Название | Drei Romane |
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Автор произведения | Pola |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946289128 |
„Und was ist mit Europa? Auf uns kommt durch die Digitalisierung eine Massenarbeitslosigkeit zu. Hast du da eine Lösung?“
„Hm, ich glaube, es wird mal etwas Ähnliches wie das bedingungslose Grundeinkommen geben. Aber mehr kann ich dir hierzu auch nicht sagen.“ Ich schaute mich nach dem Ober um und bestellte ein weiteres Glas Wein. Ich starrte etwas missmutig auf den Boden. Das, was Paul gesagt hatte, war mir zu wenig, da er auch keine Lösung hatte.
Als der Ober den Wein servierte, fiel mir auf, dass das gesamte Personal an Bord männlich war. Es gab nicht einmal Zimmermädchen. Dieses Geschäft erledigten auch die Männer.
Nachdem wir ausgetrunken hatten, gingen Paul und ich in unsere Kabine. Die anderen würden alle heute Nacht um halb drei Uhr aufstehen, um mit dem Kleinbus nach Abu Simbel zu fahren. Ich hatte beschlossen, mir das nicht anzutun. Wenn ich mitten in der Nacht aufstehen musste, war der nächste Tag im Eimer. Ich freute mich auf den Morgen, an dem ich in Ruhe alleine herumtrödeln konnte.
Im Halbschlaf stellte ich mir vor, Toni und ich säßen nackt am Meer im Sand. Das Meer leckte unsere Füße. Der Sand hatte unsere Körper teilweise bedeckt, und da beugte sich Toni über mich und küsste mich so wie heute Mittag in ihrer leidenschaftlichen Art. Mit dem Gedanken schlief ich selig ein.
Unsere Seelen wandern in der gleichen Sphäre auf Pfaden, die keiner von uns kennt. Wir werden sie gegeneinander austauschen und uns prüfen, aber es wird immer dieses scheußliche Gefühl von Angst dabei sein, den anderen zu verlieren. Der Rasen ist jetzt definitiv zu trocken, ich muss die Schlange wieder anwerfen.
5. Tag, Abu Simbel und Segeltörn
In der Nacht war ich nur einmal kurz aufgewacht, als Paul sich fertig machte zum Gehen. Den Wecker hatte ich auf halb acht gestellt, weil es nur bis halb neun Frühstück gab. Ich erwachte fröhlich und endlich einmal ausgeschlafen. Ich war so froh, dass ich nicht zu dem Ausflug mitgegangen war. Endlich mal Ruhe und ich konnte nachdenken. Beim Frühstück saß ich alleine an dem langen Tisch, aber es machte mir nichts aus. Vergnügt aß ich mein hart gekochtes Ei, etwas Toast und Käse. Später machte ich in der Suite auf dem Bett meine Rückengymnastik. Und dann, darauf hatte ich mich am meisten gefreut, ging ich nach oben an Deck zum Heck und schwang mich für eine dreiviertel Stunde aufs Laufband. Das war überhaupt nicht langweilig. Ständig kreuzten Schiffe und man konnte auf die ganzen Nil-Schiffe schauen, die wie eine kleine Stadt vor Assuan angelegt hatten. Nachdem ich geduscht hatte, packte ich mein Schreibheft ein und setzte mich wieder aufs Deck mit einem Cappuccino. In Bruchstücken schrieb ich das Erlebte nieder. Was würde noch kommen? Als ich genug hatte vom Schreiben, stand ich auf und ging bis zum Geländer ans Heck. In dem Moment passierte ein Boot voll beladen mit Müll das Schiff. Es stank fürchterlich. Der Dieselgeruch war fast genauso unerträglich. Was für eine Umweltsauerei wir Europäer in Ägypten anrichteten! Ich schaute noch mal nach unten auf den Nil. Links und rechts waren zwei Rettungsboote am Schiff befestigt. Dazwischen eine schmale Aussicht auf den Nil. Wenn sich da jemand hinunterstürzen würde! Der müsste elegant zwischen den beiden Booten hindurchfallen. Ich ging in die Kabine, um auf die Ausflügler zu warten. Draußen auf dem Balkon konnte ich auf die Uferpromenade blicken. Und kurze Zeit später kamen sie an. Ich sah, wie sich Paul mit Toni unterhielt. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht! Ich biss mir auf die Lippen. Waren sie sich auf der Fahrt ohne mich nähergekommen? Mein Herz pochte wie damals bis zum Hals, als ich diese Ahnungen hatte, dass Paul fremdging. Beim Mittagessen waren alle total fertig und müde, bis auf Paul. Alle beklagten sich, man hätte in dem engen Bus nicht schlafen können und Abu Simbel sei so überflutet von Touristen gewesen, dass es überhaupt keinen Spaß gemacht hätte. Nur Paul war guter Dinge, er hatte im Bus gut geschlafen. Ich sagte zu ihm:
„Du bist ein Monster, Paul.“ Normalerweise hätte ich das mit einem Lachen gesagt, aber mir blieb das Lachen im Hals stecken.
