Название | Die Bewohner von Plédos |
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Автор произведения | Richard Oliver Skulai |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991312833 |
Die beiden Brüder fühlten sich von den Verhältnissen in den Ländern ihres Kontinentes in höchstem Maße abgestoßen. Der Unterricht an den Schulen, in denen sie ihre Jugend verbracht hatten, konnte sie nicht befriedigen und so entschlossen sie sich auf Reisen zu gehen. Nun war den Riesen aus Haihaupt die Ausreise von Staats wegen zwar erlaubt, doch musste diese beruflich begründet sein. Und die gängige Begründung war der Menschenfang. Da immer mehr Haihauptbewohner nach berauschenden Blutgetränken verlangten, mussten Menschen aus den benachbarten Inseln und Kontinenten eingefangen werden und um dies zu bewerkstelligen, hatte sich ein eigener Berufszweig entwickelt. So machten die beiden Brüder eine Zusatzausbildung in Menschenfang, um ohne Probleme auszureisen. Sie kehrten natürlich schon von ihrer ersten Reise nicht mehr zurück.
Der Kontinent Rüsselschwein galt – ebenso wie Totenmund – für die Haihauptriesen als eine verbotene Zone. Totenmund war der einzige Inselkontinent, der wegen der magischen Kräfte seiner Bewohner von ihnen zu Recht gefürchtet wurde. Einige Riesen, die es auf ihren Reisen dorthin verschlagen hatte, waren nicht mehr zurückgekehrt. Statt selber Menschen zu fangen, waren sie von den Alraunenwesen überwältigt und verzehrt worden. In Totenmund galt Menschenfleisch als Delikatesse. Die Alraunenkobolde errichteten ganze Fleischberge gut gesalzener Haihauptriesen. Riesen, denen es gelang, von dort zurückzukehren, berichteten von der ausgesprochenen Zähigkeit dieser Wesen und ihren Zauberkräften. Zum Essen waren die Totenmunder wegen ihrer gummiartigen Zähigkeit nicht geeignet und dies war ein weiterer Grund, warum der Kontinent gemieden wurde. In der Staatspropaganda von Haihaupt war es der einzige Grund, den man bekannt machte, denn die mächtigen Könige von Haihaupt waren zu stolz, um zuzugeben, dass die Bewohner von Totenmund eine Gefahr für sie darstellen konnten. In der offiziellen Begründung, die schon die Kinder in der Grundschule auswendig lernen mussten, hieß es:
Wo nicht das Fleisch der Menschen zart,
dorthin verboten ist die Fahrt.
Und wo nicht weiche Leute,
da gibt es keine Beute!
Idan und Oler, die Sprüche wie diese als Grundschüler im Chor hatten singen müssen, widerten solche hochgepäppelten Lügen und Halbwahrheiten an. Von den Abenteurern aus Íoland und Stiefelburg hatten die Haihauptbewohner erfahren, dass auch der Inselkontinent Rüsselschwein nicht von gewöhnlichen Menschen besiedelt war. Die Abenteurer hatten von den schrecklichen Schlangenwesen und Kyruppen berichtet und von den hässlichen Kunovölkern, die über das ganze Land verbreitet waren. Das Wort „hässlich“ war von den Haihauptriesen gefürchtet und durfte kaum ausgesprochen werden, seit ihnen von der ausgesprochenen Hässlichkeit der totenmunder Alraunenwesen berichtet worden war. Als sie hörten, dass die Gesichter der Kunos runzelig und ihre Münder breit waren und dass sie breite Schweinsnasen hätten, ging bei ihnen schon der geistige Rollladen herunter. Gerüchte über die magischen Kräfte der Kyruppen und Schlangenwesen taten das ihrige. Denn die Riesen waren in der Mehrheit abergläubisch. Der Kontinent Rüsselschwein war gefürchtet, obwohl noch nie ein Haihauptriese dort gewesen war. So endete denn auch das Propagandalied:
Drum meide Totenmund allein
und nebenbei auch Rüsselschwein!
Noch ein dritter Kontinent wurde von den Riesen – zwar nicht in der Theorie, aber in der Praxis – gemieden: Ómuo, bestehend aus dem großen Lande Sonnenostun und der Halbinsel Omonu. Die Existenz dieses Kontinentes wurde, obwohl das Wissen über seine Verhältnisse allgemein zugänglich war, penetrant verschwiegen. Weiterhin wurde verschwiegen, dass die Jagd auf die wilden Einwohner Ómuos trotz ihres zarten Fleisches wegen ihrer scharfen Zähne und der Tatsache, dass ihre Mägen hochkonzentrierte Salzsäure enthielten, verpönt war. Das allgemeine Bekanntwerden solcher Hinderungsgründe hätte in der Bevölkerung von Haihaupt Zweifel an der unumstrittenen Heldenhaftigkeit des Haihauptmenschen geweckt. Nur die Zähigkeit des Fleisches und die allgemeine Furcht vor Zauberei durften als Hinderungsgründe gelten.
