Die Chroniken der drei Kriege. S. A. Lee

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Название Die Chroniken der drei Kriege
Автор произведения S. A. Lee
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Год выпуска 0
isbn 9783967525557



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Stein gehauen. Dann jedoch lächelte der Mann und zeigte ungewöhnlich lange Vorderzähne.

      »Der Dunkle ist wahrhaftig mit uns. Ich fürchtete schon, wir hätten sie durch die Nachlässigkeit der Brüder in Uvonagh verloren. Doch wie immer leitet Er das Schicksal in die Bahnen, die uns gewogen sind. Ich werde die übrigen Ordensvorsteher informieren, dass sie die Suche abbrechen können. Sie sollen so viele unserer Brüder wie möglich in die Hauptstadt des Westens schicken.«

      »Oberster, das ist äußerst gefährlich«, wandte der alte Mann vorsichtig ein. »Der Großfürst von Aracanon lässt alle Zugänge zur Stadt überwachen – er weiß von unseren Bestrebungen hier und müht sich, uns aufzuhalten. Seit Wochen sind wir gezwungen, im Untergrund zu bleiben …«

      » … und das ist allein deine Schuld!«, entgegnete der andere kalt. »Wenn du die, die dir anvertraut worden sind, zu mehr Umsicht angehalten hättest, wäre unser Zweck verborgen geblieben! Nun sind die Ungläubigen gewarnt und werden auf jeden Fremdling mit Argwohn reagieren! Deshalb wirst du dafür sorgen, dass unsere Geschwister gefahrlos in die Stadt hineinkommen.«

      Das Gesicht des Alten wurde eine Spur blasser, doch er neigte gehorsam den Kopf.

      »Wo ist das Gefäß jetzt?«, fragte der Mann im Spiegel.

      Ein seltsames Zucken huschte über Stilichos faltiges Gesicht. »Im Palast, mein Oberster. Der Großfürst hat sie unter seinen persönlichen Schutz gestellt – es scheint, als wäre sie zusammen mit einer anderen Frau und einem Mann in die Stadt gekommen, die mit dem Großfürsten vertraut sind …«

      »Diese Leute sind mir gleichgültig«, entgegnete Skaidridt kalt. »Wenn es sich nicht vermeiden lässt, sie zu töten, bieten sie Opfergaben für den Einen Gott, ansonsten hat dich nur das Gefäß zu interessieren. Was ihren Schutz angeht«, fügte er nach einem Moment des Nachdenkens hinzu, »so wird sich dir in Kürze ein weiterer Vorsteher unseres Ordens anschließen, sodass ihr eure Kräfte bündeln und sie den Ungläubigen entreißen könnt. Nur beeilt euch – die Nacht des Rìzhar nähert sich.«

      »Wie du befiehlst, Oberster«, murmelte der Alte demütig und verneigte sich. Als er wieder aufblickte, war er allein. Mit besorgt gerunzelter Stirn blieb er noch einige Herzschläge knien und dachte nach. ›Das Gefäß muss in unsere Hände fallen‹, dachte er mit einem Anflug von Verzweiflung, ›aber wie?‹ Was der Oberste über einen zusätzlichen Führer des Ordens gesagt hatte, der ihn unterstützen sollte, ermutigte ihn – er war alt, und seine Kräfte ließen nach. Dennoch beunruhigte ihn der Gedanke, den Palast zu stürmen, aus dem er selbst so unrühmlich verbannt worden war; meterdicke Mauern, und dazu die Windreiter mit ihren Schwertern … Die Macht, die sein Gott ihm und seinen Geschwistern verlieh, war groß, aber nicht unendlich, noch nicht.

      »Komm her«, sprach er ins scheinbare Nichts, und einen Augenblick später war die Krähe wieder da, hockte sich auf seine verkrüppelte Schulter und starrte ihm vorwurfsvoll ins Gesicht.

      »Flieg zurück in den Palast«, befahl er ihr. »Beobachte, was sich dort tut. Behalte vor allem das Gefäß im Auge – wir dürfen jetzt nicht versagen.«

      Leicht drückten die scharfen Krallen in sein Fleisch, dann erhob sich der Vogel in die Lüfte und verschmolz mit den Schatten um sie herum.

      »Wir dürfen nicht versagen«, wiederholte Stilicho.

       Aracanon, Hauptstadt Nardéz, Frühwinter im Jahr 1098 des zweiten Zyklus

      Als Kirin am anderen Morgen aufwachte, war sein erster Gedanke Elouané; er hatte in der Nacht wieder geträumt, noch intensiver als sonst, und es war kein guter Traum gewesen. Wieder hatte er die Krähe gesehen und den blutroten Ozean, aus dem ein schwarzer Turm ragte. Und an der Küste dieses Ozeans hatte Elouané gestanden, die langen Haare von einem Sturmwind zerzaust, das Gesicht totenbleich und eingefallen. Sie hatte nach ihm gerufen, aber er hatte nicht gehört, was sie sagte, und während er versuchte auf sie zuzulaufen, war die Krähe auf sie herabgestürzt und hatte sie mit sich gerissen.

