer weiter und tiefer wird der glühende Pfuhl und brüllend lodern die Flammen empor. Die umstehenden Stämme des Waldes sind roth, die Schneeflocken zittern wie Rosenblätter nieder und rasch aufwirbelt blauer Rauch mit den springenden Funken.

      Das drittemal kräht der Hahn.

      »Feuer!«

      Der schöne Knecht des Rocken-Paul stürzt hinaus. Da sind schon zwei Männer aus dem Blockhause der Holzer vorhanden, den brennenden Meiler zu dämpfen, mit Schnee und Kohlenschutt das Feuer wieder in sein Innerstes zu verschließen.

      »Eu Du! wer ist denn da aus der Hütten gesprungen?« schreit einer der Holzer.

      »Saureiter will ich heißen, wenn das nicht Einer vom Rockenberg ist gewesen. Ist sicherlich der Alte nicht daheim und heut’ Nacht der Schelm da drinnen warm gesessen.«

      »Nachher ist’s kein Wunder, daß der Meiler losbrennt.«

      »Fangen wir ihn!«

      »Es gilt!«

      Sie liefen durch Dunkelheit, Wald und Schnee dem Fliehenden nach. Der Simon weiß es wohl, er ist keine Verantwortung schuldig, wenn er da drinnen bei der Köhlerin ein Weilchen rastet, aber wenn es nicht laut wird, um so besser. Jetzt – wie sehr zu seinem Glücke! stolperte er über einen niedergebrochenen Baumast, stürzte und die beiden Holzer erhaschen ihn. Mit brennendem Schwamm leuchten sie ihm ins Gesicht.

      »Der Rocken-Paul-Knecht!« lachten sie, »hast Recht. Auf unser Stillsein kannst Dich verlassen.«

      Sie ließen ihn stehen. Er schüttelt den Schnee aus seinen Falten, gewahrt dabei in der Tasche den Rosenkranz und sagt zu sich selber: »Na, den hast heute auch vonnöthen gehabt.«

      Er ging dem Rockenberge zu; durch das Schneegestöber graute der Morgen. –

      Wie ganz anders als am Rockenbache hat sich die Barbara-Rorate an der Trach vollzogen.

      Aus den Thälern und von den Bergen sind zur nächtlichen Stunde die Kirchengeher herangekommen – die meisten sich den stundenlangen Pfad mühsam bahnend, der einige Minuten nach ihnen wieder verweht war. Um die alten, sausenden, krachenden Bäume tanzten die Wirbel des Schneestaubes, und auf freier Heide mußten die Leute sich mit Gewalt anstemmen gegen den Sturm und ihre Mäntel über das Gesicht werfen, um athmen zu können.

      Mancher verlor in dem wirbelnden Grau die Richtung und irrte fluchend oder betend im Schnee umher und Viele haben am Morgen dieses Barbaratages gemeint, es wäre »ihr letztes Ende.«

      Nun standen oder trippelten sie um die Kirche herum oder kauerten sich an die Mauer, und um die Ecken pfiff der Wind und von den Dächern flog der Schneestaub nieder und aus allen Winkeln tanzte er hervor.

      Die Leute sahen aus wie wandelnde Schneemänner und auf den schneelosen Stellen des Erdbodens klangen ihre gefrorenen Stiefel.

      Jeder, der huschend des Weges kam, hastete der Kirchenthüre zu und Jeder drückte vergeblich an der Klinke – sie gab nicht nach, die Kirche war verschlossen. Aus den schmalen hohen Fenstern schimmerte flackernd der rothe Schein des »ewigen Lichtes«.

      Durch die Thurmfenster sauste der Sturm, so daß hörbar die Glocken schrillten.

      Die Stunde der Rorate war schon da, die Leute wurden ungeduldig und schlugen dem Küster das Fenster ein, daß er aufwache.

      »Verdammtes Volk da draußen!« rief dieser, »als ob ich nicht seit erstem Hahnenschrei schon wach wäre! Kann ich was dafür, daß der Herr die Kirchenschlüssel hat?«

      »So hole sie Du alter Großnarr. Sind wir deswegen zur Barbara-Mess’, in Wind und Wetter dahergestiegen, daß wir hier vor der Kirchen sollten starr werden? Schau das Weibel da! ‘s ist schon gar nicht mehr bei sich selber, über und über erfroren; wir rennen Dir die Thür ein, Küster, wenn Du nicht aufmachst!«

      Der Küster lief in den Pfarrhof.

      »Was ist denn heute los und ledig?« Rief der Herr Franciscus in seinem Zimmer.

      »Die Leute wollen in die Kirchen.«

      »Was haben die Leut’ zur Nachtzeit in der Kirchen zu suchen?«

      »Herr, es ist schon sechs.«

      »Laßt mich in Ruh’ bei solchem Höllenwetter. Die Leute sollen heimgehen; es ist schon gut.«

      »Möchte es ihnen wohl sagen, Herr, aber die Rorate ist bezahlt.«

      »Gieb ihnen den Bettelpfennig zurück. Ich will mir nicht meine erst erlangte Gesundheit wieder untergraben.«

      »Hört doch, sie schreien schon. Um Gotteswillen, Pfarrherr,« bat der Küster, »sie sind so weit hergekommen, sie halten was auf den Barbaratag, der Sterbestund wegen. Jesus Maria, da ist jetzt ein Stein vorbeigeflogen! Ich bitt’ Euch, Pfarrherr, steht auf, sonst kann’s was abgeben.«

      So ist denn Herr Franciscus aufgestanden, und des Unwetters ungewohnt, fröstelnd hinabgegangen, die Rorate zu lesen.

      Tief in den Mantel gehüllt, schritt er quer über den Kirchplatz gegen die an die Kirche gebaute Sacristei. Die Leute grüßten ihn kaum, sie murmelten nur, und Einer – im Finstern nicht erkannt, wer es war – sagte halblaut: »Die Trawieser Leut müssen wohl einen festen Glauben an die Priesterweihe haben, daß sie des Gottesdienstes wegen, den so einer hält, den weiten Weg machen.«

      Endlich ging die Kirchenthüre knarrend auf und die Leute drängten hinein. Von den Sanköfen herüber waren sogar einige Bergknappen da. Das sind Leute, die im Jahr über nicht viel auf Kirchwegen gesehen werden; wenn sie einmal aus der Erde Nacht hervorkriechen, so wandeln sie lieber im freien Himmelslichte, wo das