America´s next Magician. Isabel Kritzer

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Название America´s next Magician
Автор произведения Isabel Kritzer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959919081



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wenige Meter.

      Die Schlange rauschte auf mich zu. Sie wuchs mit der Bewegung weiter an, riss ihr Maul auf, während ich meine Hände nach oben streckte und meine Flügel zu ihrer vollen Spannweite entfaltete. Ich wollte so viel Fläche wie möglich erzeugen, ein so großes Feuer sein, wie es nur ging. Sie auf einen Schlag vernichten – oder mindestens so viel von ihr erwischen wie ich konnte. Denn die Wahrheit war: Meine Kräfte schwanden wieder.

      Dass Lanahaa keine zusätzlichen Energiekugeln schickte und sich aufs Beobachten beschränkte, hätte mir zu denken geben sollen. Doch alles ging so schnell.

      In der einen Sekunde stierte ich noch der Schlange entgegen, in der nächsten hatte sie mich mit ihrem riesigen Maul verschlungen und klappte es zu. Die Wolkenberge ihres mächtigen Leibes wurden durch mein Feuer erhitzt und wandelten sich innerhalb von Nano­sekunden zu Wassertropfen, die in einer Flut auf mich niederprasselten. Die Welle, die so verursacht wurde und aufgrund der Schwerkraft gen Boden strebte, riss mich mit sich fort. Tonnen an Wasser drückten mit ihrem Gewicht gleichzeitig auf meinen Körper; hüllten mich ein und zogen mich in einem ungleichen Todeskampf in die Tiefe.

      Ich bekam keine Luft mehr. Sah nur noch blau und kniff, vom überwältigenden Drang in meinem Inneren geleitet, die Augen zu. Überall war Wasser. Ich ertrank. Ertrank mitten in der Luft, in einem ganzen Schwall davon.

      Mein Kopf wusste, wie irreal die Situation war, dass das Wasser eigentlich schneller fallen sollte als ich, weil es schwerer war. Dass es verdampfen sollte. Doch ich fühlte nicht nur, wie ich ertrank – oder ertränkt wurde –, mein Körper sagte mir ganz deutlich, dass es zu Ende ging.

       Wirklich zu Ende ging.

      In einem Reflex atmete ich aus. Der Sauerstoff stieg in Luftblasen aus meinen Nasenflügeln, kitzelte dabei die empfindliche Haut sowie an den feinen Härchen der Schleimhäute und ich musste niesen.

      Mein ganzer Körper krümmte sich zusammen, meine Flügel wurden von den Wassermassen weiter nach unten gedrückt. Der Schmerz an meinem Rücken, der durch die gegensätzlichen Bewegungen entstand, riss mich fast entzwei. Es tat weh. So weh! An meinen Schulterblättern, der Wirbelsäule und dem Genick.

      Mein Mund öffnete sich in unaufhaltbarer Wehklage. Wasser strömte mir über die Zunge an den Gaumen, ließ mich würgen und verstärkte das Gefühl zu sterben. Schmerz, da war nur noch Schmerz, überall. Doch das Schlimmste war, dass ich so noch mehr kostbaren Sauerstoff verschenkt hatte.

       Luft! Ich brauchte Luft!

      Meine Gedanken verlangsamten sich bereits. Mein Brustkorb begann sich zu heben. Nein!, schrie eine Stimme in meinem Innersten. Luft!, plärrte eine andere. Tu es!, eine dritte. Du wirst so oder so sterben, sagte der rationale Teil, der übrig war. Deshalb ist es jetzt ohnehin egal, falls du inzwischen – bei all diesen Stimmen in deinem Kopf – verrückt geworden bist.

      Trotzdem kämpfte ich mit mir. Kämpfte gegen den inneren Drang, noch einmal den Mund zu öffnen.

       Ich wollte nicht sterben.

      Schließlich, wie zu erwarten, atmete ich doch ein. Statt Luft sog ich Wasser durch meine Nasenflügel nach oben. Mir war, als würde plötzlich das Ende des gewaltigen nassen Schlangenschwanzes vernichtend vor mein Gesicht gedrückt. Wasser, Wasser, Wasser – überall nur verschwommenes Blau. Graublau, tödliches Blau!

      Unfähig zu erkennen, ob ich ein- oder ausatmete und von mehr Panik erfasst als von Wasser umgeben, wusste ich nur noch einen Ausweg.

      Wieder schloss ich die Augen.

      Wieder griff ich nach dem Zentrum der Kraft in mir. Und obwohl es nun schon nicht mehr so hell leuchtete, bewegte ich mich innerlich immer näher darauf zu. Labte mich an seinem Lichtschein, trat schließlich in das verheißungsvolle Leuchten und kämpfte mich weiter vor, von der Intuition getrieben, den Kern berühren zu wollen.

