America´s next Magician. Isabel Kritzer

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Название America´s next Magician
Автор произведения Isabel Kritzer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959919081



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die nächsten fünfundzwanzig Jahre mein räumliches Umfeld sein. Uff! Deshalb hatte ich nach weiteren Möglichkeiten gesucht, alles so umzugestalten, dass ich daraus Kraft schöpfen konnte. Meine schönsten Erinnerungen, von denen ich zehren wollte, hatten mich schließlich an meinen Ort der Ruhe von vor der Wahl geführt. Wie sich allerdings herausgestellt hatte, war die Wohnung in Glasturm No 20, die ich einst als meine Heimat angesehen hatte, komplett ausgeräumt worden. Vermutlich schon vor dem Ende der Wahl von meiner Mutter oder danach von ihren Hand­langern. Wer wusste das schon.

      Keines meiner Bücher, nicht einmal meine illegale Kleidung waren da gewesen. Einzig das alte Sofa, das ich so lieb gewonnen hatte, weil ich die schönsten Lesetunden meines Lebens darauf verbracht hatte, war noch – genau wie alle anderen Möbel – an Ort und Stelle gewesen.

      Ich hatte es direkt ins Regentenschloss transportieren lassen.

      Mr Chivreen, mein Mundschenk und gleichzeitig neuer Mann für alle Fälle, hatte die Aktion in gestrengem pinguingleichen schwarzen Dreireiher und stilvollen weißen Handschuhen überwacht. Als das gute Stück schließlich von zwei Angestellten in meinen privaten Gemächern abgestellt worden war und diese es unter meiner Anweisung an seinen korrekten Platz gerückt hatten, hatte er zwar die Augenbrauen hochgezogen, aber sich eine Äußerung über den Fremdkörper in der prunkvollen Umgebung verkniffen.

       Gut so.

      Ich lächelte und musterte mit starrem Blick die halb volle Kaffeetasse, die hinter den Pergamentbögen auf dem Sekretär stand. Miss Puttin hatte sie vorhin hereingetragen. In weißer Schürze und mit stets rosa Häubchen hatte sie dabei die besorgte Miene zur Schau gestellt, die sie seit Beginn meiner Regentschaft trug.

      Sie und Mr Chivreen gehörten inzwischen zusammen mit Rayn und Yasemine, auf die ich bei meinem Besuch von Glasturm No 20 getroffen war, zu meinem engsten Stab.

      Yasemine wiederzusehen hatte mich für kurze Zeit aus meinem Schneckenhaus geholt. So hatte ich sie voller Überschwang eingeladen, mit mir ins Schloss zu kommen und zu bleiben – als meine Vertraute sowie PR-Beraterin.

      Den Job hatte ich mir kurzerhand ausgedacht, um einen offi­ziellen Grund vorzuweisen, der ihre dauerhafte Anwesenheit begründete. Wie sich aber inzwischen herausgestellt hatte, war Yasemine viel geschickter im Inszenieren als ich und die perfekte Besetzung einer bis dahin unerkannten Vakanz.

      Sie ging in ihrer neuen Rolle völlig auf, plauderte mit jedem – ich hatte längst den Überblick über all die Namen und zugehörigen Personen verloren, von denen sie mir berichtete. Und sie gab mir das Gefühl, mit ihr an meiner Seite meine Position entschieden zu verbessern.

      Jetzt, hier und heute häuften sich – im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich in Pergamentform – die schlechten Nachrichten, die den Beginn meiner Regentschaft in ein düsteres Licht tauchten.

      Ich schüttelte den Rest der Gedankengespinste an die letzten vier Wochen ab. Konzentriert beugte ich mich über die Pergamenthaufen.

      Den ersten bildete der offizielle Bericht über die Zerstörung, die die Drohnen von Tekre Industries am letzten Tag der Wahl verursacht hatten, inklusive der Regierungserklärung meinerseits. Die Erklärung war längst veröffentlicht. Ich hatte sie sogar bereits in einer der Frühstücks-Talkshows zerredet – eine ermüdende Angelegenheit. Der Untersuchungsbericht hatte länger gedauert. Würde ich ihn jetzt abnicken, würde er so veröffentlicht werden.

      Vor mir stand alles schwarz auf weiß.

      Die Kampfdrohnen im Arsenal der Blauen Garde seiner göttlichen Heiligkeit des Kaisers von Eterny, hergestellt in Tekre, unweit des eigentlichen Tatortes, hatten getötet.

      Nicht alle, aber ein paar davon – die größeren, die ich hinter dem Flimmern des magischen Schildes gar nicht im Speziellen wahrgenommen hatte. Sie waren mit Raketen und Lenkbomben ausgestattet gewesen. Äußerst tödliche Waffen. Keinesfalls für eine friedliche Intervention geeignet.

