Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama. Claudia Clark

Читать онлайн.
Название Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama
Автор произведения Claudia Clark
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991078296



Скачать книгу

auf die Schließung gesprochen habe. Obama stellte klar, dass die Kanzlerin hierbei keinerlei Einsatzbereitschaft zeigte, er jedoch auch keine von ihr verlangt habe. Obama fügt hinzu: „Die Kanzlerin ist sehr offen, mit uns darüber zu diskutieren […] ich bin über Offenheit sehr dankbar, nicht nur über Merkels, sondern auch über die Tatsache, dass andere europäische Länder mit uns zusammenzuarbeiten wollen. […] Ich schätze die konstruktive Art, mit der Merkel dieses Thema angeht.“28

      Als die Kanzlerin diese Frage beantwortete, gab sie zu, dass Deutschland, und insbesondere ihre Regierung, sehr stark die Schließung befürworte und dass Verhandlungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten stattfinden. Die Schließung dieser Einrichtung war ein Punkt, auf den sich Obama und Merkel von Beginn an einigen konnten. Auch dominierte diese Angelegenheit viele Diskussionen in der Anfangszeit, aber leider musste sie wegen fehlender Unterstützung seitens des US-Kongresses auf spätere Treffen vertagt werden. Merkel bekräftigte: „Ich bin sehr davon überzeugt, dass wir eine gemeinsame Lösung finden werden.“29

      Bei einer anderen Pressefrage ging es um die andauernde Krise zwischen den Israelis und Palästinensern im Mittleren Osten. Hier bekräftigte Obama, dass insbesondere nach einer jahrelangen Sackgasse die Hilfe aller Nationen wichtig sei und betonte dabei die Rolle von Merkel im Verhandlungsprozess: „Ich schätze sehr die Bereitschaft von Kanzlerin Merkel, Prestige und Ressourcen der deutschen Regierung hinter die gleiche Sache zu stellen. Ich denke, dass die gesamte internationale Gemeinschaft eine Verantwortung darüber hat, diesen Parteien dabei zu helfen, einen hart erkämpften Frieden zu erreichen, was letztlich im Sinne der Sicherheitsinteressen aller ist.“30

      Bei ihrer Antwort ergriff Merkel die Gelegenheit, dem Präsidenten zu danken. Sie erklärte, dass Obamas Worte und Taten eine neue Dringlichkeit in dieser Angelegenheit zeigten – eine Sache, von der sich die vorherige Administration abgewandt hatte. „Ich glaube jetzt, dass mit der neuen amerikanischen Regierung, mit Präsident Obama, eine einzigartige Gelegenheit existiert.“31Sie stimmte dem zu, dass Israel und Palästina bereit sein müssten, die von Obama umschriebenen Schritte zu gehen. Wenn dies passiere, dann könnten sich beide Nationen sowohl auf die Unterstützung Deutschlands als auch der USA verlassen.32 In Bezug auf Israel hegte Merkel Schuldgefühle über die Dinge, die den Juden während des Holocausts angetan wurden. Die Juden zu schützen war daher ein wichtiger Bestandteil ihrer Agenda.33 Sie war fest davon überzeugt, dass ein Zweistaatensystem die sicherste Lösung für beide Länder war, um friedlich nebeneinander zu leben. Der Schutz von Frieden und die Sicherheit Israels gehörten zu den Eckpfeilern von Merkels Außenpolitik. Die Tatsache, dass auch Obama bereits sehr früh in seiner Amtszeit diese Angelegenheit als Top-Priorität behandelte, könnte ebenfalls dazu beigetragen haben, dass sich eine gute Beziehung zwischen Obama und Merkel entwickelte.

      Von einem Reporter auf seinen bevorstehenden Besuch im Konzentrationslager Buchenwald angesprochen, erklärte der Präsident dies geschähe im Zusammenhang mit seiner Kurzreise in die Normandie, wo er den 65. Jahrestag der Landung der alliierten Truppen würdigte. Zudem hätte er noch nie ein Konzentrationslager besucht. Obama hatte ganz speziell Buchenwald gewählt, da sein Großonkel Charles Payne zu den Truppen gehörte, die damals das Lager befreiten.34 Als Merkel das Wort ergriff, betonte sie, dass es viele Politiker abgelehnt hätten, einen so grausamen Ort der deutschen Geschichte überhaupt aufzusuchen. Sie hingegen unterstütze den Besuchswunsch des Präsidenten und nannte dies eine Ehre: „Ich bin sehr davon ergriffen, einen amerikanischen Präsidenten, in diesem Fall Barack Obama, als Besucher in Buchenwald zu sehen. Er hat von seinem persönlichen Bezug dazu gesprochen. Sehen Sie, Buchenwald ist eines dieser schrecklichen Konzentrationslager, die von amerikanischen Truppen befreit wurden.“35 Merkels Worte zeigten, dass sie sich der Bedeutung von Obamas Buchenwald-Besuch bewusst war – nicht nur in Bezug auf den Präsidenten persönlich, sondern auch auf die diplomatische Beziehung der beiden Länder zueinander.

      Zum Abschluss der Pressekonferenz gaben sich beide Politiker die Hand, lächelten einander an und schienen sichtlich entspannter als noch 40 Minuten vor dem Treffen. Merkel war zwar noch nicht so weit, Obama als einen „Freund“ zu bezeichnen, aber sie zeigte zum ersten Mal sehr offen Respekt für den neuen Präsidenten.

