Название | Varius |
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Автор произведения | Adina Wohlfarth |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991072430 |
Ich seufzte und setzte mich in Bewegung. Liam folgte mir.
„Aber wie soll ich das anstellen?“, grübelte ich. Es war ja schließlich nicht so, als hätte ich das noch nie versucht. Da ich immer noch im Schloss unterrichtet wurde, ließ sich leicht schließen, dass meine Versuche nicht funktioniert hatten.
Liam legte mir einen Arm um die Schultern. „Darüber kannst du dir morgen den Kopf zerbrechen. Jetzt habe ich erstmal eine Überraschung für dich.“
Ich sah ihn von der Seite an und grinste, als ich seinen geheimnisvollen Blick bemerkte. Er wackelte mit den Brauen und wir fingen beide an zu lachen.
Als wir den Waldrand fast erreicht hatten, hörte ich hinter uns Stimmen, die stetig näherkamen. Ich drehte mich um und suchte mit den Augen die Bäume und Sträucher ab. Ich konnte deutlich Liz‘ und Brians Worte verstehen.
„Sie suchen uns“, bemerkte Liam trocken. Er sah mich an. Ich sah ihn an.
Wir brauchten uns nicht mit Worten zu verständigen und verließen zeitgleich den Pfad. Zusammen krochen wir durch das dichte Unterholz und gingen schließlich hinter einem breiten Brombeerstrauch in Deckung. Ich konnte mir nur schwer ein Kichern verkneifen. Liam ging es nicht anders. Als die verwirrten Gesichter von Liz und Brian auf dem Pfad erschienen, musste ich mir die Hand auf den Mund pressen, um nicht laut loszulachen. Es war vielleicht kindisch, sich mit vierzehn noch im Wald zu verstecken, aber das war mir in dem Moment egal. Ich fühlte mich auf einmal wieder in meine Kindertage zurückversetzt, in denen ich mich wöchentlich mit den Zwillingen im Wald verkrochen hatte und Mom das gar nicht lustig fand.
Doch schließlich konnte Liam nicht anders und wir beide brachen in lautes Gelächter aus.
Liz schob sich zu uns durch und boxte zuerst mich, dann ihren Bruder in die Seite, doch dann fiel sie mit ein in unser Gelächter. Als wir uns wieder beruhigt hatten, stolperten wir auf den Pfad zurück, auf dem auch schon die anderen warteten. Nara zog mir ein Blatt aus dem Haar und ich befreite Liz von einem Spinnennetz, das sich an ihrer Hose verfangen hatte.
„Musstet ihr unbedingt weglaufen?“, fragte May und musterte mich kühl. Liam warf mir einen vielsagenden Blick zu und nickte kaum merklich.
„Das war ziemlich kindisch“, feuerte sie hinterher.
Ein böses Lächeln hob meine Mundwinkel und mein Blick wurde kalt. „Ich weise nur ungern darauf hin, aber ist es nicht viel peinlicher, beim Singen unter der Dusche vom Nachbarn darauf hingewiesen zu werden, dass man sich woanders duschen soll?“, fragte ich und setzte eine unschuldige Miene auf. „Weil der Gesang nicht so vielversprechend ist?“, fügte ich hinzu.
May schnappte nach Luft und rote Flecken bildeten sich auf ihren Wangen.
Ich wechselte einen triumphierenden Blick mit Liam.
„D… das ist nicht wahr! Das ist nie passiert!“, keuchte sie und ihre Stimme überschlug sich. Ich beugte mich vor und mein Blick wurde hart.
„Was spielt es denn für eine Rolle, ob es wirklich geschehen ist oder nicht? Es ist immerhin viel lustiger, ausgedachte Lügen weiterzuerzählen als die langweilige Wahrheit.“
May starrte mich einige Augenblicke sprachlos an, dann presste sie die Lippen aufeinander, drehte sich um und stapfte ohne ein weiteres Wort davon. Unbeeindruckt sah ich ihr hinterher. Ich war überrascht von mir selbst, dass ich in der Lage war, so gemein zu sein – gut zu wissen.
„Musste das jetzt sein?“, murmelte Jess und wandte sich ebenfalls zum Gehen. Ich sah sie irritiert an.
„Sie macht mich seit Jahren runter und hat noch nie dafür bezahlen müssen!“, konterte ich. Jess verdrehte die Augen und eilte May hinterher. Empört stieß ich die Luft aus und schaute zu Brian und Nara.
Beide wichen meinem Blick aus.
„Wollen wir nicht erstmal das Geschenk überreichen?“, mischte sich Liz ein.
„Gute Idee!“, rief Liam und trat neben sie.
