America´s next Magician. Isabel Kritzer

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Название America´s next Magician
Автор произведения Isabel Kritzer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959919081



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Der Countdown dazu schien jedenfalls eingeläutet zu sein.

      Alle Muskeln in meinem Körper zogen sich bei den auf mich einprasselnden Erinnerungen zusammen. Als könnte mich das vor etwas, das längst passiert war, schützen. Der Idiotismus des menschlichen Körpers: er war zu langsam, zu spät und schlussendlich zu schwach. Viel zu schwach.

      Ich stöhnte, als mich eine ganze Schmerzwelle überrollte und zuckte erschrocken zusammen, als das noch mehr Pein verursachte. Verdammt!

      Unwillkürlich atmete ich gegen den Schmerz an, bis dieser abflaute, ohne meinen Kopf zum Platzen gebracht zu haben.

      Mehrere Herzschläge verstrichen reglos. Dann hob ich die Lider ein Stückchen an und bemerkte meinen ›Fehler‹ erst einen Augenblick später. Ich stockte ertappt. Ich hätte ja auch im Delirium stöhnen können, es hätte nicht zwingend ein Zeichen dafür sein müssen, dass ich wieder geistig da war. Jetzt hatte ich mich aber endgültig verraten.

      Warum ich dabei Panik verspürte und vor wem ich eigentlich Angst hatte, konnte ich nicht sagen – vielleicht vor der Realität, die mich erwartete.

      Ungewohnte Helligkeit blendete mich durch den winzigen Schlitz, den mein Wimpernkranz bildete. Ich konnte nurmehr Schemen ausmachen – meine Pupillen mussten sich erst fokussieren. Also versuchte ich mich aufgrund meiner anderen Sinne zu orientieren.

      Unter meinen Fingerkuppen, die behutsam die Fläche rechts und links von meiner Hüfte abtasteten, fühlte es sich weich an und da ich lag, nahm ich an, ich befand mich in einem Bett. Die Helligkeit ließ auf einen lichtdurchfluteten Raum schließen: Mein Zimmer in Glasturm No 20? Konnte das sein? Aber wer hätte mich dort hinbringen sollen? Jeder Gedanke brachte mehr Schmerz mit sich als der vorhergehende. Es gab inzwischen so viel, über das ich nicht nachdenken wollte.

      »Meinst du, sie ist wach?«, hörte ich ein Flüstern über mir. Ich kannte die Stimme. Aber woher?

      Meine Stirn runzelte sich ohne mein Zutun, so angestrengt dachte ich nach.

      »Ja!«, erklang ein Schnurren. »Hast du das gesehen?«

      »Was?« Es klackte.

      »Na, dass sie ihre Stirn gerunzelt hat.«

      »Echt?« Es klackte wieder und die Nachfrage klang hoffnungsvoll.

      Ich rollte unwillkürlich hinter geschlossenen Lidern mit den Augen. Gleichzeitig begann die Erkenntnis zu mir durchzudringen. Ich wusste, wer da an und über meinem Bett debattierte!

      Ein euphorischer Ruck ging durch meine Gestalt, der mir ein weiteres Stöhnen entlockte. Dann riss ich die Augen weit auf. Strahlendes Licht – ich vermutete die Sonne – ließ sie mich gleich wieder zusammen­kneifen, bevor ich einen dritten Versuch wagte.

      Stück für Stück hob ich meine Wimpern und ließ meinen Pupillen damit Zeit, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen.

      Die beiden Stimmen schwiegen. Ihre Sprecher beobachteten mich sicher bis ins letzte Detail.

      Ein zartes Lächeln umspielte meine Mundwinkel. Die beiden waren ein Anblick, über den ich mich freuen würde. Mein Gedächtnis ließ nun jedoch ungewollt die Erinnerung an Rayns in prismen­farbiges Licht gehüllten Körper in meinem Innersten aufblitzen. Ich hoffte von Herzen, dass er wieder ganz der Alte werden würde – körper­lich. Geistig war das wohl bei uns allen zu viel verlangt.

      Ich seufzte leise.

      Dann war mein Gesichtsfeld wieder so, wie es sein sollte und ich registrierte direkt, dass ich mich auf der Krankenstation im Regentenschloss von California befand.

      Prompt folgte Ernüchterung auf mein vorheriges Hochgefühl. Aber das Gefühlskarussell hatte anscheinend noch längst nicht aufgehört, sich zu drehen und stürzte mich jetzt in das nächste dunkle Loch. Ich war schon wieder im Regentenschloss. Dem Ort, den ich nach dieser Wahl so unbedingt hatte hinter mir lassen wollen. Dem wohl einzigen Ort Californias, dem ich entfliehen wollte, weil ich ihn mehr hasste als jeden anderen.

