Das lachende Baby. Caspar Addyman

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Название Das lachende Baby
Автор произведения Caspar Addyman
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783956144479



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einer Frau herausgepresst zu werden, reicht üblicherweise aus. Wenn nicht, reiben sie das Baby mit einem Krankenhaushandtuch ab oder kitzeln es an den Füßen, um die Atmung in Gang zu bringen. So wie bei anderen Säugetieren die Mutter ihr Neugeborenes ableckt, um es zu stimulieren, dass es die ersten Atemzüge tut.

      Von Menschenmüttern wird nicht erwartet, dass sie ihre Babys ab lecken, aber seit 2014 befürworten die meisten Geburtshilfeorganisationen, so auch die American Academy of Pediatrics (AAP) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO), explizit frühen Hautkontakt. Früher wurden Babys gleich nach der Geburt weggebracht, um sie zu messen und zu wiegen. Neugeborene blieben auf der Säuglingsstation, und die Mütter bekamen sie nur zum Stillen. Angeblich wollte man damit den Müttern die Erholung von der Geburt erleichtern. Aber inzwischen hat man wiederentdeckt, wie wichtig die Übergangszeit ist. Laut WHO ist »der Prozess der Geburt erst abgeschlossen, wenn das Baby sicher von der Ernährung durch die Plazenta auf die Ernährung durch die Brust umgeschaltet hat«.

      Corinne beschreibt das anschaulich: »Nun, wann immer es möglich ist, werden die Babys aus der Mutter heraus auf die Mutter geboren.« Die mütterliche Körpertemperatur steigt um ein bis zwei Grad an, damit das Baby es warm hat, und die Babys bewegen sich instinktiv zur Brust hin und suchen nach der Brustwarze. Sie orientieren sich durch Berührung und Geruch, und manchmal dauert es ein bisschen, bis sie sich auf die Suche machen – sie müssen erst aufwachen. Das ist auch die Gelegenheit, wo das Baby durch die Bakterien der Mutter besiedelt wird, und es hilft der Mutter, sich an die Situation anzupassen. Nach Natalies Erfahrung ist niemand darauf vorbereitet, zum ersten Mal das eigene Baby zu sehen. Es dauert ein bisschen, bis der Eindruck einsinkt, das ist der Beginn der Bindung.

      Geburtserfahrungen sind höchst unterschiedlich. Manche Frauen haben ein wunderbares Geburtserlebnis, für andere ist die Geburt ein Albtraum. Ich habe noch niemanden getroffen, der von »Vergnügen« sprach. »Die Freude kommt, wenn man das Baby im Arm hält, das taucht alles in Freude. Aber ich habe noch keine Frau erlebt, die den Vorgang selbst genossen hat«, erzählt Corinne. Wie beim Marathonlaufen kommt auch bei der Geburt die Freude erst, wenn es vorbei ist.

      Für Väter oder Partner passieren die größten Veränderungen in der Zeit unmittelbar nach der Geburt. Während der Schwangerschaft war das Baby irgendwie abstrakt, aber jetzt können sie es halten und mit ihm in Kontakt treten. Die Oxytocin- und Prolaktinspiegel der Partner steigen sprunghaft an. Am Ende der ersten Woche kann der Oxytocinspiegel des Vaters genauso hoch sein wie der der Mutter.

      Dem emotionalen und hormonellen Hoch, das der Partner erlebt, steht oft ein entsprechender Absturz bei der Mutter gegenüber. Die erste Woche kann sehr schwierig sein. Nach der Geburt gibt es einen hormonellen Einbruch. Die Plazenta signalisiert nicht mehr, dass Schwangerschaftshormone produziert werden sollen, und der Körper versucht, die neunmonatige Schwangerschaft hinter sich zu lassen. In der ersten Woche zu Hause möchte sich der Körper erholen, aber die Mutter bekommt nicht viel Ruhe und Entspannung mit einem Neugeborenen, das sie versorgen und um das sie sich kümmern muss.

      Erschöpft und nach einer neunmonatigen Odyssee kann die Rückkehr nach Hause für die Mutter auch enttäuschend sein. Vor allem nach einer schweren Entbindung fühlen sich die Mütter oftmals isoliert. Alles konzentriert sich auf das Baby, und von der Mutter erwartet man, dass sie für alles dankbar ist, während ihre eigene Identität dahinschwindet und sie nicht viel Zeit hat, sich um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Es ist vollkommen normal, sich direkt nach der Geburt überwältigt und sogar deprimiert zu fühlen. Einer aktuellen Studie zufolge haben 81 Prozent der Frauen während oder nach der Schwangerschaft ein seelisches Problem (Royal College of Obstetricians and Gynaecologists 2017). Die tiefe Liebe zu dem Baby stellt sich nicht schlagartig ein, aber darüber können die Mütter nicht so einfach sprechen.

