Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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wird, sehe ich nimmermehr.«

      »Gieb Dich d’drein, Wahnfredin. Es dunkelt schon der Tag und sie kommen noch heute. Denk’ an Deinen Mann; das kleinste Zögern noch, und es ist sein Verderben. Nicht nach dem Hause wird er fragen, das ist wieder zu gewinnen, nur nach Euch, nach Weib und Kind, und diese will ich retten!«

      Er suchte sie mit fortzudrängen. Das Weib tauchte noch ihren Finger in das Wassergefäß, welches am Thürpfosten hing, und sprengte einige Tropfen in die Stube, und sprengte einige Tropfen auf die Leiche des alten Lull und rief: »Du alter, armer glückseliger Mann, Du bist der Letzte d’rin, Gott walt’s! Gott walt’s«

      Sie sprang aus dem Hause. Der kleine Erlefried torkelte ihr nach, er war halb betäubt von dem Jammer der Mutter, so hatte er sie, die stille, die milde Frau, noch niemals gesehen. Sie hatte nie geweint, und jetzt rieselten die Thränen heiß und unablässig nieder von ihren langen Wimpern. Der Bart ließ sie still gewähren, er wußte, dieser klagende Schmerz war milder, als der stumme ...

      Rasch schritten die Drei gegen den Fluß hinab, um die Brücke zu erreichen. Unter ihren Füßen knisterte der Schnee, es brach die kalte Nacht an. Als sie über die Brücke gingen, hielt sich der kleine Erlefried an das Kleid des Bart, deutete in die Trach und flüsterte: »In diesem Wasser da unten rinnt Blut!«

      Es war der Spiegel des Abendrothes. Das Weib des Wahnfred hielt ihr Kind am Arm und hastete fort und war stumm, und blickte nicht mehr zurück.

      Jenseits des Flusses wendeten sie sich einer Bergschlucht zu, durch welche ein armseliger Steig hinanführte gegen die Wälder des Tärn.

      Der Bart blickte mit erwartungsvollem Auge zurück auf das Haus am Gestade. Noch war der Frieden des Todes im schattigen Bau, da erhellte sich plötzlich eines der Dachfenster mit rothem Scheine. Bald erglühte auch das zweite, und jetzt brach der flammende Qualm hervor. In lichten Zungen rieselte es hin über das Dach und lohten die Feuerfahnen auf in den abendlichen Himmel. Roth erglühten die Schneefelder rings um, und die schneeigen Bäume. Und immer voller wurde die Flammengarbe, bis das Haus des Schreiners Wahnfred in einer feurigen Fluth stand.

      Im Thale war Pferdegewieher und Waffengeklirre. Der Trach entlang von Neubruck her gegen Trawies sprengte ein Trupp von Reitern.

      Um Mitternacht ging der Mond auf und der Kirchthurm zu Trawies mit seiner lichten Mauer und dem glänzenden Schindeldache ragte in diesem Scheine wie eine stille Gluthsäule empor über den Schlafenden Häusern.

      In solchen Stunden sind nur die Wässer laut, und wachsam ist das Ohr in stiller Nacht, da es in die Rechte des Auges tritt.

      Außer dem Rieslen der halb eingeeisten Track knisterten im Thale vier wandernde Füße. Sie treten leise auf dem Schnee, denn sie fürchten das wachsame Ohr. Zwei Männer, mit Bündeln bepackt, mit Stöcken, Einer auch noch mit einem Schußgewehre bewaffnet, sind aus dem Gehöft des Gallo Weißbucher geschlichen und eilen nun thaleinwärts gegen den Trasank. Erst als die rothe Nadel des Kirchthurmes hinter einer Berglehne verschwunden ist und die letzten Hütten zurückgeblieben sind, bleiben sie ein wenig stehen, stützen die Stöcke unter ihre Rückenbündel. Der Eine machte tiefe Athemzüge und sagte: »Mein Gallo, was doch die freie Luft Gottes wohlthut!«

      »Das glaube ich,« versetzte der Andere, »und die freie Luft Gottes, die wirst nun genugsam trinken können.«

      »Weiß es wohl,« sagte der Eine, »daß ich nun in den Ritscherwald hinauf muß, aber einmal hättet Ihr mir mein Gestadehaus noch vergönnen mögen. Ihr wißt so wenig als ich, ob ich es in späterer Zeit noch einmal sehen werde.«

      »Dein Gestadehaus,« entgegnete der Hallo, »das wirst Du – doch mein Rath ist, wir gehen weiter. Aber bei der Rabenkirche drinnen mögen wir rasten, und dort will ich Dir auch erzählen, was sich die letzten Tage her d’raußen im Gestade zugetragen hat. Es ist hart für mich, daß ich es Dir sagen muß. Härter freilich noch für Dich, daß Du es ertragen mußt. Aber das Härteste ist das nicht. Gehen wir.«

      Und sie gingen. Der Schlittpfad wurde immer schlechter und hörte endlich ganz auf. Nur die einzigen Fußspuren irgend eines Holzfällers zogen sich noch eine Strecke hin, dann bogen auch diese seitab, und da blieb der Feuerwart stehen und murmelte: »Das ist mir unlieb, hier dürfen wir nicht weiter. Jetzt bleibt uns nichts Anderes übrig, wir müssen auf dem Wasser gehen, daß keine Spur bleibt.«

      Uns sie schritten auf der hier gänzlich eislosen Trach von Stein zu Stein, wie solche aus dem gischtenden Wasser hervorstanden. Oft mußten sie sich mit den Stöcken von Klotz zu Klotz schwingen, oft glitten sie in der Dunkelheit auch zur Tiefe. Das Rauschen des Bergflusses war so gewaltig, daß sie ihre eigenen Tritte nicht vernahmen.

