Название | Der Tod - live! |
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Автор произведения | Philipp Propst |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783858827401 |
«Fox. John Fox. Er kennt dich offenbar.»
«Ich kenne keinen Fox.»
«Das ist sicher nicht sein richtiger Name.»
«Ach, in diesem Deep Ding Netz heisst man Hinz und Kunz statt Haberer und Renner?»
«In etwa.»
«Also ist’s Quatsch.»
«Nein. Nicht unbedingt. Ich habe diese Nachricht ja persönlich bekommen. Und zwar in einem Netzwerk von Usern, die sich mit politischen Zusammenhängen in der Schweiz befassen.»
«Ist doch ein Bluffer.»
Kirsten nahm wortlos ihr Tablet aus der Handtasche, tippte darauf herum und fragte: «Wollt ihr jetzt mehr wissen? Ich bin online.»
«Ja, schiess los, Kirsten», sagte Renner.
Kirsten tippte, wartete, tippte und wartete. Jonas Haberer wippte auf seinem Stuhl hin- und her. Dann scharrte er mit den Füssen. Schliesslich schlug er mit der Faust auf die Tischplatte und bellte: «Ich habe nicht ewig Zeit für diesen Scheiss!»
Kirsten sagte nichts, sondern übergab das Tablet Jonas Haberer. Dieser las etwas und gab das Gerät an Peter Renner weiter. Der Nachrichtenchef wunderte sich, warum Haberer nichts sagte. Renner las: «Liebe Kirsten, der alte Jonas glaubt’s nicht, was? Er soll mal einen seiner Schnüffler um 17 Uhr auf den Basler Barfüsserplatz schicken. Dort wird eine Gruppe schwarzmaskierter Pseudofasnächtler eine kleine Show bieten. Ungefährlich, lieber Habi, noch…» Renner legte das Tablet auf den Tisch. Rund zehn Sekunden schwiegen alle.
Dann knallte Jonas Haberer die Faust auf den Tisch, und zwar so heftig, dass Kirstens Tablet vier Zentimeter in die Luft katapultiert wurde. Der Chefredaktor schrie: «Worauf warten wir noch?» Er schluckte kurz und fügte dann, etwas ruhiger, hinzu: «Pescheli, beiss dich da rein. Und du, Kirschtorte, bringst mir diesen verdammten John Wixer Knox her. Den drehe ich durch den Fleischwolf, bis er Matsch ist!»
RATHAUS, BASEL
Die Medienkonferenz fand ohne Kommissär Olivier Kaltbrunner statt. Er hatte sich geweigert daran teilzunehmen, weil es seiner Ansicht nach noch zu wenige Fakten gab. Stadtpräsident Serge Pidoux und Staatsanwalt Hansruedi Fässler gaben um 16 Uhr vor den versammelten Presseleuten bekannt, dass die Frau mit der Bombe im Rucksack eine geistig gestörte Person gewesen sei und es keinen Hinweis auf einen Terrorakt gäbe. Die Konferenz wurde per Video in den Innenhof des Ratshauses übertragen, wo weitere Medienleute standen, aber auch Passanten. Zudem wurden die Reden des Stadtpräsidenten und des Ersten Staatsanwalts auf dem Schweizer Fernsehen und auf TeleBasel live übertragen. Mehrere Online-Plattformen, darunter auch «Aktuell»-Online, hatten Live-Ticker und Streamings eingerichtet.
Die erste Frage eines Journalisten richtete sich an Hansruedi Fässler. Der junge Mann wollte wissen, wie eine geistig behinderte Frau eine Bombe basteln und diese mitten im Fasnachtstreiben zünden könnte. Es herrschte einige Sekunden Stille.
«Natürlich haben wir uns das auch gefragt», antwortete Fässler schliesslich. «Nach dem Stand der Ermittlungen müssen wir davon ausgehen, dass sich jemand einen Scherz erlauben und die Frau mit einer aus Pyro- und Feuerwerkskörpern gebastelten Bombe erschrecken wollte. Wobei Bombe der falsche Ausdruck ist. Der Sprengkörper war eine aus diversen Spassartikeln verklebte und verschraubte Knall-Kugel. Leider war die Wirkung sehr tragisch. Aber sicherlich war es nicht das Werk eines Profis.»
«Gibt es Verdächtige?», wollte eine Radiojournalistin wissen.
«Ja», antwortete Fässler schnell. «Aber darüber geben wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Auskunft. Aus ermittlungstaktischen Gründen.»
«Wie wurde die Knall-Kugel, wie Sie sagen, gezündet?», fragte nun ein älterer Pressevertreter.
«Auch darüber geben wir aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft. Sie wissen ja, wegen der Nachahmer.»
