Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama. Claudia Clark

Читать онлайн.
Название Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama
Автор произведения Claudia Clark
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991078296



Скачать книгу

kleinkarierten Kommentare der Medien einzugehen. Vielmehr wollte sie die Chance ergreifen, Obama den Fortschritt zu zeigen, den ihr Land seit Ende des Zweiten Weltkrieges gemacht hatte – einen Fortschritt, der zum großen Teil aufgrund der guten Beziehungen zwischen den USA und Deutschland möglich war.

      Nach ihren Willkommensworten listete die Kanzlerin die Themen auf, die sie mit Obama besprochen hatte und erwähnte sowohl Konsens als auch Dissens. Dabei war aus ihren Bemerkungen dem Präsidenten gegenüber ein immer größer werdender Respekt herauszuhören. Dementsprechend nahm sie Bezug auf Obamas Rede in Kairo vom Vortag: „Präsident Barack Obama hat gestern eine bedeutende Rede in Kairo gehalten, die der Ausgang für viele politische Aktivitäten sein kann, insbesondere im Hinblick auf den Friedensprozess im Mittleren und Nahen Osten. […] Ich habe für die Bundesrepublik Deutschland erklärt, dass wir mit dem, was wir an Erfahrungen, an Kenntnissen und an Möglichkeiten haben, in diesem Friedensprozess hilfreich sein wollen. Wir brauchen eine Zweistaatenlösung. […] Alles, was Deutschland tun kann, wird es tun, um diesen Prozess konstruktiv und möglichst erfolgreich zu begleiten.“16

      Merkels Worte waren in zweierlei Hinsicht wichtig: Sie signalisierte, dass sie mit seiner Ansicht vertraut war und dass die USA und Deutschland in dieser besonderen politischen Angelegenheit an einem Strang ziehen würden. Die Tatsache, dass Merkel über „die Bundesrepublik Deutschland“ sprach – also den vollen, offiziellen Namen wählte, statt schlicht „Deutschland“ sagte – zeigte sicherlich auch die Dringlichkeit, mit der sie dieses Problem lösen wollte.

      In Bezug auf die Verhandlungen mit dem Iran über das Atomprogramm versprach die Kanzlerin, sie würde nicht nur mit den Vereinigten Staaten eng zusammenarbeiten, sondern auch mit allen anderen Verbündeten, um eine befriedigende Lösung zu finden. „Deutschland möchte mit seinen Kontakten und seinen Expertisen also auch hier wieder seinen Beitrag leisten.“17

      Merkel sprach auch das kontroverse Thema Weltmärkte an. In ihrer pragmatischen Art wies sie auf eine Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Politikern hin: „Auch die Vereinigten Staaten arbeiten an einem sehr ehrgeizigen Plan. Wir werden die Dinge vor allen Dingen auch beobachten.“18 Merkel erwähnte die Notwendigkeit der Länder, den auf dem G20-Gipfel vereinbarten politischen Maßnahmen nachzukommen und war erleichtert, dass sowohl die USA als auch Europa diese umsetzen wollten. Ihr Statement über die Finanzkrise war wichtig, denn zwischen den Zeilen ist hier ihre Besorgnis über Obamas Plan herauszuhören. Sie schien kurz davor, ihn zu kritisieren – ganz anders als noch vor ein paar Monaten in ihrem New York Times-Interview zum G20-Gipfel, „Widerstehe Obama“.

      Ehe Merkel ihrem Amtskollegen das Wort übergab, wies sie darauf hin, wie wichtig eine amerikanische Beteiligung für die Erlassung von Klimaschutzgesetzen sei. Während sie die Zuhörer an die bevorstehende Klimakonferenz in Kopenhagen erinnerte, die später im Jahr stattfinden sollte, stieß sie die USA direkt mit der Nase darauf und betonte, dass die Vereinigten Staaten ihren Beitrag leisten müssen: „Wir wissen, dass dies politisch ein sehr dickes Brett ist, das man bohren muss; wir kennen das auch aus den Diskussionen, die wir hier zu Hause haben, und verfolgen die Gesetzgebung sehr intensiv.“19

      Der Mangel an Klimaschutzgesetzen war ein Streitpunkt zwischen Merkel und der Administration von Obama. Mit ihren Bemerkungen spielte sie darauf an, dass ein teilnahmsloser US-Kongress keine Entschuldigung dafür sei, keine Gesetze zu verabschieden, die von einer derart globalen Wichtigkeit wären. Sie wolle beobachten, was die Vereinigten Staaten in Bezug auf Maßnahmen zum Klimaschutz vorhaben.

