Название | Das Grab des Franzosen |
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Автор произведения | Olaf Viehmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754130223 |
„Und um den Ball flach zu halten, veranstaltet er dieses Brimborium hier?“, platzte es abermals aus Sophia heraus.
„Das nennt man Offensive!“, erwiderte der Kommissar mit einem fetten Grinsen.
Mittlerweile waren sie an den noch geöffneten Türen des großen Saals angekommen. Schweigend betraten sie ihn und augenblicklich waren etliche Blicke auf sie gerichtet. Im hinteren Teil des Saales stand ein langer Tisch, mit etlichen Stühlen dahinter. In der Mitte der Stuhlreihe saß der amtierende Oberbürgermeister, Thomas Reiter. Neben ihm saß ein Mann um die fünfzig in einem dunkelblauen Anzug. Dazu passend trug er ein gelbes Einstecktuch in der Brusttasche des Zweireihers und in der gleichen Farbe eine Krawatte. Mit den silber-grauen Haaren und den blauen Augen eine äußerst seriöse Erscheinung.
Links vom Oberbürgermeister befanden sich zwei freie Plätze. Vor einem dieser Plätze stand ein weißes Namensschild mit ihrem Namen, deshalb nahm sie dort Platz und begrüßte die Anwesenden in der Reihe mit gut sichtbarem Kopfnicken. Auf dem Namensschild zu dem verbleibenden freien Platz stand „Uwe Volkerts“. Der Name kam ihr bekannt vor, sie konnte ihn aber nicht zuordnen. Nachdem sie Platz genommen hatte, drehte sie sich zu Erwin um, der in der zweiten Reihe hinter ihr stand, als wäre er ihr Bodyguard.
„Und was ist mit dir? Musst du stehen?“
Er neigte sich zu ihr hinunter und erklärte „Der OB meinte, wir sollen kein falsches Licht auf den Fund werfen, und daher wäre es besser, wenn die Kripo nicht in der ersten Reihe sitzt.“ Dann beeilte er sich, noch zu ergänzen, „Bei dir ist das ja was anderes. Du bist Wissenschaftlerin.“
Seltsame Veranstaltung hier dachte Sophia, als sie sich wieder umdrehte. „Guten Tag, Frau Kollegin“, erklang eine gehetzt wirkende Stimme zu ihrer Linken. Irritiert blickte sie zur Seite und sah einen korpulenten Mann, aus dessen hell-blauem Oberhemd man gut ein Einmannzelt hätte nähen können. Er trug eine aus der Mode gekommene Krawatte mit grünem Paisley Muster und dazu ein beigefarbenes Sakko aus zerknitterten Leinenstoff. Sophia konnte sich nicht gegen den Gedanken wehren, Oh mein Gott, der Typberater gehört ins Gefängnis! Er nahm neben ihr Platz. Immer noch schwer atmend. Die Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, und die wenigen, dünnen und asch-blonden Haare waren eine traurige Erscheinung über dem blassen Gesicht und der Brille der Marke Kassengestell.
„Guten Tag“ Ah, das war also Herr Volkerts. Sie nahm nicht an, dass er Mediziner war, sonst würde sie ihn wahrscheinlich kennen. Die Anrede als Kollegin wirkte verstörend. Seltsame Menschen, hier.
Oberbürgermeister Reiter ergriff das Wort: „Meine Damen und Herren von der Presse und vom Rundfunk, ich danke Ihnen, dass Sie es so kurzfristig einrichten konnten, und bin sicher, Sie werden nicht enttäuscht werden. Aber zunächst möchte ich uns kurz vorstellen; zu meiner Rechten Herr Dieter Recksiepe, Direktor und geschäftsführender Gesellschafter der Firma Friedrich Recksiepe & Söhne. Zu meiner Linken darf ich vorstellen Frau Dr. Sophia Jäger, leitende Forensikerin hier in unserer schönen Stadt“, dabei bemühte er sich, ihren Namen und die schöne Stadt besonders zu betonen, wohl um vom Synonym für Gerichtsmedizin abzulenken. „Und zu unserer gemeinsamen Linken unser lieber Dr. Uwe Volkerts, Direktor unseres Heimatmuseums.“
Der rhetorisch geübte Oberbürgermeister begann seine Einführung mit einer Darstellung der Funde prähistorischer menschlicher Skelette im Stadtgebiet und der Bedeutung der geographisch und strategisch interessanten Umgebung. Der Museumsdirektor nickte gelegentlich zustimmend. Anschließend leitete er seine Ausführungen zum aktuellen Fund ein. „... Wie bereits erwähnt ist das menschliche Skelett nahezu vollständig erhalten und in gutem Zustand. Aber nun möchte ich die Fragerunde eröffnen, bei der uns unsere Expertin Frau Dr. Jäger sicher gerne ein Bild zum aktuellen Stand geben wird.“
Woher hat er nur diese Details? Die Knochen sind ja noch erdfeucht!, schoss es Sophia durch den Kopf. Doch sie hatte keine Gelegenheit, weiter darüber nachzudenken, da sie direkt angesprochen wurde. Ein Vertreter der Lokalpresse wandte sich an sie:
„Frau Dr. Jäger, was können Sie uns zu dem Fund sagen? Wie alt ist das Skelett? Ist es prähistorisch oder aus der Neuzeit?“
Das Ganze ging ihr entschieden zu schnell, daher versuchte sie, ein paar Gänge zurückzuschalten, holte tief Luft und begann dann: „Nun, wir stehen gerade erst am Anfang unserer Untersuchung. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich lediglich bestätigen, was der Herr Oberbürgermeister bereits dargestellt hat. Es ist ein offensichtlich gut erhaltenes menschliches Skelett. Eine Angabe zum Alter des Skeletts und Alter zum Todeszeitpunkt können wir erst nach weiteren Untersuchungen machen.“
Gerne hätte Sophia mit diesen Worten die Konferenz verlassen, doch so einfach wollte man sie nicht gehen lassen.
