Die Bewohner von Plédos. Richard Oliver Skulai

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Название Die Bewohner von Plédos
Автор произведения Richard Oliver Skulai
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991312833



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im sogenannten Sonnengürtel des Planeten liegt, der sich durch außerordentliche Hitze auszeichnet. Sonnenostun hat eine nordwestliche Ausbuchtung, die der Karikatur eines menschlichen Gesichtes im Profil gleicht, und läuft südwestlich in eine riesige Zacke aus, die einem Bart ähnelt und sich in mehreren kleinen Inseln fortsetzt. Für das zusammenhängende Festland hat sich der Name Ómuo eingebürgert. Die Vegetation auf Ómuo ist in besonderem Maße schwefelhaltig und erzeugt Ausdünstungen, die das Sonnenlicht sammeln und eine unerträgliche Hitze verursachen, sodass selbst die Haut der schwarzen Völker unter ihrer Einwirkung verbrennen würde. Es hat sich daher auf Ómuo eine besondere Menschenrasse herausgebildet, die statt Pigmenten Chlorophyll in der Haut trägt und daher grün erscheint. Selbst ihre Augäpfel sind grün. Sie besitzen die Fähigkeit der Fotosynthese, können daher von Licht und Wasser leben und sind weder Vegetarier noch Fleischesser. Sie brauchen nicht zu arbeiten, um sich Nahrung zu beschaffen, was bei der unerträglichen Hitze tagsüber auch kaum möglich wäre. Sie haben es daher auch nie zu einer höheren Kultur gebracht. Ihre Zähne sind klein und spitz und werden außer zum Abschaben von Steinen nur zur Selbstverteidigung benutzt. Auch ihre selbst gefertigten Waffen, große, lange Speere, setzen sie nur zur Verteidigung ein. Sie tragen keine Kleidung, behängen sich aber mit Schmuck. Die grünen Völker bekämpfen sich nicht untereinander, da sie friedliebend sind. Es gibt aber viele große gefährliche Tiere auf Ómuo, die fast alle fleischfressend sind. Selbst viele Pflanzenarten auf Ómuo sind fleischfressend. Wegen der aufsteigenden Schwefeldämpfe gedeihen grüne Pflanzen nur schlecht. Viele haben sich daher auf ein Dasein als Zwitterwesen – halb Tier, halb Pflanze – spezialisiert und lauern ihren Opfern aus dem Hinterhalt auf. Da die Eingeborenen von Ómuo, besonders die Kinder, nicht immer Waffen bei sich tragen, müssen sie sich oft ihrer kleinen Zähne bedienen, um die Pflanzen zu zerstückeln, die sie überraschend ergreifen, um sie zu verzehren. Darüber hinaus müssen sich die grünen Völker gegen die Fischer aus Íoland und die Abenteurer aus Stiefelburg verteidigen, die nach Ómuo reisen. An der Eroberung des Kontinentes sind diese bisher gescheitert.

      Der Kontinent Rüsselschwein im Osten von Ómuo gleicht einer plumpen Sau auf zwei südwestlichen Beinen mit gewaltigem Kopf, den man als eine Mischung aus Schwein und Elefant bezeichnen könnte, und der im Norden in einen riesigen, aufgerichteten Rüssel ausläuft. Unter allen Kontinenten von Plédos ragt Rüsselschwein – von seinen Bewohnern „Kirisag“ genannt – durch seine reiche Tierwelt hervor. Manche dieser Tiere sind denen auf der Erde ähnlich. Gewöhnliche Menschen gibt es in Rüsselschwein nur wenige, aber es leben dort einige Riesen- und Zwergenvölker. Unter diesen stechen die fünf Meter hohen Giplomben, blaue, dumpfe Riesen mit Stielaugen, und die Zwergenrasse der Kunos hervor. Ausgewachsene Kunos werden in der Regel siebzig Zentimeter hoch, haben Schweinsnasen, dicke Bäuche und langes, struppiges Haar. Im Norden des Landes befindet sich der ausgedehnte Löwensee, wo sich Herden großer löwenartiger Tiere treffen. Weiter südlich liegt die große, eintausend Kilometer tiefe Ganganjer-Schlucht. Sie ist das Wahrzeichen des Kontinentes. Alles, was in diese Schlucht stürzt, wird an ihrem Grund zu Staub zermalmt. Man sagt, dass diese Schlucht entstanden sei, als sich einst in grauer Vorzeit der Planetenmond Pessian von Plédos trennte. Damals sei der Inselwelt diese große Wunde gerissen worden.

      Am nördlichen Rande der Ganganjer-Schlucht befindet sich der Komponische Märchenwald. Er wurde von den beiden Riesen Idan und Oler gepflanzt, die über ihn wachen. Sie sind Brüder und vor Jahrhunderten aus Haihaupt geflohen, weil sie die Grausamkeit der dortigen Bewohner nicht mehr ertrugen. Idan und Oler sind die größten und mächtigsten Wesen in Rüsselschwein. Auf einer Reise nach Windlanden rettete Idan einst einen Menschensäugling, dessen Eltern von Wegelagerern umgebracht worden waren. Er nahm ihn mit sich und zog ihn groß. Er gab ihm den Namen: „der kleine Idan“. Der kleine Idan ist in Rüsselschwein der einzige richtige Mensch. Im Komponischen Märchenwald können die Tiere sprechen – wenigstens erscheint es dort dem kleinen Idan so – und sie leben in Frieden zusammen. Und hier ist es, im Komponischen Märchenwald, wo unsere Geschichte beginnt.