       Und doch waren sie da gewesen …

      Genau das bereitete mir Sorge. Denn dort, wo solche Drohnen herkamen, vermutete ich Modelle und Prototypen ganz anderer Art. Vielleicht malte ich den Teufel an die mentale Wand. Doch etwas im Innersten sagte mir, dass ich dem, sobald ich diese Erklärung hinter mir hatte und endlich in der stetigen Aneinanderreihung von unmittelbaren Pflichten Zeit fand, auf den Grund gehen sollte. Die Waffenschmiede besuchen sollte.

      Eine diplomatische Mission.

      Tekre Industries war mächtig. So mächtig, dass niemand es zum Feind haben wollte – besonders nicht der Kaiser, der durch die unglaublichen Profite aus dem Waffenexport und allen anderen Geschäftsfeldern des Unternehmens beträchtliche Steuern einstrich. Mir waren die Steuern egal, aber da meine Mutter bei ihrer Show ausschließlich Magie verwendet hatte, hatte ich nichts gegen das Unternehmen in der Hand. Und ich konnte es mir nicht erlauben, mir vorschnell Gegner im Vorstand des größten californischen Unternehmens zu machen. Also musste ich geschickt vorgehen, wenn ich Einblicke wollte.

      Erschöpft strich ich mir mit der Hand übers blonde Haar.

       Zurück zum Untersuchungsbericht.

      Rein chronologisch gesehen war der Sachverhalt so: Während des äußerlichen Beschusses von Lanahaas Schild waren irrtümlicherweise zwei Verkehrsdrohnen in Nebenstraßen von Raketen getroffen worden. Deren Sprengköpfe hatten auf den Schild gezielt, waren dort aber abgeprallt und erst verspätet, während des unbeabsichtigten ›Rückflugs‹ explodiert. Dabei waren drei Menschen, nämlich die Insassen der zwei Verkehrsdrohnen, gestorben. Die Drohnen waren nachfolgend vollständig ausgebrannt. Von ihnen gab es nicht besonders viele Überreste – genauso wenig wie von den Toten.

      Ich sah als Glück an, dass es nicht mehr Opfer außerhalb des Schildes gegeben hatte. Die Angehörigen der Verstorbenen litten nichtsdestotrotz, das war mir klar.

      Wirklich traurig und in gewisser Weise auch unheimlich bitter war für mich aber, dass – wie so häufig bei unvorhersehbaren Unruhen oder Attentaten – ausschließlich Zivilisten gestorben waren. In diesem Fall waren es insgesamt, mit denen vom zu spät eingestellten Beschuss nach Fallen des Schildes, dreiundzwanzig Unschuldige. Sie waren, wie ich schon am Tag des Geschehens befürchtet hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen – um oder auf dem großen Platz, vor der Bühne. Angelockt vom Spektakel der Wahl und dem Versprechen von Unterhaltung.

      Leider hatte sich das Tekre Magazin nach dem Geschehen genau in diese Informationen festgebissen. Die Tragödie war inzwischen zu einem Thema geworden, das alles infrage stellte: die Sicherheit des Volkes, die Herrschaft des Kaisers, die Wahl – meine Regentschaft.

      Immerhin unterstellte mir keiner, gemeinsame Sache mit Lanahaa zu machen, nur weil sie meine Mutter war. Öffentlich übertragenes Waterboarding durch sie und einen zuvor vereitelten Mordanschlag meines Vaters auf mich hatte wohl dem Letzten gezeigt, dass mich nichts Positives mit meinen Eltern verband. Vielleicht glaubten einige gar, dass ich Lanahaa und Sinessa mehr hasste als jeder andere – und somit bezüglich der beiden unkorrupierbar war. Ich wusste nicht, ob das stimmte. Aber es kam auch kaum auf meine Meinung an.

      Mich freute, dass die Menschen endlich einiges hinterfragten, obwohl es mir das Regieren schwerer machte. Es stand die Frage im Raum, wer den Angriff gelenkt hatte und wer über die Verantwortung und die Handhabung tödlicher Waffen in Staatsgewalt entschied. Details und eine genaue Beleuchtung des Vorfalls wurden verlangt.

      Mit dem Feuergefecht von Drohnen, die zwar jahrelang präsent gewesen, aber niemals auf diese Art aktiviert worden waren, wurde die komplette Waffengesetzgebung hinterfragt. Ein Thema, das ich als äußerst prekär ansah. Im Allgemeinen wichtig – ja. Für den Beginn meiner Amtszeit aber denkbar ungünstig.

      Der Kaiser ließ California diesbezüglich im Stich.

      Deshalb hatten einige meiner Berater gemeinschaftlich den Untersuchungsbericht verfasst. Die meisten Details hatte ich längst per Videobotschaft in der Regierungserklärung verbreitet. Vielleicht würde die ausführliche und wesentlich wissenschaftlicher gehaltene Schriftform nun dazu führen, dass meine Worte endlich durchdrangen. Und dass die