There will be no surrender. Mitch Walking Elk

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Название There will be no surrender
Автор произведения Mitch Walking Elk
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948878146



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nach allem was sie durchmachen musste, aber wir Kinder hatten auch darunter zu leiden, dass sie behindert war. Es gibt niemanden, den man dafür verantwortlich machen könnte. Es war einfach so, wie es war und wir alle haben uns damit abgefunden. In den letzten Jahren hat es Momente gegeben, da fühlte ich mich betrogen, weil das Leben, das Schicksal oder wie immer man es nennen mag, uns darum gebracht hat, eine normale Mutter bzw. Familie zu haben. Aber sie war diejenige, die uns gegeben wurde und dafür bin ich dankbar.

      Trotzdem es gibt einen Teil in unserem Leben, auf den ich überhaupt nicht stolz bin, und das ist der Alkohol. Unsere Mutter trank. Später erfuhr ich, dass dies der Grund für ihre häufige Abwesenheit war, und warum wir dann bei Verwandten bleiben mussten. Dagegen hätte man vielleicht etwas unternehmen können.

      Wie überall gab es in Miami eine Reihe von Bars und Clubs, und ich erinnere mich daran, wie ich an vielen Abenden zusammen mit meinem jüngeren Bruder Lonnie auf der Suche nach unserer Mutter eine Bar nach der anderen abklapperte. Manchmal hatten wir Glück und fanden sie, oft aber auch nicht. Alle Barkeeper kannten Mama, und sie wussten auch, wer wir waren, denn manchmal nahm sie uns mit, wenn sie ausging, um zu saufen. Ich lebe schon seit längerer Zeit nicht mehr in Oklahoma, aber gelegentlich fahre ich nach Hause, um Familienangehörige zu besuchen, die dort noch leben. Als Mama noch lebte und bei meinem Eintreffen nicht zu Hause war, überraschte ich mich dabei, wie ich in die Bars ging, um nach ihr zu suchen. Bei einer dieser Gelegenheiten wurde mir bewusst, dass ich seit 40 Jahren immer genau dasselbe tat. Seit meinem vierten oder fünften Lebensjahr. Das war ein Schock für mich.

      Es geschah an einem jener Abende, an denen sie mich nicht mitnahm, dass ich sexuell missbraucht wurde. Ich muss ungefähr fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, vielleicht sogar ein Jahr jünger. Ich kann bis heute nicht darüber schreiben. Jeder, der glaubt, dass ein solches Ereignis keine negativen Auswirkungen auf das Leben eines Kindes hat, liegt völlig falsch, und wenn Eltern glauben, ihrem Kind könnte so etwas nicht passieren, sollten sie noch einmal nachdenken. Der Mann oder Junge auf der Straße, der Babysitter oder selbst der Pfarrer könnten der Übeltäter sein, der ihr Kind um seine geistige Gesundheit und um eine normale Zukunft bringt.

      Die Auswirkungen von sexuellem Missbrauch sind vergleichbar mit dem, was den amerikanischen Indianern an Unheil widerfahren ist. Die schwere Bürde wieder gesund zu werden liegt ganz allein auf den Schultern desjenigen, der missbraucht wurde. Andere können ihn dabei unterstützen, aber ab einem gewissen Punkt bist du es, der mit sich selbst zurechtkommen muss und du musst dir sagen: „Ok, jetzt ist es Zeit, mir selbst zu helfen“.

      Und dann musst du etwas Positives für deine psychische Gesundheit und dein Leben tun.

      In der Regel kommt diese Phase, nachdem man ein Leben voller Prüfungen, der inneren Unruhe und der Bedrängnis hinter sich hat. Aber die Hauptsache ist, dass die Möglichkeit besteht, wieder gesund zu werden. Ich selbst befinde mich immer noch im Heilungsprozess, aber ich habe meine Wahl getroffen, lieber mit der Situation umzugehen, anstatt die ganze Zeit nur mit mir selbst beschäftigt zu sein.

      Die Auswirkungen von sexuellem Missbrauch sind in etwa mit Krebs vergleichbar. Sie gehen nicht von allein weg und müssen behandelt werden. Wenn es nicht behandelt wird, kann es dich umbringen. Sie sind zu 98% heilbar, bis auf die zwei Prozent, die wir in Erinnerung behalten. Damit wird der „Krebs“ eine Art von Schatten. Wie gefährlich dieser Schatten für uns wird, hängt von der Intensität und dem Erfolg der Behandlung ab. Es gibt Leute, die setzen sich niemals damit auseinander und für andere sind selbst die verbleibenden zwei Prozent zu viel, um sich dem zu stellen. Aus diesem Grund betrinken sie sich die ganze Zeit oder pumpen sich mit Drogen voll, werden sexuell ausschweifend und sind unfähig, eine längerfristige Liebesbeziehung aufzubauen. Sie werden gewalttätig oder depressiv, pflegen keine sozialen Kontakte mehr oder begehen Selbstmord. Ich habe alle diese Symptome selbst erfahren, bis auf letzteres, aber es gab einige Male, wo ich im Gefängnis saß und ernsthaft darüber nachdachte. Eines aber ist sicher, dieses Ereignis verletzte mein gesamtes Dasein, und es zu überwinden war keine leichte Aufgabe.

