Название | Das Grab des Franzosen |
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Автор произведения | Olaf Viehmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754130223 |
Sophia war in Fahrt. Was bildete sich dieser Fatzke ein? „Wissen sie was? Sie können mich mal ...“, im letzten Moment drosselte sie sich und vollendete den Satz „... nächste Woche wieder anrufen!“, und legte auf.
Kurz vor ein Uhr betrat Sophia das Gebäude des Polizeipräsidiums. Drei Minuten später betrat sie den kleinen Konferenzraum direkt neben Walthers Büro. Erwin saß bereits dort und startete gerade das Datenbankprogramm zum Zugriff auf alle Ermittlungsakten, die seit einiger Zeit nur noch elektronisch geführt wurden. Es war die gleiche Anwendung, die auch die Rechtsmedizin zur Ablage ihrer Daten nutzte, und somit waren sämtliche Dokumente, Protokolle, Bildaufnahmen zentral für jeden, der entsprechende Zugriffsrechte besaß, verfügbar.
Sie setzte sich an den ovalen Tisch, so dass sie gut, ohne sich verrenken zu müssen, den großen Monitor an der Wand und Erwin sehen konnte, während der Kriminalkommissar ihr eine Bildzeitung rüberschob.
„Hey Sophia, jetzt bist du berühmt!“
Sophia starrte auf die Titelseite und es verschlug ihr zunächst die Sprache. Sie sah eine Aufnahme eines Skelettes in einer Erdgrube. Es war nicht das ihres Falls, aber in der rechten linken Ecke war eine Aufnahme von ihr, darüber stand in übergroßen fetten Lettern:
„Sensationsfund!!! 200 Jahre altes Skelett aus der französischen Besatzungszeit!“
In ihr brodelte es vor Ärger, doch in Anbetracht des Titels der Zeitung beruhigte sie sich und meinte nur:
„Na und? Was in der Bildzeitung steht ...“
„... ist die Wahrheit!“, beendete Erwin den Satz, „… und gesagt hat das mal irgendein Chefredakteur von denen“, dabei zwinkerte er ihr mit einem Auge zu. „Vielleicht vereinfacht das die ganze Sache nur. Lass uns mal sehen, was wir haben.“
Mittlerweile hatte er den Fallordner geöffnet und auf dem Monitor sah man eine Vielzahl von Registern mit Beschriftungen wie Opfer, Motiv, Tatbeschreibung, Fundort. Er öffnete den Ordner Fundort, der bereits mit den Fotos, die Paul hochgeladen hatte, gut gefüllt war. Außerdem gab es ein Unterverzeichnis ‚Protokolle‘. Dieses öffnete er auch. „Schau, wir waren auch schon fleißig. Wir haben die Recksiepes und die nächsten Nachbarn befragt. Wir könnten sie ja alle durchgehen, aber das ist langweilig. Es gibt nicht den geringsten Verdacht auf ein Gewaltverbrechen in den letzten Jahren.“
„Wer sind denn die Recksiepes?“, unterbrach ihn Sophia.
„Brigitte und Dieter Recksiepe! Ihn hast du gestern ja kennenlernen dürfen. Sie sind die Eigentümer des Grundstücks, auf dem wir das Skelett gefunden haben.“, antwortete Erwin knapp.
„Ach, ja. Stimmt.“
Erwin fuhr fort: „Die Recksiepes haben keine Kinder. Sie und ihre Nachbarn dort oben wohnen schon seit Jahrzehnten da, und niemand kann sich an besondere Vorfälle erinnern. Es scheint, als sei dort noch nie eine Briefmarke verloren gegangen. Alles anständige Leute ... – Wie sieht es denn bei dir aus? Hast du schon konkrete Hinweise gefunden, Sophia?“
Sophia zählte die Fakten auf: „Männlich, Alter zum Zeitpunkt des Todes 35 bis 55 Jahre, Körperlänge ca. 182 cm, die Liegezeit lässt sich nicht ...“ Es machte ‚Pling‘. Sophia sah kurz auf ihr Handy und las: „Nichts, nicht die geringste Menge Fett nachweisbar, VG Paul“, dann fuhr sie fort „... genau bestimmen, liegt aber sicher über zehn Jahre. Das Skelett ist vollständig bis auf drei Finger der rechten Hand. Abtrennung und Verheilung zu Lebzeiten kann nicht ausgeschlossen werden. Ich konnte keine Spuren äußerlicher Gewalteinwirkung feststellen. Was fehlt, ist noch eine DNA-Analyse und die Datierung der Gegenstände.“
„Na also! Auch nichts! Lass uns die Akte schließen“, gab Erwin daraufhin von sich.
