Название | America´s next Magician |
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Автор произведения | Isabel Kritzer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783959919081 |
Ich hatte es immer für die kitschigste, die abstruseste Aussage von allen gehalten. Denn was kann es geben, das stärker, das wichtiger ist als Liebe? Nichts, hätte ich bis vor dieser Wahl gesagt. Ich meine, was können Menschen im Leben mehr wollen, als ihre wahre Liebe zu finden?
Aber es geht bei dem dritten Satz nie um die Liebe, es geht um die Umstände. Darum, was zwei Menschen darüber hinaus verbindet, was jeder in einer Beziehung braucht und ob der andere es erfüllen kann. Oder ob einer der beiden jeden Tag an der Liebe ein Stückchen mehr zerbricht, weil er den geliebten Menschen nicht loslassen kann, dieser ihn aber nicht vollständig glücklich macht.
Ein Zwiespalt, ein Dilemma – ein Drama.
Und das kann verschiedene Gründe haben. Sei es, dass einer plötzlich körperlich eingeschränkt ist, beispielsweise gelähmt, wie es bei Rayn der Fall hätte sein können. Oder aber, dass einer – möglicherweise gar beide – im Licht der Öffentlichkeit steht und ihm das eine gewisse Rolle aufbürdet, die eine normale Beziehung fast unmöglich macht, wie bei Ivan und mir.
In Büchern war es immer romantisch, wenn das Liebespaar heimliche Treffen und ein wohlgepflegtes Versteckspiel hegt – in der Realität verlor sich der Charme nach dem ersten Nervenkitzel. Ich wusste es. Schließlich schien sich gerade die Liebe zwischen mir und dem Kardinal der Blauen Garde zu verlieren.
Was blieb, waren abgedroschene Worte in meinem Kopf, die keiner je ausgesprochen hatte: »Wir lieben uns. Aber das ist nicht genug.« Und weil niemand mit ständigem innerem Drama leben will, versucht man zu vergessen. Versuchte ich, Ivan zu vergessen. Erinnerungen an ein paar einzelne Momente geisterten mir nichtsdestotrotz im Kopf herum – doch auch diese würden mit der Zeit verblassen. Zumindest redete ich mir momentan ein, dass es so kommen würde.
Ich hatte seit dem schicksalhaften Tag der Zeremonie zur Regentschaft nichts mehr von Ivan gehört. Hatte ihn mehrfach über meinen Nanobot Li angerufen, Nachrichten für ihn an den kaiserlichen Palast und die Blaue Garde geschickt und schließlich sogar einen goldenen Brief geschrieben – in meiner Funktion als Regentin von California für ihn in seiner Funktion als Kardinal der Blauen Garde seiner göttlichen Heiligkeit des Kaisers von Eterny. Doch nichts war zurückgekommen.
Inzwischen war bereits ein Monat vergangen. Vier lange Wochen des Wartens. Selbst einen seiner von mir gehassten silbernen Briefe, die ich während der Wahl erhalten hatte, hatte ich mir herbeigesehnt.
Welch Ironie.
Dass ihm nichts zugestoßen war, wusste ich aus den Medien, deren Berichterstattung ich verfolgte, seit auch ich in Interviews Rede und Antwort zu Regentschaftsentscheidungen stehen musste. Irgendwann hatte ich eingesehen, dass mir alles Warten dieser Welt nichts bringen würde, wenn er nicht antworten wollte.
Die Erkenntnis hatte gute und schlechte Tage mit sich gebracht. Tage der Niedergeschlagenheit und Tage des Optimismus, an denen ich nach vorne geblickt hatte. Ich hatte ein Land zu regieren und die Menschen, die auf mich angewiesen waren, hatten es nicht verdient, dass ich in den Wirren meiner Liebelei – wie Yasemine es immer noch nannte – versank, statt meiner Verantwortung nachzukommen.
Ein tiefer Seufzer entrang sich mir.
Ich begann unbewusst, Pergamentbögen zu ordentlichen Stapeln zu schichten und sie auf dem Sekretär in einer Art Lesereihenfolge anzuordnen. In meinem Herzen machte sich langsam Aufbruchsstimmung breit. Es war ganz so, als hätte mein Verstand erst jetzt realisiert, dass die Wahl wirklich vorbei war, dass Lanahaa abgeführt worden war und unverändert im kaiserlichen Palast in Washington in einer streng bewachten und magisch gesicherten Arrestzelle saß.
Vielleicht hatte es so lange gedauert, weil ich geglaubt hatte, die Menschen um mich zu kennen – und die Tatsache, dass ich falschgelegen, mich geirrt hatte, innerlich noch immer nicht ganz akzeptieren wollte. Der Verstand sagte das eine, mein Herz hatte eigene Pläne und sagte das andere. Schlussendlich obsiegte die Wahrheit: Es war ein einseitiges ›Kennen‹ gewesen. Sie hatten mich gekannt. Das machte den Verrat, das Leid und den Unglauben in mir noch schlimmer.
