Название | Drei Romane |
---|---|
Автор произведения | Pola |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946289128 |
Mir tat sie wieder leid wegen dieser Gemeinheit. Dass die Leute kein Taktgefühl hatten! Ich sah sie an, als ob ich sehr vertraut mit ihr wäre. „Blöde Kuh, was soll der Scheiß? Ein, zwei Jahre Trauer und dann wirst du wieder jemand Neues finden. Glaub mir. Wie wär‘s diesmal mit einer Frau?“
„Eine Frau? Hm … Weiß nicht.“
Ich taxierte sie. Schließlich wollte ich herausfinden, ob ich eine klitzekleine Chance bei ihr hätte.
Sie fuhr aber fort und überging das Frauenthema:
„So einfach ist es nicht. Entweder sind die Männer in den Jahren in Beziehungen, oder sie sind krank, oder sie sehen scheiße aus, oder sonst was. Ich will nicht mal ins Internet auf so eine Datingplattform. Ich glaube, da würde es mich nur gruseln. Ich will meinen Richard wieder zurück.“
„Wir sehen uns nachher beim Abendessen, ich muss jetzt mal nach Paul sehen.“
An dem Abend war Silvester. Als ich mich an meinen Platz setzte, sah ich, dass Toni jetzt einen unübersehbaren Hautausschlag hatte. Gisela beugte sich gerade zu ihr hinüber und fragte:
„Hast du etwa die Wurmkrankheit der Ägypter?“
Toni antwortete nicht. Stattdessen stierte sie in ihren leeren Teller. Eine Minute später stand sie auf und holte sich etwas vom Buffet. An diesem Abend gab es Truthahn. Ich holte mir viele Salate, da ich die Gewürze Koriander und Minze liebe. Toni mochte die Gewürze nicht und sie holte sich eher pure Leckereien. Die Salate an Bord konnte man anscheinend problemlos essen, denn sie wurden mit Chlorwasser abgespült und die Salatwäscher trugen Handschuhe.
Kurze Zeit später gab Reiner einen Witz zum Besten:
„Was ist der gefährlichste Ort auf der Welt?“
Alle spitzten die Ohren. Toni vermied es, Reiner anzusehen.
„Das Bett!“
„Nee, das Bett?“, fragte Toni, immer noch ohne aufzublicken.
„Da sterben die meisten Leute.“
Toni brach in Lachen aus und sah Reiner begeistert ins Gesicht. Gisela saß stoisch am Tisch und verzog keine Miene. Paul lächelte ein wenig. Linda und Jakob hatten den Witz nicht mitbekommen, da sie am Buffet waren.
Plötzlich öffnete sich die Tür zur Küche und die gesamte Küchenmannschaft fiel mit lautem Singen in den Speisesaal ein. Der Vorderste der Truppe trug eine Torte. Jemand hatte an diesem Abend Geburtstag. Toni stand das Wasser in den Augen und sie sagte, so ähnlich sei es vorletztes Jahr an Richards Geburtstag gewesen, als sie in Thailand waren. Gisela beugte sich zu Toni hinüber und sagte lautstark mit ihrer krächzenden, erkälteten Stimme:
„Deine Heulerei nervt. Du bist wie eine Zecke, du saugst die Energie deiner Mitmenschen ab.“
Ich proste mit einem Glas Rotwein meinen schwarzen Worten zu, die ich soeben auf das weiße Blatt gehämmert habe. Schwarz-weiß-rot … Meine Farben, meine Sinne … Meine Seele ist ein Gespenst, das nachts ruhelos in den Geistern nach dem sucht, was sie verdursten lässt. Ich denke, ich könnte irgendwann Mondkühe bauen, wenn ich aus dem Fenster schaue.
In der Kabine erzählte ich Paul von der Dreiecksbeziehung zwischen Toni, Gisela und Reiner. Meine Verliebtheit erwähnte ich nicht. Schließlich hatte Paul mir auch nie gestanden, dass er früher öfters mal fremdgegangen war. Ich hatte es nur immer gerochen wie ein Jagdhund, der die Spur des Wilds aufnimmt.
Er sagte nur: „Halt dich da raus!“
Ich entgegnete: „Aber das ist doch eine geile Story!“
„Hey, Süße, das ist unser Urlaub! Musst du immer ans Schreiben denken? Ich bitte dich, schalte ab und genieße den Urlaub. Von Toni würde ich mich ab sofort zurückziehen. Das ist ihre Sache.“
Das Schiff legte nachts von Luxor in Richtung Assuan ab. Ich saß auf meinem kleinen Raucherbalkon und starrte ins Dunkle. Händler auf Ruderbooten riefen laut „Holla!“ zu mir hinauf. Sie warfen eine Plastiktüte nach oben, in der ein Kleidungsstück war, das ich kaufen sollte. Ich öffnete die Tüte, legte drei Zigaretten hinein und warf die Tüte wieder hinunter mit den Worten: „I don‘t want your clothes, but I give you cigarettes. Kurz darauf drehten sie, anscheinend zufrieden, wieder ab.