Sophia wägte kurz die Fakten ab, nickte und sagte dann aber: „Stimmt soweit ja alles, aber was wir bisher wissen, beweist nur, was wir ausschließen können, nicht, was wir noch nicht wissen. Und meiner Meinung nach gibt es einige seltsame Indizien. Öffne doch bitte mal den Ordner mit den Fotos vom Fundort.“
Erwin tat wie gewünscht, scrollte dann langsam durch die Bilder und fragte: „Welches möchtest du?“
„Da, dieses dort zum Beispiel!“ Sie zeigte auf die Gesamtansicht nach der partiellen Freilegung,
„Und?“, wollte Erwin von ihr wissen.
„Das Ganze wirkt so eigenartig auf mich. Einerseits ist es so ordentlich, als wäre es würdevoll bestattet worden. Aber andererseits ist es irgendwie unvollständig.“
Erwin konnte ihr offensichtlich nicht folgen, „Ja, und was schließt du daraus?“
„Der Fundort passt nicht zum Gesamtbild. Wir sind hier nicht auf einem Friedhof. Wenn jemand so würdevoll bestattet wird, dann doch nicht im Wald. Und wenn man schon ein Schwert als Grabbeilage dazu legt, lässt man dann den Gürtel weg?“
„In der Nähe des Waldes!“, wurde sie korrigiert.
„Ok, in der Nähe. Aber selbst wenn der Ort vielleicht nur ungewöhnlich ist, dann ist das Arrangement dennoch unvollständig. Ich habe zwar nicht in der Zeit gelebt, aber ich nehme an, dass eine würdevolle Bestattung eines Soldaten im vollen Ornat stattgefunden hat. Erwin, das passt alles nicht!“
Erwin schien das alles zu weit zu gehen.„Sophia, ich schätze dich und deine Kenntnisse, aber das sind alles Annahmen und Vermutungen. Was sollen wir denn damit anfangen?“
„Es geht auch um meine Reputation! Mit so wenigen Fakten einen Fall zu schließen, ist nur eine halbe Sache!“, erwiderte Sophia aufgebracht.
Schweigen. „Ok, schreib dein Gutachten und wir sammeln alles. Aber ich glaube damit werden der Oberbürgermeister und der Museumsdirektor sich nicht zufriedengeben. Die wollen ihren historischen Fund!“, dabei zeigte er auf die Zeitung.
Damit war die Unterredung beendet. Sophia fuhr zurück ins Büro und machte sich sofort ans Werk, um ihr vorläufiges Gutachten zu schreiben und es auf den Server zu laden.
Gegen sechs Uhr war sie damit fertig und zehn Minuten später zu Hause. Sehr gut! Sie hatte noch genügend Zeit, ihren Trolley für die nächsten Tage zu packen und ein kleines Abendessen vorzubereiten. Viel hatte sie nicht im Kühlschrank, aber für Pasta mit einer schmackhaften Soße, verfeinert mit frischen Kräutern aus dem Garten, reichte es. Sie deckte schon mal den Tisch und stellte das Wasser für die Nudeln an.
Es klingelte. Mit einem kurzen Blick auf die Uhr wusste Sophia, dass es Kai war, denn dieser liebte Pünktlichkeit. Eine Eigenschaft, die sie sehr an ihm schätzte. Sie öffnete die Tür und zeitgleich sagte sie lachend:
„Wie immer! Pünktlich auf die Minute.“
Der junge Mann vor der Tür trug Jeans, ein weißes T-Shirt mit V-Ausschnitt und darüber ein geöffnetes Jeanshemd. Er sah mit seinen 35 Jahren aus wie ein auf geheimnisvollerweise jung gebliebener Student.
„Ich kann nicht anders“, sagte Kai mit seiner weichen Stimme und charmantem Lächeln. Die großen dunklen Augen, die wilde Frisur seiner dunkelbraunen Haarpracht und der Dreitagebart verfehlten nicht ihre Wirkung. Sophia umarmte und küsste ihn.
Als sie von ihm abließ, flüsterte sie ihm ins Ohr: „Schön, dass du da bist. Ich bin aber noch nicht mit dem Essen fertig.“
„Das macht nichts, dann machen wir es zusammen. Ich habe auch noch einen guten Tropfen mitgebracht“, flüsterte Kai zurück, und hob die rechte Hand.
Sophia drehte den Kopf kurz nach links und sah eine Flasche Rotwein in Kais sonnengebräunter Hand.
„Ah gibt’s was zu feiern?“, hauchte sie ihm ins Ohr.