Ich schluckte.
»Genug!«, ermahnte ich mich selbst.
Ich hatte mich in der letzten Woche treiben lassen. Hatte Heavy Metall gehört, auf dass die Wände des Schlosses bebten und durch die Vibration wenigstens währenddessen etwas im Bauch und in den Gliedern gespürt. Mir war absolut egal gewesen, was meine Angestellten gedacht hatten – Beschwerden waren keine bis zu mir durchgedrungen.
Statt auf andere hatte ich meine Gedanken auf mich zu begrenzen versucht und mich sogar wieder daran erinnert, dass ich mir selbst schwarze Hausschuhe mit den größten, aufzutreibenden Totenköpfen hatte schenken wollen und allen Menschen innerhalb meines Landes die Freiheit eigenständig die Farbe ihrer Habseligkeiten auszuwählen, wenn ich die Wahl gewann. Nun war ich die Regentin von California. Auf die Hausschuhe verzichtete ich, das Thema Freiheit blieb jedoch ausstehend. Obwohl meine erste Amtshandlung dafür bereits die Weichen gestellt hatte.
Ich seufzte, wusste genau, dass ich noch immer zu viele einsame Stunden in den Regentengemächern verbrachte. Wobei ›einsam‹ das falsche Wort für mein Dasein war. Sama und Neves weilten stets an meiner Seite, wenn ich das wünschte. Ihre Gegenwart war tröstlich, allerdings war irgendetwas in mir kaputt gegangen – an diesem einen schicksalhaften Tag. Etwas, das eine Distanz zwischen mir und allen anderen schuf.
Weder Rayn noch Ivan waren am Tag der Regentschaftszeremonie gestorben – aber ich war es. Innerlich.
Vielleicht sollte ich frohlocken, weil es mich nun näher an meine Rolle als Eiskönigin brachte, die ich zum Regieren brauchte.
Sinessas alte Berater ertrug ich mit stoischer Gelassenheit, glaubte ihnen aber kein Wort. Sama hatte die Männerrunde bei der zweiten Komiteeversammlung zur Besprechung der Regierungsgeschäfte derart mit ihrem Grollen, Fauchen und Flügelschlagen eingeschüchtert, dass ich immerhin zu glauben gewillt war, dass sie es nicht wagen würden, mich zu hintergehen. Sicher war ich mir aber nicht. Die Zukunft würde diesbezüglich bestimmt noch interessante Erkenntnisse bringen.
Meine tägliche Ablenkung bestand nun darin, die Regierungsgeschäfte Californias fortzuführen und hoffentlich langfristig alles, was Sinessa während seiner Regentschaft eingeführt hatte, zu demontieren.
Sein Slogan Für eine gesunde Zukunft Californias sollte durch mich eine neue Bedeutung erlangen. Keine, in der Ironie mitschwang, sondern eine, die alle zum Strahlen brachte. Mein erstes Vergnügen hatte darin bestanden, mir sein dickes Regelwerk vorzunehmen und eine stark auf Notwendiges sowie Sinnvolles begrenzte Neufassung in Auftrag zu geben. Die Lebenszeit war für die meisten von uns begrenzt, das Erbe lebte allerdings in unseren Kindern weiter – und ich wollte, dass es für diese, für die Spezies Mensch, tatsächlich eine gesunde Zukunft gab!
Mit den Veränderungen im Regentenschloss hatte ich vor drei Wochen in meinen eigenen Gemächern angefangen. Selbst in Räumen, die mir noch unbekannt gewesen waren, war alles genauso prunkvoll, wie ich es von der Wahl gekannt hatte: Gold, wohin das Auge blickte. So schön es auch funkelte, so Brechreiz verursachend überkandidelt war die Einrichtung.
Zuallererst hatte ich statt des mir verhassten Rosas jegliches im Blau meiner Gilde umgestalten lassen und in allen privaten Räumen waren Störsender installiert worden. Denn wie sich gezeigt hatte, gab es keine offiziellen und keine inoffiziellen Pläne der Verkabelung des Schlosses. Nicht einmal Tekre Industries, bei denen sofort angefragt wurde, besaß welche. Die Schlosstechnik wusste, auf welche Mikrofone und Kameras sie zugreifen konnte – diese hätte ich entfernen lassen können –, doch traute ich sowohl meiner Mutter als auch meinem Vater zu, bei der letzten Aufrüstungsaktion jede Menge weiterer Spionagespielzeuge überall im Schloss angebracht zu haben.
Weshalb auch alle Robobots, die der Regierung von California gehörten, säuberlich resettet und umprogrammiert worden waren. Ich hatte jetzt über alle die höchste Befehlsgewalt.
Zumindest