Der schwarze Nil verteilte seine weißen Schaumkronen am Rand des fahrenden Schiffs. Die Silhouetten der Palmen klebten am schwarzen Uferrand. Vorne ein einziges kleines Licht. In der Ferne hörte man noch den Muezzin zum Gebet rufen. Ich bete nicht. Gott ist nicht in dieser Welt, dachte ich. Manchmal schaute ich nur auf das weiße Geländer des Schiffs, das in die Ewigkeit fuhr, bis zum Tor der Toten, wo am Eingang die Schlangen warteten.
Auf Rabenschwingen verlassen die Buchstaben den Geist in die Gestade der aufkommenden Nacht, während ich nur wie eine Statue aus Marmor auf einer Stelle sitzen und die Sätze nicht mehr in ihren Bedeutungen erfassen kann.
Nachts versuchte ich zu schlafen, aber von dem Stockwerk über mir dröhnte Silvestermusik aus den 80er Jahren. Irgendwann war die Musik aus. Ich dachte an Toni, aber meine erotischen Fantasien gingen über einen Kuss nicht hinaus. Nach dem fantasierten Kuss dachte ich, ich müsste jetzt doch ihren Körper weiter erforschen, aber da war eine Art Blockade in meinem Hirn. Trotzdem hatte ich Herzklopfen. Ich war also verliebt. Da an Schlaf nicht zu denken war, ging ich noch mal an Deck und sah, dass Reiner jemanden küsste. Eine Frau mit schwarzen kurzen Haaren, die ich an Bord noch gar nicht bemerkt hatte. Ich ging vorsichtig etwas näher heran. Die Frau hatte ein seltsames Ding in der Hand, das wie ein Wischmopp aussah. Ich kam noch näher. Das war eine Perücke, und die Frau, die Reiner küsste, war Toni. Ich spürte einen Stich im Herzen. Wenn ich es mir eingestand, dann hätte Toni jetzt mich küssen sollen und nicht Reiner. Schade, ich war wieder bei einer Hetero-Frau gelandet. Oder vielleicht war sie wenigstens bisexuell. Dann hätte ich vielleicht eine Chance, aber ich verwarf diese Fantasie wieder. Als ich gerade enttäuscht umkehren wollte, zogen befremdliche Gedanken auf. Warum trug Toni diese Perücke? Warum ging sie ständig aufs Klo, um ihr Haar zu richten? Irgendetwas stimmte da nicht und ich fand es auch richtig peinlich, ich schämte mich für sie, sie hatte zu viel von sich offenbart. Das war so, als ob der Papst bei einer Audienz einen Pups lassen würde.
Das Schiff fuhr in die Schleuse. Nach der Zigarette ging ich wieder in die Kabine und dachte: So, jetzt kannst du schlafen, doch jetzt war es so, als ob jemand an Deck Metalltische auf den Boden knallen würde. Am nächsten Morgen hatte niemand diese Geräusche gehört und ich wunderte mich.
Paul hat die Dunstabzugshaube angeworfen. Das Geräusch verbreitet in meinen Gedanken solch einen Nebel, dass ich an den Abzug einer Pistole denke. Ich könnte mich jetzt in das Flussbett des Nils legen, aber in Wahrheit wanke ich in mein Schlafzimmer, wo ich lange wach liege, denn die Sätze lassen meinen Geist nicht los. Wie Schlangen winden sie sich in meinen Gehirnwindungen. Ich will sie loslassen, aber sie halten mich so besetzt, als hätten sie meinen Geist als Haus eingenommen. Ich stehe wieder auf und schütte noch ein Glas Rotwein in mich hinein. Danach schaue ich in Yogastellung an die Decke, während meine Hände auf der Bettdecke ruhen.
3. Tag, Morgens Ankunft in Edfu Kom; Kutschenfahrt zum Horustempel und Besichtigung von 7 bis 9 Uhr
Morgens früh um sechs Uhr stampfte das Schiff ruhig in die Morgenröte hinein. Der Himmel changierte zwischen Rot, Orange, Grau und Weiß. Die Palmen davor im Scherenschnitt schwarz, das Wasser war gelb und weiß am Bug des Schiffs, am Heck schwarz. Vor uns blinkte ein weiteres Schiff wie ein Leuchtturm. Ich musste mich noch schminken. Die Berge der Wüste bildeten eine graue Silhouette. Ich zog mir meinen Wintermantel an. Die Müdigkeit hing mir in den Knochen, und als ich an meiner Zigarette zog, dachte ich, Toni sei jetzt wahrscheinlich an Deck, um eine zu