Mia und die Schattenwölfe. Corina Sawatzky

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Название Mia und die Schattenwölfe
Автор произведения Corina Sawatzky
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991076933



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Aber nichts hat geholfen. Wir wissen bald nicht mehr weiter.“

      Tante Anna hielt erschrocken in ihrer Rede inne. „Oh nein! So viel wollte ich eigentlich gar nicht sagen! Schließlich wollte ich euch nicht beunruhigen, indem ich euch erzähle, dass wir momentan ratlos sind. Es tut mir leid!“

      Mia und Sophie waren tatsächlich beunruhigt. Gleichzeitig machte es sie aber auch stolz, dass die ältere Hexe ihnen all das anvertraute.

      „Ich kann euch trotz allem versichern, dass wir heute Nacht hier sicher sind. Euch wird nichts zustoßen! Ihr könnt wirklich ganz beruhigt sein. Das Loch im Tor zwischen den Ebenen konnten wir zwar nicht vollständig verschließen, aber meine Schutzzauber sind mächtig genug, um die Schattenwölfe aus unserem Wohnzimmer fernzuhalten“, fügte Tante Anna hinzu.

      Dann schaute sie auf die Uhr und meinte: „Es ist nun auch schon sehr spät. Ihr beiden legt euch jetzt am besten hin und schlaft.“

      Mia und Sophie waren in der Tat ziemlich müde und so protestierten sie nicht. Sie zogen ihre Nachthemden an, benutzten den Nachttopf, den Tante Anna bereitgestellt hatte, und legten sich in ihre Betten. Ausnahmsweise hexte Sophies Mutter den Mädchen die Zähne mit einem kurzen Zauberspruch sauber.

      Das Feuer knisterte gemütlich und Tante Anna summte ein beruhigendes Liedchen vor sich hin, während sie am Tisch saß und strickte. So fühlten die beiden Cousinen sich geborgen und schliefen trotz des Gedankens an die umherschleichenden Schattenwölfe rasch ein.

      Mia wusste nicht, wie lange sie schon geschlafen hatte, als sie plötzlich aufschreckte. Ein unheimliches Heulen hatte sie aus ihrem Traum gerissen. Noch während sie überlegte, ob sie sich alles nur eingebildet haben könnte, ertönte der Laut erneut. Dieses Mal klang er sogar noch näher als zuvor. Ein eiskalter Schauer lief Mia den Rücken herunter.

      Auch Sophie, die neben ihr auf der Matratze lag, fuhr hoch. Die Mädchen schauten sich erschrocken an und keine von beiden brachte einen Ton heraus.

      Dann erklang das gruselige Heulen ein drittes Mal. Mia zuckte zusammen. Der Laut ging ihr durch Mark und Bein. Er hatte so nah geklungen!

      Mia konnte sich vor Schreck nicht rühren. Regungslos starrte sie zum Fenster.

      Plötzlich tauchte ein unheimlicher Schatten davor auf. Er hatte die Form eines riesigen Wolfes mit einem gigantischen Maul und einem langen buschigen Schwanz. Doch ging er wie ein Mensch auf zwei Beinen.

      Der Schatten vor dem Fenster wurde immer kleiner und schärfer, woraus Mia schloss, dass das Wesen sich stetig näherte.

      Mias Kehle wurde schlagartig trocken und sie war starr vor Schreck.

      Als die unheimliche Kreatur scheinbar direkt vor dem Fenster stand, tauchte Tante Anna plötzlich ebenfalls in Mias Sichtfeld auf. Sie trat entschlossen einen Schritt auf die Scheibe zu, hob konzentriert die Hände und murmelte mit geschlossenen Augen eindringlich Wörter vor sich hin. Dabei traten ihr Schweißperlen auf die Stirn und ihre Hände begannen leicht zu zittern. Anscheinend kostete sie das, was sie tat, eine enorme Kraft.

      Mia schaute angstvoll zu und hörte auch Sophie neben sich schnell und flach atmen.

      Die Worte der Hexe wurden immer beschwörender und schließlich sah man deutlich, wie das blaue Flimmern vor dem Fenster dichter wurde und heller zu leuchten begann. Daraufhin drehte der Schattenwolf offensichtlich widerwillig ab und bewegte sich in eine andere Richtung davon.

      Erleichtert atmeten Mia und Sophie auf.

      Tante Anna ließ erschöpft ihre Hände sinken und hörte mit dem Gemurmel auf. „So schwer war es noch nie, die Schattenwölfe fern zu halten. Sie scheinen an Macht zu gewinnen“, stellte sie stirnrunzelnd fest. Im nächsten Moment lächelte sie die Mädchen entschlossen und beruhigend an und fügte hinzu: „Aber an mir kommen sie nicht vorbei! Dazu bedarf es einiges mehr! Kommt, schlaft weiter, ihr Süßen. Ihr seid hier in Sicherheit!“

      Sie selbst trug nach wie vor ihre normale Kleidung, schien also bisher noch nicht ins Bett gegangen zu sein. So wie es aussah, hatte sie stattdessen die ganze Zeit lang über die beiden Mädchen gewacht.