      Der Komponische Märchenwald

      Vor der tausend Kilometer tiefen Ganganjer-Schlucht, auf deren Grund alles zu Staub zermalmt wird, was hineinfällt, lag der Komponische Märchenwald. Er wimmelte von Elefanten, grizzlyartigen Bären, Löwen, Affen und vielen, vielen anderen Tieren. Unter ihnen lebte der kleine Idan, der der einzige gewöhnliche Mensch im ganzen Walde und, wenn man es genau nimmt, auf dem ganzen Inselkontinent war. Er lebte in Frieden mit den Tieren zusammen. Zu der Zeit, in der unsere Geschichte beginnt, war der kleine Idan gerade neun Jahre alt und hatte seine ganze Kindheit im Komponischen Märchenwald verbracht. Er hatte keine Eltern und es gab auch sonst weit und breit keine gewöhnlichen Menschen, die sich um ihn kümmerten. Wer hatte ihn groß gezogen? Immerhin trug der kleine Idan einen weißen Wollpullover und eine lange schwarze Hose mit Hosenträgern und irgendjemand musste sie ihm gemacht haben. Auch konnte der kleine Idan sprechen. Irgendjemand musste ihm die Menschensprache beigebracht haben. Abenteurer, die den Komponischen Märchenwald besucht hätten – nur hatte das bisher noch keiner getan – hätten sich wahrscheinlich sehr gewundert, wenn sie den Jungen so mutterseelenallein hier angetroffen hätten, und sich ganz bestimmt diese Frage gestellt. Und wahrscheinlich hätte nur ein Blick nach oben zur rechten Zeit und am rechten Ort, ein gewagter Blick über die Wipfel der Bäume hinaus die Lösung des Rätsels erbracht. Denn unbestrittene Herrscher des Waldes und womöglich weit und breit im ganzen Kontinent waren die mächtigen Riesen Idan und Oler. Sie waren Brüder und hatten selbst den Wald gepflanzt und die Tiere aus allen Teilen und Ländern Rüsselschweins herbeigeholt, um ihn zu bevölkern. Sie waren es, denen der kleine Idan Nahrung, Kleidung und das Leben verdankte. Der große Idan, der übrigens genauso angezogen war wie der kleine Idan, hatte den kleinen Idan auf einer seiner Reisen mitgenommen, als er mit Oler, seinem älteren Bruder, unweit der Ostküste von Windlanden Rast gemacht hatte. Unvermittelt war ein Orkan ausgebrochen und barbarische Wegelagerer, die sich die Situation zunutze gemacht hatten, hatten einem Ehepaar, das mit seinem Säugling geflohen war, aufgelauert und es erschlagen, um es auszurauben. Den Säugling der beiden hatten sie achtlos liegen gelassen. So hatte der große Idan den kleinen gefunden, ihn zu sich genommen und großgezogen und ihm seinen Namen gegeben. Der große Idan hatte diese Geschichte seinem Zögling immer wieder erzählt, bis dieser ihn eines Tages fragte, woher er denn gewusst habe, dass seine Eltern von Räubern umgebracht worden seien. Da gestand ihm der Riese, dass er die Szene kurz nach dem Ausbruch des Orkans von Weitem beobachtet hatte, aber er sei zu spät gekommen. Die Eltern seien schon tot gewesen. In seiner Wut habe er die Raubmörder, vier an der Zahl, an einem Felsen zermalmt. Den Säugling aber hätten sein Bruder und er vor dem Sturm geschützt und mit auf ihr großes Floß genommen. Unterwegs hätten sie von Fischen gelebt, die die Riesen mit der bloßen Hand gefangen hätten. Sie hätten auch eine kleine Feuerstelle auf dem Floß über zusammengeschichteten Steinen errichtet. Darüber hinaus hatten sie große Getreidesäcke geladen. Der kleine Idan sei durch die Milch eines Schafes ernährt worden, das sie mit sich führten.

      Den Komponischen Märchenwald hatten die beiden Brüder Jahrhunderte zuvor, nach ihrer Flucht aus Haihaupt, gepflanzt. Diese Flucht aus Haihaupt hatte ihren guten Grund gehabt. Denn die Riesen dieses Kontinentes hatten trotz ihrer hohen Lebenserwartung überaus rohe Sitten und waren ausgesprochen grausam. Sie waren ausländerfeindlich und pflegten Abenteurer, die mit ihren Schiffen an den Meeresgestaden anlegten, sofort gefangen zu nehmen und hinzurichten. Auch genossen sie unter den Völkern der übrigen Kontinente den Ruf, Kannibalen zu sein. Gewöhnliche Menschen jagten und fraßen sie und sie bildeten sich obendrein noch viel darauf ein. Vom Blut der gewöhnlichen Menschen berauschten sie sich ebenso sehr, wie sich die Völker der Erde vom Wein berauschen. Soldaten aus Stiefelburg und Íoland hatten schon oft versucht, mit großen Flotten nach Haihaupt vorzudringen und das Land für sich in Besitz zu nehmen. Aber es war ihnen übel ergangen. Die Haihauptriesen hatten sie von den Küsten aus mit großen Felsbrocken beworfen und ihre Schiffe versenkt. Diejenigen unter ihnen, die sich hatten an Land retten können, waren aufgegriffen und getötet worden. Ihr Blut wurde wie ein edler Tropfen genossen. Und so hatten sich die zivilisierten Völker damit getröstet, dass es in Haihaupt ohnehin nicht viel zu holen gegeben hätte. Der Kontinent wurde als unwirtlich und wegen der Größe und Härte seiner