„Aber wie kann man vom Erhaltungszustand des Skeletts auf das Alter schließen?“, bohrte der Journalist weiter.
Sophia versuchte, nicht genervt zu klingen, während sie kurz antwortete: „Wie gesagt, detaillierte Ergebnisse können erst weitere Untersuchungen bringen.“
Doch ihre Aussage stellte die Pressevertreter nicht zufrieden. Ein Vertreter des hiesigen Lokalsenders gab seinem Vorredner Schützenhilfe: „Verstehe, aber aufgrund ihrer großen Fachkompetenz haben Sie doch sicher schon eine Vermutung, ob es sich eher im einen prähistorischen oder einen Fund aus der Neuzeit handelt, oder?“
Vom schmeichelnden Lob des Fragenden verführt, schnappte die Falle zu.
„Ja, sicher. Ich denke nicht, dass es prähistorischen Ursprungs ist. Es kann gut 200 Jahre alt sein bei den Bodenverhältnissen ....“ Für sie war es eigentlich nur eine beliebige Zahl, doch schon während sie die Zahl aussprach, sagte ihr ihre innere Stimme, dass es ein Fehler gewesen war. Sie versuchte, sofort zurückzurudern: „..., aber wie gesagt, ohne weitere Untersuchungen kann man da eigentlich gar nichts sagen.“
Doch der nachgeschobene Hinweis fand wenig Beachtung, die Meute hatte bekommen, wonach sie gierte. Ohne ihr eine Verschnaufpause zu gönnen, fuhr ein Vertreter einer überregionalen Nachrichtenagentur fort: „Stimmt es, dass Sie auch Artefakte neben dem Skelett gefunden haben, Waffen oder andere Gegenstände?“
Wer hat Ihnen das denn gesteckt?, hätte Sophia ihm am liebsten entgegengeworfen. Doch sie lernte schnell. Nochmal würde sie in keine Falle hineinstolpern! Sie bemühte sich um einen lässigen Ton.
„Wissen Sie, ich habe mich so beeilt, um Sie hier heute nicht warten zu lassen, da konnte ich gar nicht bis zum Ende der Exhumierung bleiben. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was mein Team da heute noch gefunden hat.“
Für sich genommen stimmte diese Aussage sogar.
„Aber Sie können es nicht ausschließen, dass eine Waffe gefunden wurde?“
„Wer kann das schon?“, war ihre spontane Antwort. Und irgendwie schienen die Vertreter der Presse damit erst mal genügend ‚Fakten‘ zu haben. Sie hätte nichts dagegen gehabt noch Auskünfte zur Vorgehensweise zu erläutern. Allerdings schien das Interesse an Informationen von ihr befriedigt zu sein.
Nun war der Museumsdirektor Uwe Volkerts an der Reihe: „Herr Dr. Volkerts, welche Pläne haben Sie angesichts dieses offensichtlich so bedeutenden Fundes?“
Volkerts holte weit aus, indem er die Bedeutung des Heimatmuseums für die heimische Bevölkerung und die positiven Auswirkungen auf den Tourismus mit Enthusiasmus darlegte. Anschließend wies er auf die Kooperation mit den Wissenschaften hin und den damit verbundenen Nutzen für die Menschheit. Endlich ging er dann auf die Frage ein. Er sprach von Sonderausstellungen zum geschichtlichen Hintergrund des Fundes, Lehrveranstaltungen für Schulklassen, Studienangebote für Studenten der Archäologie und Geschichte. Schließlich beklagte er noch im letzten Teil seiner Ausführungen die enormen Kapitalmittel, die solche Vorhaben verschlängen und die tatsächlich leeren Kassen. Das nahm das Stadtoberhaupt als Stichwort auf, um einerseits ins