      Mia und Sophie legten sich wieder hin. Doch Mias Herz schlug noch immer heftig und sie fühlte sich furchtbar zittrig. Vorsichtig tastete sie nach der Hand ihrer Cousine und hielt sie anschließend fest umschlossen. Sophie erwiderte ihren Druck. Und obwohl ihre Hand dabei ebenfalls deutlich zitterte, beruhigte die Berührung Mia, und so fiel sie nach einer Weile in einen unruhigen Schlaf.

      Sie träumte zwar schlecht, wachte aber erst wieder auf, als es im Zimmer hell wurde.

      Ihre Tante saß immer noch vollständig angekleidet neben dem inzwischen erloschenen Kamin und sah recht müde, aber auch unverkennbar erleichtert aus.

      „Die Nacht ist vorüber“, begrüßte sie ihre Nichte lächelnd.

      Auch Mia war sehr erleichtert. Was sie in der Nacht erlebt hatte, war überaus unheimlich gewesen. Sie war heilfroh darüber, dass der nächste Vollmond noch eine ganze Weile auf sich warten lassen würde.

      Sophie war scheinbar bereits vor Mia aufgewacht und schon im Badezimmer gewesen. Sie war fix und fertig angezogen und gerade dabei, den Frühstückstisch zu decken.

      Nachdem sich auch Mia fertig gemacht hatte, aßen die drei gemeinsam ihre Morgenmahlzeit. Sie ließen die Wichtel musizieren und dieses Mal konnten sich wieder alle an der Musik erfreuen.

      Als sie fast mit dem Essen fertig waren, kam Kosko, der Botenvogel, durch das offene Fenster hereingeflogen. Er setzte sich mitten auf den Tisch und machte sich über einige umherliegende Krümel her.

      „Nun rede schon!“, forderte Tante Anna ihn ungeduldig auf.

      Kosko betrachtete eingehend seine Krallen und sagte: „Diese Roggenbrötchen scheinen wirklich köstlich zu sein. Ich könnte es allerdings wesentlich besser beurteilen, wenn ich mehr als nur so ein paar armselige Krümelchen davon abbekäme!“

      Tante Anna schlug aufgebracht mit der Faust auf den Tisch und fuhr den Vogel an: „Wenn du nicht sofort berichtest, was mit Oma Käthe ist, bekommst du nie mehr auch nur die kleinsten Krümel von mir!“

      Mia blickte ihre Tante erstaunt an. So aufbrausend kannte sie sie gar nicht! Aber die Übermüdung und die offensichtliche Sorge um die Frau, die sie Oma Käthe nannte, machten sie anscheinend sehr reizbar.

      Auch Kosko merkte wohl, dass Tante Anna heute in der Lage wäre, ihre Drohung wahr zu machen, und antwortete rasch: „Es geht ihr gut. Sie hat die Nacht unbeschadet überstanden und lässt grüßen. Sie sagte, sie freue sich schon auf den nächsten Besuch und lädt Sie, Ihre Tochter und Ihre Nichte für den kommenden Samstag zu sich nach Hause ein.“

      „Gut“, erwiderte Tante Anna und entließ den Botenvogel mit einem knappen Nicken. Dieses Mal traute er sich nicht, mehr von dem Brötchen zu fordern, und flog mit pikierter Miene davon.

      „Schön, dass es Oma Käthe gut geht“, atmete die Hexe auf. Dann gähnte sie herzhaft und sagte zu den beiden Mädchen: „Ich werde mich ein wenig schlafen legen. Die Nacht war sehr anstrengend für mich. Was möchtet ihr zwei denn unternehmen?“

      Mia und Sophie schauten sich an und hatten sofort den gleichen Gedanken. „Wir werden zu Lindara gehen.“

      Tante Anna nickte. „Tut das. Ich wünsche euch viel Spaß! Würdet ihr vorher bitte noch den Tisch abräumen?“

      Mit diesen Worten stand sie auf, gähnte erneut und wankte schlaftrunken aus dem Zimmer.

      Die Cousinen taten, um was sie gebeten worden waren, und machten sich anschließend unverzüglich auf den Weg zu der Elfe.

      Eine geheimnisvolle Stimme

      Mia und Sophie nahmen den üblichen Weg zum Haus ihrer Freundin. Alles um sie herum schien wieder ganz normal zu sein – die Vögel sangen, ab und zu grüßte ein Baum am Wegesrand, und im Unterholz