Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel

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Название Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)
Автор произведения Hans Kneifel
Жанр Языкознание
Серия Atlan classics Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783845347400



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die die beiden Fremden angerichtet haben.«

      Er ging zu dem blaugekleideten Priester, der am Rand des Abgrunds stand und die Arme in den Regen streckte.

      »Sie sind tot, Ashkahir«, sagte er leise, »aber es hat sich nichts geändert.«

      Der Priester wandte sich ihm zu. Nachdenklich blickte er auf die Arbeiter, die mit Hilfe der Kräne weitere Steinquader heraufholten.

      »Natürlich hat sich nichts geändert«, antwortete er mit gedämpfter Stimme, »aber wir werden weniger Schwierigkeiten mit den Leuten haben. Man wird uns wieder besser gehorchen.«

      »Und die Schäden am Fundament werden schlimmer.«

      »Das wussten wir schon vorher, A'thruif«, erwiderte der Priester. »Die Berechnungen haben sich als falsch erwiesen. Der Turm wird früher oder später zusammenbrechen, weil sich jetzt nichts mehr reparieren lässt, aber willst du das dem Volk sagen?«

      »Früher oder später werden wir es tun müssen.«

      Sein Gegenüber lächelte zynisch.

      »Hast du denn nichts begriffen? Die beiden Fremden sind schuld. Deshalb haben wir sie hingerichtet. Noch heute werden wir eine große Versammlung einberufen. Auf ihr werde ich erneut Anklage gegen die Fremden erheben, und ich werde ihnen alle Schuld in die Schuhe schieben. Ich werde mitteilen, dass die Fremden mit ihrem Messinstrument irreparable Schäden angerichtet haben. Dann soll das Volk in einer Abstimmung entscheiden, ob weitergebaut werden soll oder nicht.«

      »Wir können nur hoffen, dass es sich gegen den Weiterbau entscheiden wird.«

      Ashkahir lächelte.

      »Wozu haben wir die Macht?«, fragte er. »Wir haben alle Instrumente der Beeinflussung in Händen. Wir als Regierende können die Probleme so darstellen, dass uns an der von uns verschuldeten Katastrophe keine Schuld trifft. Das, mein Lieber, ist das Privileg der Regierenden. Danach können wir nur hoffen, dass wir für einige Zeit abgewählt werden.«

      »Aber dann kommt die Opposition an die Macht, und sie wird nichts Besseres zu tun haben, als uns die Schuld am Zusammenbruch des Turmes nachzuweisen.«

      Ashkahir schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.

      »Ich sehe, du hast die Mechanismen der Macht noch nicht begriffen. Wir haben nicht nur die Beweise, sondern auch die vermeintlich Schuldigen beseitigt. Wie könnte uns eine neue Regierung daher behelligen? Sie wird genug damit zu tun haben, alles wieder in Ordnung zu bringen. Dazu sind Maßnahmen notwendig, die beim Volk keine Freude auslösen werden. Also wird man uns nach Ablauf der nächsten Wahlperiode wieder an die Macht rufen. Wir können dann ein ordentlich bestelltes Haus übernehmen, und alle Probleme sind beseitigt. Was willst du mehr?«

      »Du bist ein Genie, Ashkahir«, staunte A'thruif.

      »Daran habe ich nie gezweifelt.« Der Priester legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Und jetzt arbeite fleißig weiter, mein Freund. Mögen die Götter Zeuge deines unermüdlichen Fleißes und deines Verantwortungsbewusstseins sein.«

      6.

      Ein Schrei brach aus ihm hervor. Ganz gegen seinen Willen. Er wollte nicht schreien, aber er spürte den Boden näher kommen, und er wusste, dass ihn gleich unerträglicher Schmerz durchfluten würde, bevor das gnädige Nichts ihn erlöste.

      Wo ist der Sinn?, fragte er sich verzweifelt. Wozu die Entführung von Aklard, wenn hier nichts als der Tod auf mich wartet?

      Er spürte, wie der Wind an seiner Kleidung zerrte.

      Wie lange dauerte ein Sturz aus etwa hundertfünfzig Metern Höhe?

      Weshalb haben mich Kiart und Taleda auf diese Welt gebracht? Warum haben sie mich nicht gleich getötet, wenn sie mich aus dem Wege räumen wollten?

      Mrothyr verspürte eine Veränderung.

      Seine Geschwindigkeit verringerte sich.

      Er fühlte, dass sich ihm etwas näherte. Irgend etwas griff nach ihm, fing ihn mit behutsamer Hand auf.

