Varius. Adina Wohlfarth

Читать онлайн.
Название Varius
Автор произведения Adina Wohlfarth
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991072430



Скачать книгу

haben uns mit den anderen zusammengetan und sie gekauft. Aber die Spitzen sind aus Diamanten, die Liam und ich persönlich aus dem Wald geschlagen haben und–

      „Jetzt verrate doch nicht gleich alles!“, schimpfte Liam und setzte eine gespielt beleidigte Miene auf. Liz biss sich auf die Unterlippe und verstummte.

      Er grinste, als er sich wieder mir zuwandte. Ich schluckte und blickte auf die Decke in meinen Händen. Ohne zu zögern riss ich sie herunter und mir blieb die Spucke weg. Fünf Pfeile kamen zum Vorschein. Sie waren aus dunklem Holz und fühlten sich wunderschön glatt in meinen Händen an. Hinten waren sie jeweils mit drei weißen Federn verziert und ins Holz waren ein großes N und ein I eingraviert. Und die Spitzen … ich konnte es kaum glauben. Es waren tatsächlich fein geschliffene Diamanten, die in der matten Sonne glitzerten.

      Ich starrte erst die Pfeile, dann die Zwillinge an.

      Den Bogen und die Pfeile, die ich schon besaß, hatte ich mir unter langer Arbeit selbst gebaut. Aber sie waren nichts im Vergleich zu diesen Prachtstücken.

      „Was … was“, stotterte ich und senkte den Blick.

      Behutsam fuhr ich mit der Fingerkuppe an dem scharfen Diamanten entlang. „Das kann ich nicht annehmen“, hauchte ich.

      Liz boxte mir in die Seite. „Klar kannst du. Und ein schlechtes Gewissen brauchst du auch nicht zu haben, denn wie gesagt haben Nara, Brian und Jess auch was dazugelegt.“ Die Worte klangen aus ihrem Mund so leicht und einfach, dass sich die Enge in meiner Brust in Luft auflöste.

      Dann hoben sich meine Mundwinkel und ich fiel erst ihr, dann Liam um den Hals. „Danke, danke, danke!“, rief ich und drückte beide fest an mich. Sie wussten genau, was mir diese Pfeile bedeuteten und ich war ihnen unglaublich dankbar dafür.

      Als wir später zurück zum Schloss kamen, waren die meisten der Gäste schon wieder gegangen. Peroll stand mit meinem Vater und einem weiteren Mann in Uniform neben dem Eingang und unterhielt sich leise mit den beiden. Meine Mom prostete mit Mason und Taylor, den Eltern von Liz und Liam, und einige Angestellte bedienten die letzten Gäste. Ich hielt Ausschau nach Ozea, doch sie war nach wie vor nicht zu sehen. Enttäuscht folgte ich den Zwillingen zum Buffet und wählte gebratene Kartoffeln, Gemüse und einen schmalen Fleischstreifen aus, sowie eine kalte Schorle. Wir setzen uns etwas entfernt der Menge an eine lange Bank und machten uns über das Essen her.

      „Wo hattest du so plötzlich die Pfeile her?“, wollte ich kauend wissen. Liz wackelte mit den Brauen.

      „Ich habe sie schon gestern in den Wald gebracht und in der Nähe versteckt.“

      Ich nickte und legte mein Besteck ab.

      Peroll kam an unseren Tisch und reichte mir ebenfalls einen langen Gegenstand, der unter einer groben Decke verborgen war.

      Ich merkte, wie meine Knie zu zittern begannen, als ich den Stoff zurückzog. Mir entwich ein leises Wimmern, als ich den Bogen sah, der zum Vorschein kam. Er war aus genau dem gleichen, dunklen Holz wie die Pfeile und in ihn waren ebenfalls ein N und ein I eingraviert. Die Sehne war hell und schimmerte leicht. Er war einfach nur wunderschön. Auch Mom, Dad, Taylor und Mason hatten sich zu uns gesellt. Ich fiel allen um den Hals und weinte ein bisschen.

      Der Tag ging viel zu schnell herum und als die Zwillinge aufbrechen mussten, färbte die Sonne den Horizont bereits blutrot. Es war ein fantastisches Schauspiel, das ich in dem Moment nur zu gern auf der Lichtung beobachtet hätte. Sobald sie gegangen waren, verabschiedete sich auch Peroll. Die Angestellten begannen, die Tische und das Essen wegzuräumen und ich folgte meinen Eltern ins Schloss.

      „Luan wurde bereits ein bisschen im Schloss herumgeführt und ist jetzt auf seinem Zimmer. Aber ich fände es toll, wenn du noch einmal bei ihm vorbeischauen würdest“, sagte Dad, während er durch die langen Flure lief.