      Endlich war die arge Strecke zurückgelegt und sie standen in der finsteren Felsenhöhle, die Rabenkirche genannt. Hier zündeten sie Reisig an, und während die Flammen aufloderten an dem rauhen, klüftigen Gewände, an welchem einst der Eid der Verschwörung widerhallt hatte, blickte der Schreiner vom Gestade mit seinem schreckbar blassen Gesichte fragend auf den Feuerwart.

      Und dieser sagte: »Mein lieber Wahnfred! Dahier an dieser Felsenkluft ist Dein Name hervorgehoben worden, und in diese Felsengruft mußt Du Deinen Namen jetzt begraben. Da unser Weg an dieser Höhle vorüberführt, so vernimm es hier. Dein Opfer für Trawies ist schwer, aber es wird Dir erstattet werden. Gestern Abends ist draußen am Gestade das Haus des Schreiner Wahnfred niedergebrannt.«

      »Was sagst Du?« rief der Andere dumpf, »mein Haus?«

      »Ist Asche. Man baut es wieder.«

      »Und die Meinen? Feuerwart, die Meinen?«

      »Sind glücklich entkommen bis auf ihn – den Wahnfred. Der ist mit verbrannt.«

      »Was sind das für Worte, Gallo?«

      »Du verstehst sie bald. Während Du in meinem Keller verborgen warst, ist der Satan nicht müßig geblieben; er hat allen Verdacht auf Dich und Dein Haus zusammengetragen. Wir hätten Dich und Dein Weib und Kind nicht anders zu retten vermocht, als daß wir Dein Haus niedergebrannt haben und die Knochen des Pfründners Lull, die im Schutt gefunden werden, für die Deinen ausgeben.«

      »Die Knochen des Pfründners? Wer hat ihn umgebracht?«

      »Geh, Freund, das Morden wird doch weiter nicht eingeführt in Trawies. Der Lull ist von selber gestorben. Dein Weib und Kind hat der Bart mit in die Tärnwälder geführt. Zur Sommerzeit kannst sie sehen, aber jetzt nicht. Jetzt mußt Du in die Wildniß kriechen, so tief Du kriechen kannst, daß keine Spur von Dir ist, bis die Späher wieder Alle davon sind. Deinem Weibe werde ich Nachricht von Dir bringen; sei unbesorgt. Ich muß Dich hier verlassen, daß ich noch in der Nacht heimkomme. Du bleibe hier bis zum nächsten Abend und verbirg Dich. Und wenn es morgen Abends dämmert, so mach’ Dich auf, Du brauchst eine lange Nacht, bis Du zu Deinem neuen Hause kommst, das hinter dem Rücken des Ritscherwaldes steht. Du kennst die Klause am Donnerstein, wo vor Zeiten Einsiedler haben gelebt. Du bist ja mit uns gewesen, da wir vor etlich’ Jahren den Letzten herabgetragen haben auf den Kirchhof. An seiner Statt zieh’ Du in die Klause; Dir ist das Einsiedeln nöthiger, wie alle Mönchen auf der Welt. Was Du von diesen Lebensmitteln tragen kannst, das trage mit Dir, das Andere verwahre in diesen Klüften und hole es nach Bedarf! Ich will Dir Mancherlei noch hierherschaffen, was Du nicht entbehren kannst. Aber richte es so ein, daß Du zwei Nächte hast, eine zum Hergang und eine zum Rückgang. Daß Dich Niemand sieht, bis Deine Haare lang sind und Die Mantel und Deine gestalt verändert ist! Und wenn es Zeit ist und Du zurückkehren darfst, so wirst Du in dieser Felsenspalte Nachricht finden.«

      »Wo aber, mein lieber Gallo, wo soll ich die Nachricht finden, wenn bis dahin die Felsen verwittert sein werden?« So fragte Wahnfred.

      »So hart mußt Du Dir’s nicht legen,« antwortete der Feuerwart, »bis die Wiesen grün werden, verhoffe ich, Dich hier unten wieder zu sehen.«

      »Mann! Hier hast Du ein Wort gesagt, das Du selber nicht glaubst. Nimm es zurück. Du weißt es, Ihr Alle wißt es, was mit mir ist. Die Wiesen werden siebenmal grünen und siebenmal welken, und die Nachricht wird sich in dieser Spalte nicht finde. – Der Wahnfred ist todt und er wird