      Seine Füße berührten den Boden, und jemand riss ihm das Tuch von den Augen.

      »Mrothyr!«

      Doyrirkhra packte ihn bei den Schultern und hielt ihn fest. Die beiden Männer starrten sich fassungslos an. Sie standen am Fuß des Turmes. Der Regen peitschte ihnen ins Gesicht, und sie hörten die Stimmen der Evutuumer, die sich irgendwo in der Nähe aufhielten.

      »Wir leben«, stammelte der Wonko. »Ich begreife es noch immer nicht, aber irgend etwas hat uns aufgefangen.«

      Mrothyr glaubte zu träumen. Er fürchtete, in der Sekunde seines Todes einem Trugbild zu erliegen. Es konnte nicht sein, dass sie gerettet worden waren.

      »Weg hier«, drängte Doyrirkhra. »Schnell.«

      Er zerrte den Freiheitskämpfer mit sich, nachdem er ihm die Fesseln von den Füßen genommen hatte. Mrothyr lief taumelnd hinter ihm her. Er stand noch immer unter einem Schock, und es wollte ihm nicht gelingen, sich so schnell daraus zu lösen.

      Kiart und Taleda haben eingegriffen, schrie es in ihm. Sie konnten nicht zulassen, dass man Doyrirkhra und dich umbringt.

      Roter Regen prasselte herunter und verringerte die Sicht bis auf wenige Meter. Die beiden Zyrpher rannten an Evutuumern vorbei, die am Fuß des Turmes arbeiteten, ohne dass sie bemerkt wurden. Die Eingeborenen schienen genügend mit sich selbst zu tun zu haben.

      Plötzlich glaubte Mrothyr, einen weißlichen Nebel neben sich wahrzunehmen, doch als er zur Seite blickte, war da nur ein roter Regenschleier, durch den nur einige Häuser zu erkennen waren.

      »Wohin willst du?«, fragte der Freiheitskämpfer, der sich allmählich von seinem Schock erholte. »Wir können doch nicht blindlings in die Gegend rennen.«

      Er blieb stehen. Er hatte das Gefühl, dass ihn jemand beobachtete. Langsam drehte er sich um sich selbst und spähte in den Regen hinaus.

      »Komm doch«, forderte er mit lauter Stimme. »Zeige dich endlich.«

      »Was ist mit dir?«, fragte Doyrirkhra. »Komm doch zu dir. Es ist vorbei. Wir haben es überlebt.«

      »Spürst du es denn nicht? Da ist jemand, der uns nicht aus den Augen lässt. Vielleicht hat er uns gerettet. Ich will wissen, wer es ist.«

      »Hör mal«, erwiderte der Wonko erstaunlich gefasst. »Mir ist es völlig egal, wer uns da aufgefangen hat. Vielleicht war es neue Technik. Es ist mir gleich. Ich möchte nur nicht, dass sie uns erwischen und noch einmal auf den Turm schleppen. Einen zweiten Absturz überleben wir womöglich nicht.«

      Mrothyr setzte sich auf einen Stein.

      »Ich denke doch«, gab er zurück. Er verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Aber ich werde es nicht darauf ankommen lassen«, keuchte Doyrirkhra.

      »Dadurch unterscheiden wir uns voneinander.«

      Der Wonko blickte ihn fassungslos an. Nervös wischte er sich das Wasser aus dem Gesicht. Dann schüttelte er heftig den Kopf.

      »Nein, Mrothyr, so weit geht die Freundschaft nicht. Ich werde nicht hierbleiben und warten, bis sie mich erwischen. Ich werde das Glück nicht herausfordern.«

      Er zögerte noch einen kurzen Moment, dann hob er grüßend einen Arm und rannte in den Regen hinaus. Mrothyr sah, wie er in den roten Schleiern verschwand. Er selbst blieb, wo er war.

      Minuten später hörte es auf zu regnen, und die Sicht klärte sich. Nur wenige Meter von ihm entfernt stapften mehrere Evutuumer über die schlammige Straße. Sie blieben stehen, als sie ihn bemerkten, und blickten ihn an, als hätten sie einen Geist vor sich. Einer von ihnen begann zu schreien, und dann drehten sich alle um und flüchteten zum Turm hinüber.

      Etwa eine Minute verging, dann kamen A'thruif und der Priester an der Spitze einer Gruppe von etwa fünfzig Männern und Frauen von dort auf den Zyrpher zu.