      Schweißgebadet stieg er aus dem Bett und öffnete die Tür zu seinem Vorzimmer, wo er zu seiner Verblüffung Rhùk sitzen sah. Der Windreiter hatte sich einen Stapel Pergamente auf den Schoss gelegt und blätterte sie mäßig interessiert durch.

      Als Kirin die Tür aufstieß, blickte er auf.

      »Ist ja ein ganz schönes Chaos, das du hier um dich hast, Kleiner. Gibt es irgendeinen Adeligen, Politiker oder General auf diesem Kontinent, der nicht aus irgendeinem Grund stinksauer auf dich ist?«

      »Gib das her!«, fauchte Kirin und riss dem Windreiter die Dokumente aus den Fingern; diese Seite an Rhùk hatte er völlig verdrängt, wie er sich jetzt schmerzlich eingestehen musste. »Das ist Privatkorrespondenz. Meine Korrespondenz.«

      »Ja, und du hast sehr viel Vernünftiges damit angefangen.« Rhùk wies auf die Schreibtischplatte, wo noch eine ganze Menge weiterer Dokumente lagen, auf denen sich allmählich Staub ansammelte.

      »Das liegt daran, dass ich einen mordenden Götterorden am Hals habe, der meine Stadt entvölkert«, entgegnete Kirin gereizt und legte die Blätter einigermaßen ordentlich an ihren Platz zurück.

      »Ein Orden, den du in Nardéz erst wieder ins Leben gerufen hast«, nickte Rhùk weise und tätschelte ihm im Aufstehen die Schulter. »Gut gemacht, Bürschi.«

      Bei diesen Worten wurden Kirins Eingeweide schwer wie Blei. »Hast du Lust, an meiner Stelle Großfürst zu sein? Ich habe nichts dagegen.«

      Rhùk lachte auf und streckte sich. »Um keinen Preis der Welt, Kleiner. Ich habe schon drei Aufforderungen zum Duell bekommen, seit ich hier bin. Wenn ich versuchte, alles an mich zu reißen, käme es zum Aufstand, noch bevor mein Arsch den Thron angewärmt hätte.«

      Kirins Ärger verflog. »Man fordert dich zum Duell? Wieso?«

      »Zu drei Duellen«, korrigierte Rhùk und hielt die passende Anzahl Finger hoch. »Nun, weil ich ein Überläufer bin, der seinen Schwur gebrochen hat, weil ich dir geholfen habe, gegen die Windreiter zu kämpfen, weil ich die Ostländer in eine Stadt eingeschleust habe, die ich eigentlich beschützen sollte, und weil ich einen Dolch in ihren Großfürsten gerammt habe.«

      Er lächelte, doch Kirin war kein bisschen nach Spaßen zumute.

      »Du meinst, es sind Windreiter, die dich zum Duell herausfordern. Die dich umbringen wollen, weil du mir geholfen hast.«

      Rhùk zuckte mit den Schultern. »Habe ich das nicht eben gesagt?«

      Kirin musterte ihn einen Augenblick lang, dann sagte er: »Ich kann dir Wachen zu deinem Schutz mitgeben, wenn du …«

      »Soldaten aus den Reihen der Windreiter, meinst du?« Wieder lachte Rhùk und winkte ab. »Vergiss es, Junge. Und wenn du mir einen deiner ostländischen Trottel aufschwatzen willst, brauchst du gar nicht erst den Mund aufzumachen. Ich kann schon auf mich selbst aufpassen. Und solange ich die Forderungen zum Duell nicht annehme, dürfen sie mir offiziell kein Härchen krümmen – schließlich bin ich ein Lieblingsfreund des Großfürsten.« Er tat so, als schickte er Kirin einen Luftkuss.

      Kirin schloss eine Hand um seinen Schwertgurt.

      »Und du hast auch nicht vor, die Forderungen anzunehmen. Oder?«, fügte er eindringlich hinzu, weil Rhùk nicht sofort antwortete. Ein schiefes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Windreiters aus. »Nun ja, ich nehme an, wenn man schon als Überläufer und Verräter gebrandmarkt ist, macht es auch nichts aus, ein Feigling zu sein.«

      Doch seine Augen hatten einen seltsamen Ausdruck, als er das sagte, und so spielte Kirin seine Trumpfkarte aus: »Was sagt Megan dazu?«

      Wie er erwartet hatte, verblasste Rhùks Lächeln. »Wehe dir, wenn du ihr gegenüber auch nur ein Wort erwähnst.«

      »Dann bring mich nicht dazu, es zu erwähnen«, erwiderte Kirin bedeutungsvoll, und gemeinsam traten sie hinaus auf den Flur.

      Auf sein vorsichtiges Klopfen hin öffnete sich die Tür zu Elouanés Zimmer, und ein grobes,