      Ich fände es toll, wenn du noch einmal bei ihm vorbeischauen würdest, ja sicher. Doch ich gehorchte und schlug den Weg zu seinem Zimmer ein, das, wie mir Mom vorhin mitgeteilt hatte, direkt neben meinem lag. Was für ein Zufall.

      Vor seiner Tür blieb ich stehen und atmete tief durch. Dann strich ich meine Haare und das lange Shirt glatt und klopfte zaghaft. Um ehrlich zu sein, fand ich es schon ziemlich daneben von ihm, dass er die ganze Zeit mit May verbracht hatte. Immerhin war er in unserem Schloss zu Gast und hätte mir nicht gleich den Rücken zukehren und sich an meine Nicht-Freundin ranmachen müssen.

      Die Tür wurde mit so viel Schwung geöffnet, dass ich instinktiv einen Schritt zurücktrat. Ich hob den Kopf und blickte in seine dunkelblauen Augen. Siehst du, sie sind ganz normal und haben keine gelben Streifen. Das vorhin musste reine Einbildung gewesen sein.

      „Hi, Nell“, sagte Luan und lehnte sich lässig in den Türrahmen. Seine verwaschene Jeans saß ziemlich tief, sodass man einen Streifen gebräunter Haut zwischen dem Hosenbund und seinem T-Shirt sehen konnte. Ich starrte einige Augenblicke zu lang darauf, dann hob ich die Lider und zwang mich, ihn anzulächeln. Verdammt nochmal, warum brachte mich dieser Typ schon wieder aus der Fassung?

      „Ich wollte … wollte nur mal kurz … vorbeischauen. Ob … ob alles okay ist“, stammelte ich und wurde rot. Mein T-Shirt schien auf einmal viel zu eng zu sein und ich konnte ihm nicht in die Augen sehen.

      „Aha.“ Luan zog das Wort elend lang hin. Dann stieß er sich vom Rahmen ab und trat einen Schritt vor. Ich spürte seinen Atem auf meiner Stirn und biss mir auf die Lippe. Fest.

      „Ich würde dich ja gerne hereinbeten“, fing er an.

      Ich hob den Kopf.

      Luan verzog gespielt das Gesicht. „Aber ich habe leider schon Besuch.“

      Er trat wieder einen Schritt zurück und hinter ihm löste sich eine zierliche Gestalt aus den Schatten. Sie hatte hüftlanges, blondes Haar und eine unschuldige Miene aufgesetzt. Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Die Luft wurde mir aus den Lungen gepresst und ich konnte sie nur anstarren. May verzog die vollen Lippen zu einem feinen Lächeln.

      „Da war ich wohl schneller“, säuselte sie süßlich und legte einen ihrer dünnen Arme auf Luans breite Schulter. „Du weißt ja gar nicht, wobei du uns –.“

      Ich lachte auf. Es klang irgendwie hysterisch und ich unterbrach sie damit. Heiße Tränen brannten mir in den Augenwinkeln und ich wandte mich schnell ab. Auf keinen Fall würde ich ihr gönnen, mich heulend wegrennen zu sehen.

      „Sorry für die Störung, ich bin schon weg“, presste ich hervor und eilte an den beiden vorbei. Der Gang verschwamm vor meinen Augen und sobald ich meine Zimmertür hinter mir zugeknallt hatte, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Heiß rannen sie mir übers Gesicht, obwohl ich nicht einmal wusste, warum ich überhaupt weinte. Ich ließ mich mit dem Rücken an der Tür zu Boden sinken und verharrte dort.

      3

      Nell

      Am nächsten Morgen erwachte ich in meinem Bett.

      Ich hatte keine Ahnung, wer mich letzte Nacht von der Tür bis unter meine Decke getragen hatte, aber es war mir eigentlich auch egal.

      Langsam richtete ich mich auf und blinzelte. An meinem Schreibtisch lehnte eine Gestalt. Eine große Gestalt mit breiten Schultern und einem schiefen Grinsen. Ich erstarrte und zog mir die Decke bis unters Kinn.

      „Was machst du hier?“, fragte ich und meine Stimme zitterte kein bisschen. Jetzt verspürte ich auch keine Scham mehr, wenn ich vor ihm sprach. Ich war einfach nur wütend.

      Luans Grinsen wurde breiter, als er meinen Gesichtsausdruck sah. „Ich bin gestern nochmal rübergekommen. Da du noch nicht im Bett warst, die Sonne aber schon untergegangen war, habe ich dich bis dahin begleitet.“

      Seine Mundwinkel hoben sich noch ein Stückchen, als er meine Fassungslosigkeit bemerkte. Okay, es war mir definitiv nicht egal!

      „Du hast mich –.“

      „In dein Bett getragen und dann habe ich dir noch eine Weile beim Schlafen