Nachmittags war noch ein leichtes Programm vorgesehen. Wir gingen auf Segeltörn. Paul und Toni hatten sich nebeneinandergesetzt und manchmal meinte ich, ihre Hände würden sich berühren. Oder bildete ich mir das nur ein? Reiner saß neben mir und ich beobachtete aus dem Augenwinkel, wie er giftige Blicke auf Toni absandte. Er schien jetzt total eifersüchtig zu sein. Ich durchschaute Tonis Spiel nicht. Ich hatte Fragen ohne Ende. Der Ägypter, der das Boot segelte, hatte nur noch drei Zähne im Mund und trotzdem hatte er anscheinend drei Frauen. Der Reiseführer erzählte, dass auf dem Land die Mädchen noch beschnitten würden. Die Jungen aus Reinheit sowieso. Die Fahrt war ruhig und beschaulich, wenn da nicht mir gegenüber Toni und Paul säßen, die wie vereint auf die Uferpromenade des Nils schauten. In mir kochte es.
Wenn ich über dich schreibe, denke ich an die weißen Mäuse, die ich unwiederbringlich verloren habe in meiner Kindheit. Die weißen Mäuse, Toni, das bist du.
Vor dem Abendessen saß ich alleine auf dem Deck und schrieb in mein Heft. Die ganzen Affären von Paul kamen wieder bei mir hoch. Und dass er mich überhaupt nicht mehr begehrte, war ein Fiasko. Fast begann ich zu weinen, als sich Toni zu mir setzte, ohne auch nur zu fragen. Sie sprudelte sofort los:
„Ich will deinen Paul, nicht Reiner. Paul ist so ähnlich wie Richard. Und ich glaube, es wäre okay, oder? Ihr wohnt doch nicht einmal zusammen, und verheiratet seid ihr auch nicht. Da kann ich doch dazwischengehen.“
„Aber Toni, ich dachte, du willst etwas von mir?“
„Das ist tatsächlich so, aber ich habe einen bestimmten Plan, den kein Mensch erfahren soll.“
„Also können wir nicht …?“
„Nicht auf diesem Schiff!“
„Ich will nicht, dass du mit Paul etwas anfängst.“
„Aber es ist nur ein böses Spiel.“
„Was für ein Spiel?“
„Das kann ich dir jetzt nicht sagen, vielleicht später einmal. Ich habe deine Adresse und werde dir schreiben. Ich verspreche es dir.“
„Nur damit du‘s weißt: Paul ist uralt, der kriegt sein verrostetes Ding bestimmt nicht mehr hoch. Glaub mir!“
„Darum geht es mir überhaupt nicht. Du kannst es nicht verstehen, erst später.“
Diesmal küsste mich Toni in aller Öffentlichkeit mitten auf den Mund, aber da keiner aus unserer Reisegruppe in der Nähe war, war das kein Thema.
Dichtung ist, wenn man etwas verdichtet. Wollte ich dich verdichten oder war es nur ein Traum, in dem ich im Geiste herumwandelte? Warst du mein Dichtungsring am Abflussrohr meiner Träume und Gedanken, oder brach diese Abdichtung und meine Dichtung schoss unaufhaltbar hinunter in den Abwasserkanal?
Beim Abendessen hatte sich Toni den Teller vollgeladen und sagte mit vollem Mund kauend:
„Ich habe, glaub ich, schon drei Kilos abgenommen von dem Stress.“ Gisela schob mit der Gabel ein einziges Stück Gurke hin und her und erwiderte höhnisch:
„Auch wenn du dich noch so anstrengst, du bekommst keinen unserer Männer, und dein Richard, der ist tot! Du bist alleine! Und überhaupt, was willst du von Reiner oder Paul, die beiden sind uralt. Da geht nichts mehr im Bett!“
„Vielleicht bringt Reiner nur mit dir nichts im Bett zustande, weil du so eine Schreckschraube bist und die ganze Zeit wie ein Sauertopf dreinschaust.“
Ich saß da und schaute Paul an, als ob ich ihn fragen wollte: Stimmt das? Aber er schien gar nicht zugehört zu haben, wie immer war er in seine Ägyptologie-Welt abgetaucht.
Später stritten Paul und ich in der Kabine. Ich schrie ihn mit gebleckten Zähnen an. Ich wollte ihn jetzt endlich mal aus der Reserve locken. Schließlich hatte ich ja jetzt so was wie Toni im Hintergrund. Über meine Gefühle war ich mir nicht