„Ich habe meiner Mom versprochen, bald wieder zu Hause zu sein. Ich muss ihr noch beim Putzen helfen“, warf Nara kleinlaut ein.
Brian stolperte hinter ihr her, als sie sich in Bewegung setzte. „Bei mir ist es auch so, sorry Nell, wirklich.“
Ich starrte den beiden hinterher und fühlte mich plötzlich elender als zuvor.
Luan pfiff leise durch die Zähne und näherte sich mir vorsichtig. „Das ist wohl nach hinten losgegangen.“
Liam fuhr herum und funkelte ihn an. „Kannst du dich da bitte raushalten, das wäre besser für alle Beteiligten!“
Luan hob unbeeindruckt beide Hände, verschwand dann aber ebenfalls.
Ich wollte nicht, dass er ging, brachte es aber nicht auf, ihm hinterher zu laufen. Mit zitternder Unterlippe ließ ich mich langsam am Stamm einer alten Buche hinabgleiten. So endete es immer, wenn ich versuchte, irgendwie normal zu sein, oder mich wenigstens zu integrieren. Tief in mir wusste ich auch, warum meine Eltern es nicht zuließen, dass ich mit den anderen Kindern in meinem Alter in die Ausbildung ging. Ich war anders. Das hatte ich von Anfang an gespürt. Aber ich wusste nicht, was an mir nicht so war, wie es sein sollte. Ich sah vollkommen normal aus, hellblonde, schulterlange Haare und blassgrüne Augen. Dass meine Augen grün waren, war besonders wichtig.
Zwischen den acht Völkern herrschten strenge Regeln. Die wichtigste war, dass sich die Menschen nur mit Ihresgleichen fortpflanzen durften. Wenn gegen das Gesetz verstoßen wurde und ein Kind auf die Welt kam, das nicht die reine Augenfarbe seines Volkes hatte, sondern zwei gemischte Farben, wurden die Eltern umgebracht und das Kind verschwand meist auch von der Bildfläche. Dies kam zwar nicht oft vor, aber Ozea hatte mir davon erzählt, dass solche Kinder als Mutanten bezeichnet wurden und meist das gleiche Schicksal wie ihre Eltern erlitten. Sie hatten keine Chance, sich zu verstecken, denn ihre Augenfarbe verriet sie überall. Dazu kam, dass Mutanten stärkere Kräfte hatten als normale Menschen. Sie übernahmen die des Vaters und die der Mutter und das machte sie gefährlich. Denn meistens konnten sie ihre Kräfte nicht kontrollieren und dadurch erregten sie zusätzliche Aufmerksamkeit.
Aber das war bei mir ja nicht der Fall. Meine Augen waren aus reinem Grün.
Jemand legte mir einen Arm um die Schultern und holte mich somit aus meinen Gedanken. Es war Liam.
Er lächelte mich sanft an und strich mir mit dem Daumen über die Wange. „Sie werden es bereuen“, sagte er leise. „Eines Tages werden sie es bereuen.“
Ich seufzte und legte meinen Kopf an seine Brust.
„Willst du jetzt trotzdem deine Überraschung aufmachen?“, fragte Liz. Sie schien viel aufgeregter als ich, denn sie wippte vor und zurück und fuhr sich mehrfach mit den Fingern durchs Haar.
„Natürlich“, sagte ich und bemühte mich, meine wirren Gedanken zu ordnen, doch sie schweiften immer wieder zu den Mutanten ab und dann tauchte plötzlich Luans Gesicht vor meinem geistigen Auge auf. Ich erschrak, als ich ihn sah. Etwas an ihm war anders, als ich es in Erinnerung hatte. Seine Augen waren nicht dunkelblau, sondern blau und von mehreren grellgelben Streifen durchzogen. Plötzlich stand er auf einer kargen Ebene. Er hob die Arme und Licht schoss aus seinen Fingern. Wenige Sekunden später befand er sich am Ufer eines Flusses und mehrere Wasserfontänen schossen über ihm empor. Mir stockte der Atem. Luan war ein Mutant?
Das konnte nicht sein! Seine Augen waren doch dunkelblau.
Und warum lebte er dann noch? Warum war er hier?
Meine Gedanken rasten. Was war nur los mit mir? Warum konnte ich nicht einfach so sein wie alle anderen? Wieso sah ich jetzt auch noch diesen Blue Eye in meinem Kopf? Das ergab alles überhaupt keinen Sinn.
„Hey.“ Ich nahm Liams Stimme nur leise und gedämpft war. „Hey Nell, alles okay?“
Ich zuckte zusammen und Luans Gesicht verschwamm. „Ja, alles gut.“ Ich bemühte mich um ein Lächeln und löste mich von ihm.
Liz