      Aber ich hatte die Wahl gewonnen, erinnerte ich mich selbst. Das hier war mein Zuhause für die nächsten fünfundzwanzig Jahre. Nicht mehr Glasturm No 20, nicht mehr unsere beengte Wohnung. Es war egal, ob ich sie liebte. Darauf kam es nicht an.

      Im Bruchteil einer Sekunde hatte sich in der Arena der letzten Aufgabe entschieden, dass ich die neue Regentin Californias sein würde; dass ich die nächste Magicia war, die dem Land vorstehen würde. Allemal besser, als zu sterben. Das Volk hatte mich unterstützt und ich hatte gekämpft, weil ich es musste. Eigentlich hätte Rayn der nächste Magician sein sollen – so empfand ich. Er allein hatte die Aufgabe schlussendlich gelöst. Er hatte uns gerettet: sich und mich. Ihm verdankte ich so viel. Allem voran mein Leben.

      Nun fiel mein Blick auf eine vorwitzige Tatze, besetzt mit satt­braunem Löwenfell. Unauffällig, aber nicht unauffällig genug, schob sich diese immer weiter über das weiße Bettzeug, hin zu meinem linken Arm. Der ägyptische Kopfschmuck auf dem Frauenkopf weiter oben, der sich an den Löwenkörper mit den hellen Flügeln anschloss, schaukelte leicht bei jedem geschmeidigen Vorwärtsgleiten des Körpers. Der stolze Blick und die leuchtend roten Iriden verrieten, dass Samaea d’Ejlkaan Chaerume, kurz Sama, meine, äh … hauseigene Sphinx nicht von dieser Welt stammte.

      Nachdem wir ein einvernehmliches Nicken ausgetauscht hatten, das alles sagte, erlaubte ich es mir, noch weiter nach oben zu schauen. Tatsächlich! Auf der Stange, an der sonst Schlaufen für noch schlimmer Verletzte eingehakt wurden, saß quietschfidel Neves. Der Schnabel des Phönix klackte, als wir uns anblickten. Er zwinkerte mit seinen schwarzen Knopfaugen und im nächsten Moment hob er die goldenen Flügel und ließ magischen Staub auf mich niederrieseln.

      Ich lächelte, wusste ich doch, dass es eine Geste der Freundschaft und Ergebenheit war und mir sein Geschenk beim Heilen helfen würde.

      »Was machst du nur für Sachen?«, fragte Sama mit neckischem Unterton. Dann sprang sie mit einem Satz aufs Bett. »Rück mal beiseite.«

      Ächzend versuchte ich meinen angeschlagenen Körper zur Seite zu wälzen, um ihrer Gestalt – der eines größeren Hundes – Platz zu machen.

      Beifällig nickte sie mir zu, dann verzogen sich ihre Lippen. »Wenn man dich einmal aus den Augen lässt«, tadelte sie weiter.

      Wenig erquickt hob ich die Augenbrauen. »Müsstest du nicht tröstliche Worte für mich haben?« Meine Stimme klang, als hätte ich zu viel geschrien oder geraucht … oder eben Wasser geschluckt, das ich gar nicht hatte schlucken wollen.

      »Brauchst du die denn?« Ihre sphinxhafte Miene ließ keine Gefühlsregung erkennen. Doch ich wusste, dass sie ihre Worte genau abgewogen hatte – wie immer. Und sie behielt anscheinend recht, denn unser kurzer Schlagabtausch gab mir das Gefühl innerer Stärke zurück. Dass sie mich nicht behandelte, als sei ich schwach, bedingte, dass ich mich besser fühlte. »Nicht wirklich«, pflichtete ich ihr bei.

      »Und wie geht es dir wirklich?«, fragte Neves von oben, deutlich besorgter.

      »Ich bin erschöpft«, gab ich zu. »Innerlich und äußerlich.«

      »Kein Wunder.« Sama verzog ihr Gesicht, als würde sie etwas Schlechtes riechen. »All diese Kafiron!« Sie schnaubte noch einmal, als überlegte sie, weitere Beschimpfungen aus vergangenen Zeiten auszustoßen. Verwarf das jedoch, denn sie legte den Kopf auf den Vorderpfoten ab.

      Ich grinste. Warum Sama alle, die sie wirklich bösartig beschimpfen wollte, als Ungläubige bezeichnete? Mir schwebten da ein paar ganz andere, sehr viel weniger sittliche Ausdrücke vor. Da Schimpfen mich aber aktuell weder heilte noch weiterbrachte und mich die Gegenwart der Fabelwesen besänftigte, lenkte ich meine Gedanken automatisch in eine andere Richtung. Wieder hier zu sein, kam mir wie ein großes Déjà-vu vor. Besonders als ich nun fragte: »Wie geht es Rayn?«

      Nervös befummelte ich die gestärkte Bettwäsche und sah mich in dem trostlosen weißen Raum um.

      Die Fabelwesen schwiegen.