      Jeder Schritt war beschwerlich, jede Bewegung ein Kampf mit mir selbst – wahrscheinlich weil mein Körper gerade jeder Kraft beraubt wurde. Das Wasser hätte längst verdampft sein müssen, da das Feuer in und an mir noch brannte. Doch es wurde von irgendetwas daran gehindert. Oder eher: irgendwem. Lanahaa.

      Nach qualvollen Sekunden hatte ich die Quelle meiner magischen Kraft gefunden: Ein pulsierender Wirbel, eine Masse aus fließendem Licht, die fortwährend ihre Gestalt änderte. Mein Geist begann träger zu werden. Die Schönheit des Augenblicks lullte mich ein und ich überlegte, ob ich nicht einfach hierbleiben sollte, inmitten all der sorgen­­­­freien Einzigartigkeit.

      Es wäre so einfach, so bequem … und ich war doch so unendlich müde.

      Ganz am Rande meines Bewusstseins war mir jedoch klar, dass der Ort, an dem ich mich gerade befand, nicht real existierte. Dass ich meinem Bewusstsein etwas vorgaukelte, mir eine Eselsbrücke baute, die mich meine eigene Kraft nutzen ließ. Wenn ich mich jetzt dazu entschied, mich treiben zu lassen, würde ich sterben – würde mich aufgeben.

       Nein!

      Der unmittelbare Gedanke hallte durch Raum und Zeit, weckte mich mit seiner Intensität. Ich wollte leben. Leben! Ich versuchte daran anknüpfend den letzten Rest Emotion in mir zu aktivieren, versuchte daraus Kraft zu schöpfen. Doch im Vergleich zu all den Malen zuvor wollte es mir nicht recht gelingen. Ich fühlte mich ausgelaugt und viel zu schwach. So als hätte ich all meine eben noch so mächtige Magie gewirkt, meine Kraft verbraucht. Vielleicht hatte ich mich überschätzt. Das Feuer in mir und an mir köchelte gleichermaßen nur noch auf Sparflamme, bald würde es ausgehen.

       Wie viele Meter mochten es bis zum Boden sein? Wie viele Sekunden waren verstrichen? Warum wollte ich noch mal leben?

      Ivans Gesicht drängte sich in meinen gedanklichen Fokus. Seine grünen Augen und der rötliche Haarschopf, der ihn so besonders machte. Ich würde den Sexiest Man Alive nie wiedersehen. Weil er nicht mehr ›alive‹ war, nicht mehr lebte. Sie hatte ihn getötet. Und dafür musste sie sterben! Dafür wollte ich leben.

      Die Flamme meiner Kraft züngelte wieder stärker in mir. Ich kämpfte gegen das Gefühl des Ertrinkens an. Versuchte mich von meiner Situation zu distanzieren, um herauszufinden, wie ich ihr entkommen konnte. Was war real? Gegen was musste ich ankämpfen?

      Dann war es plötzlich vorbei.

      Das Wasser war weg und mit ihm das Gefühl zu ertrinken. Luft umgab mich, die ich reflexartig tief in meine Lunge zog. Dabei entstand ein ungesund pfeifendes Geräusch. Irgendetwas fühlte sich furchtbar falsch an. Obwohl es sich doch …

      Mein Körper erstarrte zeitgleich mit meinen Gedanken. Mein gepeinigter Blick irrte umher. Meine Augen brannten, während ich verwundert registrierte, dass ich schwebte – aber nicht aus eigener Kraft. Meine Flügel hingen mir nass und schwer am Rücken. Sie bewegten sich keinen Zentimeter.

       Was …?

      Ich versuchte so viel wie möglich zu erfassen, um meinem Gehirn Informationen zu liefern. Wollte die Situation um mich so schnell wie möglich begreifen. War in unmittelbarer Alarmbereitschaft für den nächsten Angriff.

      Doch dieser blieb aus.

      Lanahaa bewegte sich seelenruhig in der Luft vor mir. Sie hatte sich von ihrem Thron gelöst und schwebte, ähnlich Rayns surfenden Bewegungen zuvor, hin und her.

      Ich blinzelte, stand unter Schock. Wir befanden uns noch immer hoch oben, über dem Platz. Wenn ich mich nicht täuschte, nur wenige Meter von der Position entfernt, an der die Schlange ihr Maul aufgerissen hatte.

      Ich starrte der Frau im lilafarbenen Kleid entgegen. Sah sie blasser aus als zuvor? War sie nun erschöpft? Ich war es definitiv.

      Sie starrte unverwandt zurück. Ihre Bewegungen wurden langsamer, bis ihre Gestalt in der Luft zum Stillstand kam. Genau vor mir.

      Und genau dann fiel bei mir endlich der Groschen.

       Nicht die Wassermassen der Schlange