Stadtpräsident Pidoux erklärte schliesslich, dass die Fasnacht deshalb ungeniert weiter genossen werden könne. Allerdings sei nach wie vor mit einer erhöhten Polizeipräsenz zu rechnen. Man solle es den Polizeikräften nicht verübeln, wenn man als Kostümierter oder Kostümierte kontrolliert würde.
WAAGHOF, KRIMINALKOMMISSARIAT, BASEL
Kommissär Kaltbrunner starrte in den Monitor. Er verfolgte die Medienkonferenz am Fernsehen. Fassungslos sagte er zu Kollege Tamine: «Was labert Fässler da für einen Stuss? Eine Knall-Kugel?»
«Knall-Kugel», bestätigte Tamine, «er hat Knall-Kugel gesagt!»
«So ein Mist, Goppeloni! Kurt vom technischen Dienst sagte doch, die Bombe sei sehr professionell …»
«Ja, ja, nur ist diese Info noch nicht bei Fässler angekommen. Du kennst ihn ja! Er redet schneller, als er denkt.»
«Goppeloni», sagte Kaltbrunner noch einmal.
INNERSTADT, BASEL
Schon einige Male war die Fasnacht durch politische oder kriegerische Ereignisse irgendwo auf der Welt beeinflusst worden. Da das vermeintliche Attentat dieses Mal aber direkt die Stadt Basel betraf, sass der Schock tiefer: An diesem Dienstag, dem Tag der Kinder, befanden sich praktisch keine Mädchen und Buben in der Stadt. Nur vereinzelt, und ausschliesslich in den Nebengassen, waren einige Kinder mit ihren Eltern unterwegs. Nach der Medienkonferenz der Stadtregierung füllten sich die Plätze und Strassen allerdings relativ schnell. Es kam so etwas wie Fasnachtsstimmung auf.
FÄRBERSTRASSE, SEEFELD, ZÜRICH
Kilian Derungs goss sich nochmals einen Cognac ein, schwenkte das Glas und schaute mit einem Lächeln TeleBasel. Der Regionalsender übertrug nach der Medienkonferenz wieder Bilder der Basler Fasnacht. Die Kommentatoren sagten, dass man nun den Rest der Fasnacht ohne Angst geniessen könne. Kilian Derungs lächelte und murmelte: «Nein, das könnt ihr nicht.» Er nahm einen Schluck Cognac.
BARFÜSSERPLATZ, BASEL
Nach dem Alarmanruf von Nachrichtenchef Peter Renner waren die «Aktuell»-Reporter Alex Gaster, Sandra Bosone, Flo Arber und die beiden Fotografen Henry Tussot und Jöel Thommen rund um den Barfüsserplatz postiert. Es war 16.55 Uhr. Die Lage war ruhig. Fasnächtler marschierten über den Platz, Kinder tobten herum, Zuschauer genossen Bier und Weisswein.
Reporterin Sandra Bosone war nicht besonders guter Stimmung. Ihr war bewusst, dass ihr Einsatz, den sie im Spital für die Interviews mit den Verletzten geleistet und dafür ein etwas schlechtes Gewissen hatte, möglicherweise für die Katz gewesen war. Falls hier etwas Dramatisches passieren sollte, würde ihre Reportage, die sie bereits geschrieben und übermittelt hatte, in den Hintergrund gedrängt.
«Reporterpech», kommentierte Fotograf Henry Tussot ihre Sorgen. «Du weisst gar nicht, was ich alles fotografiere den ganzen Tag. Und dann bringen diese Idioten andere Fotos oder zerstückeln meine Bilder dermassen, dass ich sie kaum wiedererkenne. Merde! Aber so ist das nun mal.»
Um Punkt 17 Uhr lief eine schwarzgekleidete Combo von der Falknerstrasse her auf den Barfüsserplatz. Die Reporter blickten sich an. «Sind das wohl die von Renner angekündigten Pseudofasnächtler, die für Aufregung …», fragte Sandra.
Henry und Jöel rannten los und begannen sofort, Fotos und Videos zu machen. Denn irgendwie sahen diese Fasnächtler nicht wie Fasnächtler aus, sondern wie die angekündigte Chaos- oder Terrortruppe. Alex und Sandra stürmten ebenfalls zu dieser Clique und sprachen mehrere Mitläufer an. Sie fragten, welche Absicht hinter diesem Zug stecke. Antwort erhielten sie keine.
Um 17.03 Uhr enterte die Gruppe, die aus rund fünfundzwanzig Leuten bestand, die Gerüstbühne, auf der am Abend die Gug- genmusiken ihre Konzertauftritte halten.
«Die sehen aus wie der berüchtigte ‹Schwarze Block› aus Zürich», sagte Sandra zu Alex. Der «Schwarze Block» war eine Ansammlung gewaltbereiter junger Menschen, die an Demonstrationen für Ausschreitungen sorgte.
«Hoffen wir, dass nichts passiert. Für eine aggressive Demonstration