      * * *

      Im Anschluss an die Pressekonferenz begleitete Merkel den Präsidenten bei der gut 200 km langen Fahrt von Dresden zur Gedenkstätte Buchenwald. Merkel, die zuvor einen knalligen gelbgrünen Blazer trug, wechselte hierfür ihre Garderobe und erschien in einem schwarzen Hosenanzug, der die Dunkelheit desjenigen Ortes demonstrierten sollte, der als Nächstes auf ihrer Agenda stand. Zwei ehemalige Buchenwald-Häftlinge, Elie Wiesel und Bertrand Herz, begleiteten die beiden Staatsführer. Es war ein historisches Ereignis, zumal Präsident Obama der erste amerikanische Präsident war, der ein ehemaliges Konzentrationslager besuchte und zudem eine persönliche Verbindung damit hatte. Er wollte die schrecklichen Dinge aus nächster Nähe sehen, über die sein Großonkel gesprochen hatte, als dieser als junger Soldat im April 1945 Buchenwald sowie ein zu Buchenwald gehöriges Außenlager in Ohrdruf befreite.

      Die Zeitschrift Der Spiegel kommentierte das Ereignis mit „Es ist März-Wetter im Juni“36, eine wahrlich gut gewählte Metapher für den Besuch eines Ortes mit solch düsterer Vergangenheit. Vor Beginn der Tour legten Obama, Merkel, Wiesel und Herz eine weiße Rose auf eine Gedenktafel zu Ehren der 50 000 Menschen, die hier ihr Leben ließen. Anschließend sprachen Merkel, Obama und Wiesel über den Horror in Buchenwald und seine historische Bedeutung. Merkel war sichtlich berührt. Sie erklärte, dass die Deutschen die Pflicht und Verantwortung hätten, an einer Welt frei von Xenophobie, Rassismus, Anti-Semitismus und rechtsradikalem Extremismus zu arbeiten, um zu verhindern, dass sich die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges wiederholten.37 Ähnlich wie Präsident Obama die Verantwortung über die Finanzkrise auf dem Londoner G20-Gipfel übernahm, bekannte sich Merkel zu der Brutalität des Zweiten Weltkrieges. „Dieser Appell der Überlebenden fordert eine Verantwortung, mit der wir Deutschen uns unserer Geschichte stellen müssen.“38 Merkel endete abschließend damit, sich nicht nur bei Obama für seinen Besuch zu bedanken, sondern auch ihre Dankbarkeit gegenüber den Vereinigten Staaten für die jahrelange Hilfe auszudrücken: „Wir Deutschen werden nicht vergessen, dass wir die Chance zum Neuanfang, zu Frieden und Freiheit nach dem Krieg der Entschlossenheit, dem Einsatz und ja, auch dem Blutzoll der Vereinigten Staaten und all derer zu verdanken haben, die an ihrer Seite als Alliierte oder Widerstandskämpfer standen.“39

      Auch Präsident Obama war sichtlich berührt, als er zu seiner Rede ansetzte. Er bekundete, dass „dieser Ort im Laufe der Zeit nichts von seinem Horror verloren hat.“40 Gedenkstätten wie Buchenwald würden die Menschen daran erinnern, sich nicht in einer falschen Behaglichkeit zu wiegen, dass das Leiden anderer nicht auch ihr Problem sei. Zudem erinnere Buchwald an die Verpflichtung, sich denjenigen zu widersetzen, die andere für ihre eigenen Interessen unterjochen.41 Merkels Körpersprache zeigte bei Obamas Worten sichtliches Unbehagen. Die Kanzlerin, die direkt neben dem Präsidenten stand, verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ihre Arme und Hände waren unruhig und es liefen Tränen aus ihren Augen.

      Obama wies auf die enorme Widerstandskraft der Gefangengen hin. Dem Publikum zugewandt erklärte er, dass die Häftlinge, die hier auf diesem Gelände so viele Jahre gelitten hatten, sich nicht vorstellen konnten, dass es später einmal ein Museum und ein Denkmal geben würde und dass die Turmuhr für immer 3 Uhr 15 anzeigen würde – dem Moment der Befreiung, für alle zukünftigen Generationen sichtbar.42 Er fügte hinzu: „[…], dass man damals noch nicht wissen konnte, dass Israel einmal aus dem zerstörerischen Holocaust emporsteigen und ein starkes, beständiges Bündnis zwischen dieser großen Nation und meiner eigenen entstehen würde. Und sie konnten nicht wissen, dass eines Tages ein amerikanischer Präsident diesen Ort besuchen und über sie sprechen würde und dass er dabei Seite an Seite mit der deutschen Kanzlerin in einem Deutschland stehen würde, das jetzt eine lebendige Demokratie und wertvoller Verbündeter Amerikas ist.“43

      Obamas für ihn untypische, strenge, aber emotionale Haltung reflektierte seine Dankbarkeit, in Solidarität neben der Staatsführerin einer Nation zu stehen, die ein ehemaliger Widersacher war. Obama teilte mit Merkel die Ansicht, dass es eine Verpflichtung gegenüber den Überlebenden sei zu versichern, dass so etwas nicht noch einmal geschehen würde. Er argumentierte: „Es liegt an uns, der Ungerechtigkeit,