      In seiner gewohnt charmanten Art begann Obama seine Rede, indem er sich bei der Kanzlerin und bei den Deutschen für ihre Gastfreundschaft bedankte und Bewunderung über die „schöne und historisch-signifikante Stadt Dresden“20 aussprach. Wie wichtig ihm die Freundschaft zu Deutschland war, formulierte er so: „Deutschland ist ein enger Freund und kritischer Partner für die Vereinigten Staaten; und ich glaube, dass Freundschaft nicht nur für unsere zwei Länder essenziell sein wird, sondern für die Welt, wenn wir Fortschritte bei den wichtigen Themen machen wollen, mit denen wir konfrontiert sind – seien es die nationale Sicherheit, wirtschaftliche Aspekte oder Aspekte, die den ganzen Globus betreffen, wie der Klimawandel.“21

      Auch Obama fasste das Treffen zusammen und äußerte sich zur Wirtschaftskrise wie folgt: „Ich denke, dass auf beiden Seiten des Atlantiks bereits Fortschritte zur Stabilisierung der Wirtschaft gemacht wurden, aber wir sind damit noch lange nicht fertig. […] Wir arbeiten fleißig daran, die finanziellen Regulierungsmaßnahmen auszubauen, sodass eine derartige Krise nicht noch einmal passiert; und die Koordination zwischen Europa und den Vereinigten Staaten wird bei einer verstärkten Regulierung der Finanzmärke wichtig werden. Wir versichern, dass wir dabei keinen Protektionismus betreiben werden. Und, so wie es alle tun um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, werden auch wir sicherstellen, dass die Grenzen offen sind und sich Firmen zwischen den USA und Europa frei hin und her bewegen können, um dabei Waren und Dienstleistungen in dem jeweiligen Land anzubieten.“22

      Als Obama die aktuellen Sicherheitsfragen ansprach, betonte er die Wichtigkeit der NATO und wie wertvoll Deutschland als Partnerland seit jeher wäre.23 Er fügte hinzu, dass das Verhindern von Terroranschlägen eine kollektive Verpflichtung aller NATO-Partner war und betonte, dass diese Verpflichtung weiterhin bestehen bleiben müsste. Auch als der Präsident über das Verhindern eines nuklearen Wettlaufs mit dem Iran und die Zweistaatenlösung sprach, betonte er, dass diese Ziele nur mithilfe anderer Nationen erreicht werden könnten.

      Obama beendete seine Rede, indem er Merkel gegenüber seine Bewunderung zum Ausdruck brachte und sie abermals als „Freundin“ bezeichnete: „Es ist ein großes Vergnügen, erneut hier mit meiner Freundin zu sein, die ich gerne für intelligente Analysen aufsuche und mit der ich Klartext reden kann.“24 Obwohl Merkel immer noch nicht dazu in der Lage war, offen über ihre persönliche Beziehung oder ihre Gefühle gegenüber Obama zu sprechen, machte Obama keinen Hehl aus seiner Affinität zur Kanzlerin – und das nun schon zum zweiten Mal und öffentlich.

      Aus den nachfolgenden Fragen der Presse war jedoch Skepsis darüber herauszuhören, ob Obamas Kommentare tatsächlich aufrichtig oder nur „Show“ für die Medien waren. Denn mit der ersten an den Präsidenten gerichteten Frage ging es um „wilde Spekulationen“ in Bezug auf seinen Kurzbesuch in Deutschland und sein angeblich angespanntes Verhältnis zur Kanzlerin. Hierbei waren die Kameras auf Angela Merkel gerichtet, deren ernster Gesichtsausdruck sich plötzlich entspannte und ein kleines Lächeln trug. Obama beteuerte, es wären tatsächlich nur „wilde Spekulationen“, und schließlich wären auch simple Faktoren wie Reiseplanung oder sehr enge Zeitpläne zu berücksichtigen.25 Oder, anders ausgedrückt, die Presse würde zu viel in seinen Kurzbesuch hineininterpretieren.

      Mit den nun folgenden Worten sollte er weltweite Aufmerksamkeit erhalten und diejenigen amüsieren, die zu jenem Zeitpunkt präsent waren: Obama sagte der Presse, sie solle aufhören, über Probleme zu reden, die nicht existieren. Dann hob er den Journalisten zugewandt seinen Zeigefinger und forderte: „Also, bitte aufhören, alle von Ihnen. Ich weiß, dass Sie etwas finden müssen, worüber Sie berichten können. Aber wir haben genug Probleme und brauchen nicht noch hausgemachte.“26 Leider waren die Kameras in jenem Moment auf Obama gerichtet, sodass man Merkels Reaktion nicht sehen konnte. Das Lachen des Publikums war jedoch überwältigend.

      Die Kanzlerin wartete bis Obama mit seiner Antwort fertig war, um dann mit Nachdruck zu kommentieren: „Erlauben Sie bitte, wenn ich einmal sagen darf, dass es sehr viel Spaß macht, mit dem amerikanischen Präsidenten zu arbeiten, weil sehr ernste, tiefe analytische Diskussionen uns oftmals zur gleichen Schlussfolgerung bringen. Und ich denke, dass wir das in London bewiesen haben, wir haben das auch in den Meetings davor bewiesen. Ich denke, das ist ein Teil unserer Aufgabe, nicht wahr, dass wir unsere Ansichten austauschen, auch andere Ansichten, die man vielleicht hat. Und wo immer es nötig ist, kommen wir zu einer gemeinsamen Lösung. Von daher freue ich mich auf eine zukünftige Zusammenarbeit.”27 Dies war ein kühnes Statement von einer sonst doch eher reservierten Kanzlerin. Ihre Worte ließen erkennen, dass nun auch sie Hoffnung in ihn setzte, so wie viele ihrer deutschen Mitbürger auch. Sie hat lange genug mit Obama gearbeitet um zu erkennen, dass hinter seinen Worten tatsächlich Taten standen.

      Als ein Reporter das heikle Thema Guantanamo aufbrachte –