Idan und Oler nützten diesen Aberglauben, um nach Rüsselschwein zu siedeln, wo sie vor Verfolgung sicher waren. Schon von Jugend an war ihnen klar, dass die Berichte über die Verhältnisse auf Rüsselschwein übertrieben und die Furcht vor seinen Bewohnern unbegründet sein musste. Und sie irrten sich nicht. In den Kunos begegneten ihnen weise und friedliebende Leute. Sie waren außerdem im Verhältnis zu den Riesen winzig klein – eine Tatsache, die die Staatspropaganda verschwiegen hatte. Die Schlangenwesen und Kyruppen waren auf ihre Gebiete beschränkt und wollten nur in Ruhe gelassen werden. Und so durchwanderten sie die weiten, menschenleeren Landschaften, bis sie zu der Ganganjer-Schlucht kamen. Dort pflanzten sie den Märchenwald. In dem Märchenwald siedelten sie Tiere an, die sie aus verschiedenen Gegenden des Kontinentes zusammentrugen. Sie lebten in Frieden in diesem Wald. Wegen der Vielfalt an Lebensformen, die in diesem Wald vereint waren, wurde er auch Komponischer Märchenwald genannt. Alle Tiere im Komponischen Märchenwald konnten sprechen, denn die Riesen hatten ihnen die Menschensprache beigebracht.
Das stärkste und zugleich gefährlichste Tier des Waldes war zweifellos Bär Porbulo, der Grizzlyhauptmann. Aufgerichtet maß er wohl drei Meter und fraß jeden Neuen auf, der in den Komponischen Märchenwald kam. Treu zur Seite standen ihm sein Bruder Zotti-Momi und Barion-Bär, sein erster General. Diese Tiere waren mächtig und grausam. Nur dem kleinen Idan und den Tieren innerhalb des Märchenwaldes taten sie nichts. Ihre Nahrung jagten sie in großen Gruppen außerhalb des Waldes unter dem Oberbefehl von Barion-Bär, und selbst Büffel und Auerochsen waren nicht sicher vor ihnen. Da war Urlu, der Löwenkönig, wieder ein anderer Typ. Er fraß nur schwächere Kälber und Hasen. Er war gutmütig, gelassen und träge. Mit seinem Löwenclan zog er jedes Jahr zum großen Löwensee im Norden des Kontinentes, wo er sich mit anderen Löwenkönigen traf. Über Urlu und Bär Porbulo wunderte sich wiederum Kiri, der Anführer der Elefanten, der größer und stärker als ein Mammut war. „Warum fressen die denn immer Fleisch?“, mochte er bei sich denken, wenn er die Löwen und Grizzlybären beobachtete. „Davon kriegt man ja nur Bauchweh! Überhaupt eine dumme Sache, das Fleischfressen! Wenn man bedenkt, dass man andere Wesen dafür töten muss, gegen die man ja nichts hat! Ich töte nur die, die mir etwas getan haben. Käme mir schlecht dabei vor, wenn es anders wäre! Seltsam: Dass einen die Natur dazu zwingen soll, ungerecht zu sein! Aber ohne mich!“
Der schlaueste und listigste von allen war Flexy, der Waschbär. Jeden Tag saß er auf einem Ast und schaute mit seinen schwarzen Knopfaugen um sich, ob er nicht irgendeinem anderen einen Streich spielen könne. Er liebte den Schabernack von Herzen. Und er konnte den ganzen Tag vor Freude vor sich hin keckern, wenn ihm ein guter Scherz, ein ausgefallener Witz, die Beschämung anderer gelungen war. Der kleine Idan fragte ihn oft um Rat, denn er wusste, dass Flexy ihn mochte, aber ihm fiel auf, dass der Waschbär trotz seiner Schlauheit immer nur dumme Sachen und schräge Einfälle im Kopf hatte. Eine ernsthafte Unterhaltung mit dem klugen Tier war ihm kaum jemals möglich.
Immerhin war Flexy der große, gefeierte Held des Giplombenkrieges gewesen. Der Giplombenkrieg hatte noch in einer Zeit stattgefunden, als der kleine Idan noch nicht geboren oder zumindest noch nicht in Rüsselschwein war. Die Giplomben hatten auf ihren Raubzügen den Komponischen Märchenwald überfallen, während Idan und Oler auf Reisen waren. Aufgrund ihrer Größe und Körperkraft hatten sie es sogar mit den Löwen und Grizzlybären aufgenommen und selbst Bär Porbulo hatte aus dieser Zeit noch einige Narben unter seinem Fell vorzuweisen. Obwohl einige der Giplomben ihr Leben hatten lassen müssen, wären die Tiere des Waldes von der Übermacht des feindlichen Heeres am Ende doch besiegt worden. Bei der großen Zahl der Feinde wäre sogar fraglich gewesen, ob Idan und Oler die Situation in den Griff bekommen hätten, wenn sie nicht verreist gewesen wären, und das, obwohl sie fast doppelt so groß wie ausgewachsene Giplomben waren und mit mehrfacher Körperkraft begabt. In dieser aussichtslosen Lage war es Flexy gewesen, der die Rettung brachte. Er lockte den Giplombenkönig in eine Falle, und das ganze Heer folgte ihm hinterher – direkt in die Ganganjer-Schlucht. Flexy hatte dem Giplombenkönig weisgemacht, dass er sich im Besitz eines wertvollen Schatzes befände. Er hatte geprahlt, hatte ihn verspottet,