Название | Drei Romane |
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Автор произведения | Pola |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946289128 |
„Mein Partner ist auch so ein Fan von alter Geschichte.“
„Ich glaube, mein Richard war so ähnlich wie dein Partner. Ich konnte ihn immer alles fragen und er hatte eine Antwort. Er war Programmierer. Jetzt gibt mir niemand mehr Antworten.“
„Meiner war in der Wirtschaft tätig und studiert jetzt im Alter noch Klassische Archäologie und Alte römische Geschichte.“
„Wow, er studiert noch Alte Geschichte! Nach Ägypten wollte der Richard allerdings nicht. Ihn hat nur die klassische Antike interessiert. Deshalb dachte ich, ich reise nach Ägypten. Dann kommen mir nicht zu viele Erinnerungen hoch. Auch nach seinem Tod war es schrecklich. Seine beiden Kinder aus der ersten Ehe dachten, es gäbe etwas zu holen. Dabei haben sie mich null unterstützt, während er todkrank war. Es gab aber nichts zu holen, wir hatten alles fürs Reisen ausgegeben.“ „Bist du denn im Alter versorgt?“
„Ja, ich habe die Witwenrente. Aber das kann ihn auch nicht zurückbringen. Hast du schon mal Selbstmordgedanken gehabt? Seit seinem Tod quält mich das ständig.“
„Aber das ist doch kein Grund, sich umzubringen.“
„Doch, aber ich weiß nicht, wie. Die einzige Möglichkeit für mich wären Schlaftabletten. Aber die Tabletten, die man in den Apotheken bekommt, sind nicht mehr so, dass das man nach einer Überdosis tot wäre. Aber einen anderen Tod kann ich mir nicht vorstellen. Ich will einschlafen.“ Dabei schaute sie mich mit flehenden Augen an.
Ich nahm sie in den Arm und dachte, das ist ein schönes Gefühl, sie trösten zu können.
Plötzlich stand ich mit wackeligen Beinen auf und sagte: „Entschuldigung, Toni, ich muss mal.“
Ich ging aufs Zimmer und entleerte mich für Stunden. Ich dachte, ich könnte die ganze Nacht nicht schlafen.
Gegen Mitternacht stand ich noch mal auf und ging an Deck. Toni und Reiner standen hinten an der Reling und steckten vertraulich die Köpfe zusammen. Wahrscheinlich erzählte sie Reiner die gleiche Geschichte über Richard, die sie mir vorhin anvertraut hatte. Ich verzog mich an das andere Ende des Decks, rauchte noch eine und ging wieder nach unten in unsere Kabine. Auf dem Weg dorthin kam mir Gisela entgegen. Was würde sie dazu sagen, dass ihr Mann mitten in der Nacht mit Toni so vertraut an Deck stand? Ich hielt kurz inne, als sie an mir vorbeiging, aber wir mussten ja um fünf Uhr morgens wieder aufstehen. Mein Darm beruhigte sich später. Morgens vor Sonnenaufgang klingelte das Telefon. Der Wake-up-Call.
Ich glaube nicht an eine Meditation, die die Gedanken abschalten lässt, wenn man meditativ seinen Gartenschlauch auf den wachsenden Rasen hält. Mir kommen dann eher zu viele Gedanken, Gedanken der Unruhe, was man noch weiter denken könnte, wohin man seine Worte lenken könnte. In das ungewisse Universum der Etymologie beispielsweise, dorthin, wo so viele Worte wohnen, dass es einem schwindelig werden könnte.
2. Tag, Besichtigung der Memnonkolosse, Tal der Könige und Tempel der Hatschepsut, danach Habu-Tempel
Ich tastete schlaftrunken nach dem Telefonhörer, als es um fünf Uhr morgens klingelte. Der Hörer fiel mir aus der Hand. Ich setzte mich im Bett auf und suchte nach dem Hörer. „Hello, this is your wake-up-call.“ Die Stimme am anderen Ende hatte aufgelegt. Ich torkelte ins Bad. Was für ein Morgen! Kein gemütliches Rekeln im Bett! Als ich im Bad fertig war, setzte ich im Teekocher Wasser aus der Plastikflasche auf. Das Leitungswasser durften wir Touristen nicht trinken. Das hatte uns der Reiseleiter eingeschärft. Als es kochte, übergoss ich den Nescafé und den Kaffeeweißer mit dem Wasser. Tür auf und erste Morgenzigarette auf dem Minibalkon. Es war noch fast dunkel, aber ich sah, wie eine Katze an der Kaimauer nach Fressbarem suchte. Der Sprechgesang des Muezzins ertönte. Der Kaffee schmeckte so, als ob ich die dreifache Menge an Kaffeepulver genommen hätte, so stark war er. Ich hörte, wie drinnen die Badtür ging. Paul war aufgestanden. Mein Darm war von gestern noch leer, also kein Klogang. Ich rauchte noch eine, ging wieder zurück in die Suite und packte ein paar Sachen für den Reisetag, denn wir hatten nur eine Stunde Zeit für Bad, Ankleiden, Frühstück und Abmarsch. Paul kam aus dem Bad und ich fragte:
„Bist du fertig?“
„Ja, gleich.“ Er zog sich gerade die Schuhe an.