      Zwei Indianer, die eine ganze Menge getan haben, um anderen in ihren Gemeinden zu helfen, sind Rick Thomas, ein Santee Dakota aus Nebraska, und Gene Thin Elk, ein Sincangu Lakota aus der Rosebud Reservation in Süd-Dakota.

      Beide haben jahrelang für das „Red Road Approach” Projekt gearbeitet, um Indianer in Sioux City, Nebraska, zu heilen. Was sie im Wesentlichen im Verlauf ihrer Tätigkeit herausfanden ist, dass all die Bars, Gefängnisse, psychiatrischen Anstalten und Friedhöfe voll von Indianern sind, die missbraucht wurden.

      Manchmal erscheinen uns die Probleme, mit denen wir im Verlauf unseres Lebens konfrontiert werden, unerbittlich und grausam zu sein. Das hat mich dazu inspiriert, einen Standpunkt im Leben einzunehmen, der das Unvermeidliche zumindest anerkennt. Ich habe erkannt, dass jeder an irgendeinem Punkt in seinem Leben einmal, wahrscheinlich auch mehrmals „hinfällt“ und dadurch gezwungen wird, sich mit den Fragen des Lebens auseinanderzusetzen.

      Manches davon geschieht durch unsere eigene Schuld, anderes nicht, aber es wird passieren.

      Sicherlich hat auch das seine Bedeutung, aber es ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist, dass man nicht am Boden liegen bleibt, sondern wieder aufsteht. Ich werde nicht müde den Indianern zu sagen, dass sie solange am Boden gelegen haben, dass es ihnen gar nicht mehr in den Sinn kommt, wieder aufzustehen. Aber jetzt wird es langsam Zeit wieder aufzustehen. Jeder, der von einem Schicksalsschlag getroffen wurde, sollte zum Ziel haben, sich zu erholen und wieder gesund zu werden.

      Die zweite furchtbare Tragödie für mich ereignete sich, als ich sechs Jahre alt war. Auf Grund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen konnte meine Mutter nicht arbeiten. Sie ist der einzige Mensch auf der ganzen Welt, den ich kannte, der 91 Jahre alt wurde und in all den Jahren niemals eine Arbeitsstelle hatte. Die Kehrseite von der Medaille aber war, dass wir uns immer irgendwie durchschlagen mussten und auf den monatlichen Wohlfahrtsscheck angewiesen waren. Ich weiß nicht, wie sich die Sozialarbeiter von heute so aufführen, ich meine die, die für den Staat bzw. den Bezirk arbeiten, aber die aus der alten Zeit waren genauso unerbittlich wie das System des weißen Mannes. Sie waren erbarmungslos.

      Mehr als nur einmal wurde ich von der ärgerlichen Stimme meiner Großmutter geweckt, wenn sie die „Frau von der Wohlfahrt”, wie wir sie nannten, anbrüllte: „Mach, dass du aus meinem Haus raus kommst, du gottverdammtes weißes Stück Scheiße“.

      Sie billigen, dass man ein ganzes Volk bestohlen und fast seine gesamte Bevölkerung vernichtet hat, aber wenn es darum geht, den Überlebenden dieser Massaker etwas Geld zu geben, damit sie leben können, dann winden sie sich auf die eine oder andere Weise heraus, dafür zu bezahlen.

      Wir mussten schließlich dafür bezahlen. Man drohte unserer Mutter, dass man ihr die Kinder ganz wegnehmen würde, wenn sie uns nicht ins Internat geben würde. Was auch immer sie für Unzulänglichkeiten gehabt haben möge, sie war unsere Mutter und sie liebte uns, aber sie hatte nicht die Kraft und die Ausdauer, gegen sie anzukämpfen und so mussten wir schließlich eines Tages in die Boarding School gehen. Solange wir dort hingingen, mussten sie keine Sozialhilfe für uns zahlen, weil sich dann nämlich jemand anderes um uns kümmerte. Dafür war wiederum eine andere Behörde zuständig. Für den Bezirk war es jedenfalls eine Entlastung und deshalb mussten wir Kinder, soweit ich mich erinnere, in die Boarding School gehen. Nur der Tod meiner Großmutter, meines Großvaters, meines Bruders und meiner Mutter, sowie mein erster Gefängnisaufenthalt kommt dem Trauma nahe, das ich fühlte, als ich ins Internat musste. Wir hatten kein Auto und Mama gab einem Mann etwas von ihrer Sozialhilfe, damit er mich zur Seneca Indian School brachte, die sich ungefähr eine Viertel Meile nördlich von Wyandotte befand.

       In der Boarding School

      Kapitel III

      Ursprünglich hatte man das Internatssystem eingeführt, um die Assimilation der Kinder der besiegten Indianerstämme den letzten Schliff zu verpassen. Dies sollte durch eine anständige Ausbildung geschehen. Nachdem man unseren Vorfahren ihr Land geraubt hatte und sie in Reservationen gepfercht hatte, fragte man sich, was mit den Überlebenden geschehen sollte. In den Sälen des Kongresses ertönte