      Hinzu kommt, dass eine frischgebackene Mutter oft alleine 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche für das Baby verantwortlich ist. Wenn etwas passiert, wird sie sich immer Vorwürfe machen. Auf meine entsprechende Frage hat Corinne über diese Zeit erzählt: »In meiner zehnjährigen Berufstätigkeit als Hebamme habe ich bei Hausgeburten in der ersten Woche nie Eltern erlebt, die nicht zutiefst erschüttert wirkten.« Alle Eltern werden beim ersten Kind durch irgendeinen Aspekt überwältigt werden, aber es wird leichter, und es ist völlig in Ordnung, um Hilfe zu bitten.

      Allein die Tatsache, dass es das neugeborene Baby gibt, ist äußerst seltsam. Auf einmal ist eine neue Person der Mittelpunkt im Leben der Eltern. Als mein Neffe Tycho geboren wurde, hatte meine Schwester Schwierigkeiten, das Zimmer zu verlassen, in dem er lag. Es war schwer für sie, zu begreifen, dass er eine unabhängige Existenz führte, und sie musste immer wieder nach ihm schauen. Die Geburt ist das Gegenteil des Todes, aber manche Gefühle, die sie auslöst, sind gar nicht so anders als Trauer. Sich auf die Anwesenheit oder Abwesenheit einer wichtigen anderen Person einzustellen ist ein Prozess. Bei Müttern kann ein zweites Kind sogar noch zwiespältigere Gefühle auslösen. Es verändert die Beziehung zum ersten Kind, Mutter und Baby Nummer eins sind nicht länger das unzertrennliche Paar. Mütter können Ärger verspüren über das Verlorene. Wieder gilt: Das ist vollkommen normal, aber es kann schwer sein, darüber zu sprechen.

      Babys erholen sich schnell von der Geburt. »Babys sind robust«, sagt Corinne. »Ich habe Babys erlebt, die eine wirklich traumatische Geburt hinter sich hatten und sich ziemlich schnell erholten. Ein zusammengequetschter Kopf kann sehr schlimm aussehen. Als ich so etwas zum ersten Mal in meiner Hebammenausbildung gesehen habe, bin ich rausgerannt und habe zwanzig Minuten in der Toilette geweint.«

      Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg, dass das Trauma der Geburt einen Menschen durch das ganze Leben begleiten kann. Außer in den seltenen Fällen, dass eindeutige medizinische Komplikationen auftreten, ist eine traumatische Geburt nur ein kleiner Rückschlag. Die Wehen und die Geburt sind nur ein Ereignis in der Entwicklung des Babys. Und nicht ein einzelner Augenblick definiert diese Zeit, alle sind wichtig. Obwohl es sich wie eine Achterbahnfahrt anfühlt, geht die Reise insgesamt nach oben.

       Hallo, kleines Äffchen

      Manche Babys werden mit dünnen schwarzen Haaren am ganzen Körper geboren. Die Haare verschwinden schnell wieder. Ich war für meine Mutter das erste von drei Kindern, und sie war ziemlich zufrieden mit ihrer Leistung (wie ich im Übrigen auch). Aber ich war ein kleines Felltier. In ihrem Wochenbett machte es ihr großen Spaß, die Säuglingsschwestern damit zu schockieren, dass sie sie bat, ihr »das kleine Äffchen« zu bringen.

      »Aber Mrs. Addyman, das können Sie doch nicht sagen! Er ist Ihr kleiner Junge!«

      »Ja, aber er sieht aus wie ein Affe!«

      »Er ist ein wunderschönes Baby.«

      »Ein wunderschöner Affe! Geben Sie mir mein Äffchen!«

      Und meine Ohren waren vollkommen eingerollt. Als die Säuglingsschwestern erklärten, sie würden sich entrollen, sobald sie mit Blut gefüllt wären, nickte meine Mutter ganz ruhig und sagte: »Ja genau, wie die Flügel eines Schmetterlings.« Ich denke, sie hatten ihr vielleicht zu viel Lachgas gegeben.

      Eine Geburt ist schmerzhaft und gefährlich, und das Baby kann unerwartet schnell oder zermürbend spät kommen. Vielleicht gibt es falschen Alarm, und fast immer geht es langsam voran. Die gute Nachricht ist, dass es auch viel schlimmer sein könnte. Verglichen mit unseren Cousins, den Menschenaffen, werden Menschenbabys (mit einer Tragzeit von 280 Tagen) geboren, bevor sie reif sind. Wenn wir den Entwicklungsstand des Gehirns bei einem neugeborenen Schimpansen (253 Tage Tragzeit), einem Gorilla (270 Tage) und einem Orang-Utan (275 Tage) vergleichen, dann müsste ein Menschenbaby nach 625 Tagen im Mutterleib geboren werden, wie ein Forscher errechnet hat. Für jede Mutter, die schon nach neun Monaten das Gefühl hat, gleich zu platzen, ist das ein furchterregender Gedanke. Es wäre tödlich für die Mutter (und würde nebenbei unser an Früchten orientiertes Maßsystem sprengen).

      Auch geboren zu werden ist eine große Sache. Aber genau betrachtet erfolgt der Übergang von drinnen zur Welt draußen so allmählich, wie es nur geht. Irgendwann müssen die Babys herauskommen, und Menschenbabys kommen so spät, wie es im Hinblick auf ihre Mütter möglich ist. Wir müssen die sichere Dauerumarmung