Kurz darauf gingen wir auf der mit weinrotem Samtteppich bezogenen Treppe mit dem goldenen Geländer hinunter in den Essraum. Hier wurden alle Mahlzeiten serviert, und das regelmäßig. Jeden Tag gab es Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Die ägyptischen Ober trugen weinrote Westen und weiße Hemden. Ich setzte mich wieder auf denselben Platz am Rand gegenüber von Toni, mit einem „Guten Morgen“. Sie hatte schon etwas auf ihrem Teller. Ägyptisches Brot und Käse. Paul steuerte sofort auf das Buffet zu und kam mit seinem Joghurt mit Früchten zurück. Als er sich gesetzt hatte, stand ich auf und holte mir nur ein hartes Ei, ein Toastbrot und Käse. Irgendwie musste ich meinen verletzten Darm zustopfen. Toni war nicht geschminkt und sah dadurch sehr blass und fad aus.
Ich fragte sie: „Und, hast du geschlafen?“
„Ja, aber nicht lange, ich bin um vier Uhr aufgestanden, um mich im Bad fertig zu machen.“
„Hä, eine Stunde vorher?“
„Die ganzen Cremes auf meiner Haut und das Waschen der Haare, das dauert ewig.“
„Und jetzt bist du nicht mal geschminkt?“
„Dazu hatte ich keine Zeit mehr.“
Ich verstand es nicht und wollte es auch nicht wissen, schließlich war sie zehn Jahre älter als ich. Würde ich dann diese ganze Prozedur auch auf mich nehmen? Schönheitscremes und der ganze Mist? Ich beantwortete die Frage mit einem Nein. So würde ich nicht altern wollen. Ich würde in Würde altern.
Gisela schälte gerade eine Orange. Mehr hatte sie nicht auf dem Teller. Sie sah nicht gut aus. Ihre Falten hatten sich noch tiefer ins Gesicht eingegraben und sie nieste die ganze Zeit vor sich hin. Sie sagte zu Toni, die sich gerade noch ein Brot mit Wurst geholt hatte:
„Wenn du so weiterfrisst, wirst du noch fett.“
Ich fragte mich, warum sie das gesagt hatte. Toni war nicht fett. Sie war eher zerbrechlich. Hatte sie das gesagt, weil sie gestern Nacht Toni und Reiner an Deck zusammen gesehen hatte? Ich sagte nichts dazu. Vielmehr versuchte ich, meiner eigenen Gefühle Herr zu werden. Da war so ein Gefühl von Empathie gegenüber Toni. Sie tat mir leid, wie damals meine Tante, die ich immer als Kind begleiten musste, denn sie konnte wegen ihrer Kinderlähmung nur an einer Schiene gehen und humpelte. Ich durfte ihr als Kind nie davonrennen, da sie so langsam war. Es war Mitleid, das ich Toni gegenüber empfand, aber es war überhaupt nicht negativ, es war eher eine Art Zuneigung, vielleicht war ich sogar verliebt in sie. Oder verwechselte ich Mitleid mit Liebe? Ich hatte mich schon öfters in Frauen verliebt, aber es war nie eine Beziehung daraus entstanden, denn ich hatte mich immer in Hetero-Frauen verliebt. Diese Verliebtheiten mussten auch etwas mit meiner Mutter zu tun haben, nicht nur mit meiner Tante, denn meine Mutter hatte mich immer niedergemacht, weil sie in ihrem eigenen Leben immer zu kurz gekommen war. Sie war die Zweitgeborene von drei Kindern. Meine Tante stand immer im Mittelpunkt wegen ihrer Krankheit, und dann später wahrscheinlich der jüngere Bruder meiner Mutter, das Nesthäkchen. Sie war immer dazwischen gewesen. Gehässige Bemerkungen kamen ihr wie Öl über die Lippen. Wenn ich beruflich erfolgreich war und ein gutes Buch geschrieben hatte, meinte meine Mutter, nachdem sie es gelesen hatte, das hätte sie auch zustande gebracht. Diese Worte von ihr! Sie hatte in ihrem Leben gar nichts auf die Reihe gekriegt, das Einzige war, dass sie kochen konnte, aber da war sie mit ihren Rezepten in der Nachkriegszeit stehen geblieben. Nie war sie berufstätig gewesen. Als mein Bruder und ich aus dem Haus waren, sagte sie: „Ich setze mich doch nicht an die Kasse in einem Supermarkt!“ Dafür war sie sich zu fein. Als ich klein war, unterhielt sie sich lautstark über meinen Kopf hinweg mit irgendwelchen Nachbarinnen und erzählte ihnen, dass ich zu schüchtern sei und kein Wort herausbrächte. Später, als ich schon ausgezogen war, sagte sie mir ständig am Telefon, dass ich eine Piepsstimme hätte. Dabei