Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel

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Название Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)
Автор произведения Hans Kneifel
Жанр Языкознание
Серия Atlan classics Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783845347400



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hatten sich dort versammelt. An offenen Feuern wurden mächtige Bratenstücke gegrillt. Aus Fässern wurde eine offenbar berauschende Flüssigkeit ausgeschenkt, der die meisten Männer und Frauen eifrig zusprachen. Immer wieder fielen sich Evutuumer jubelnd in die Arme. Auffallend war, dass sie sich dabei relativ leise verhielten. Man fürchtete anscheinend, durch allzu großen Lärm gefährliche Tiere aus der Wildnis anzulocken.

      A'thruif trat ein. Lachend stellte er den Zyrphern zwei große Krüge und einen Teller mit einem riesigen Stück Fleisch hin.

      »Lasst es euch schmecken, meine Freunde«, rief er. »Wir haben schon lange keinen so guten Wein mehr gehabt.«

      Mrothyr deutete zum Turm hinüber, von dem auch jetzt nur ein kleiner Teil zu sehen war, da die Spitze von den Wolken verhüllt wurde.

      »Ihr habt uns noch immer nicht gesagt, wozu ihr den Turm baut«, bemerkte er.

      Der Evutuumer ließ sich in einen der Ledersessel sinken. Er streckte die Beine aus, und jetzt begriff Mrothyr, weshalb die Sitzmöbel mit Löchern in der Rückenlehne versehen waren. Die Hörner seines Rückengeweihs schoben sich hindurch, so dass er bequem sitzen konnte.

      »Was für eine Frage!«, staunte A'thruif. »Weshalb baut man denn solche Türme? Zu Ehren der Götter natürlich. Die Götter leben über den Wolken, und wir wollen zu ihnen hinaufsteigen. Wenn der Turm noch einmal so hoch wird, wie er jetzt ist, müssten wir den Göttern eigentlich begegnen. Jedenfalls behaupten das unsere Priester.«

      Er griff nach dem Krug und trank einen kräftigen Schluck Wein.

      »Ich bin mir nicht so sicher, dass die Götter sich uns zeigen werden«, fügte er hinzu. »Aber auch ich möchte einmal über die Wolken hinaussehen. Nicht nur für ein paar Minuten. Für eine so kurze Zeit reißen die Wolken schon mal auf. Nein, ich möchte einen Tag lang oder auch zwei dort oben sitzen und sehen können, was über den Wolken ist. Dafür würde ich mein Leben geben. Und glaube mir, die meisten Evutuumer denken ebenso wie ich. Die Sterne möchte ich beobachten und vor allem den Mond, wenn er hoch am Himmel steht.«

      Mrothyr blickte erneut zum Fenster hinaus. Der Regen fiel dichter als je zuvor. Wahre Wassermassen ergossen sich über die Stadt, und die Sicht war so schlecht, dass er die feiernden Evutuumer kaum noch erkennen konnte.

      Er verstand A'thruif.

      Er selbst kam von Zyrph, einer Welt, auf der klare Tage und Nächte keine Seltenheit waren. Den Himmel zu sehen, war nichts Besonderes. Das war hier anders. Die Evutuumer sehnten sich danach, über die Wolken hinaus in den klaren Himmel sehen zu können. Ob sie dieses Ziel allerdings mit dem Turm erreichen konnten, bezweifelte Mrothyr.

      »Was ist das Problem beim Turm?«, fragte er. »Woran droht das Projekt zu scheitern?«

      »Du hast erkannt, dass es nicht gelingen wird?« A'thruif strahlte ihn an. »Ich wusste, dass du ein Experte bist.«

      »Woran?«, fragte Doyrirkhra.

      »Die Steine am Fuß des Turmes zerbrechen«, erklärte der Evutuumer. »Der Druck des auf ihnen lastenden Turmes ist zu groß. Die Last zerquetscht die unteren Steinschichten. Wenn wir noch höher bauen, wird der untere Teil des Turmes auseinanderplatzen, und das ganze Bauwerk wird einstürzen. Wir können aber nicht aufhören, weil wir noch nicht über die Wolken hinausblicken können.«

      Die beiden Zyrpher blickten sich an. Das war exakt der Eindruck, den sie schon vor Stunden gewonnen hatten, als sie den Turm zum ersten Mal gesehen hatten. Die evutuumischen Bauhandwerker hatten das Fundament zu schwach ausgelegt.

      »Ich bin ganz sicher, dass ihr das Problem lösen werdet«, sagte A'thruif, schob ihnen den Wein hin, erhob sich, grüßte freundlich und eilte aus dem Zimmer.

      »Und ich weiß, dass wir das Problem mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln überhaupt nicht lösen können«, bemerkte Doyrirkhra, als die Tür hinter ihm zugefallen war.

      Die beiden Zyrpher befassten sich nun zum ersten Mal ernsthaft und sehr intensiv mit der Architektur und der Statik des Turmes und den dabei auftretenden Schwierigkeiten. Sie arbeiteten die ganze Nacht hindurch und kamen doch nur zu dem Ergebnis, dass sie das Bauwerk nicht retten konnten, weil bei seiner Konstruktion von Anfang an nicht mehr gutzumachende Fehler gemacht worden waren.

      »Wir müssen fliehen«, sagte Mrothyr eine Stunde vor Beginn der Dämmerung. »Sofort. Wenn wir noch länger warten, ist es zu spät für uns.«

      »Du hast Recht«, stimmte der Wonko zu. »Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«

      Mrothyr nahm seinen Kombitraf auf, und sie verließen das Zimmer, eilten lautlos eine Holztreppe hinunter und traten auf die Straße hinaus.

      Bestürzt blieben sie stehen, denn A'thruif und etwa zwanzig weitere Evutuumer traten strahlend auf sie zu und umringten sie.

      »Ihr wollt mit den Arbeiten beginnen«, rief der Architekt. »Das ist wundervoll. Ich wusste, dass ihr voller Eifer und Erfolgswillen seid.«

      Mrothyr beherrschte sich nur mühsam, und auch Doyrirkhra gelang es nur unter größten Anstrengungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Lachend führte A'thruif die beiden Zyrpher zum Turm.

      »Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass bereits im Anfangsstadium des Baus schwere Fehler gemacht worden sind«, sagte Mrothyr auf dem Weg zum Turm. »Falls diese sich nicht korrigieren lassen sollten, liegt das nicht in unserer Verantwortung.«

      A'thruif legte ihm lachend die Hand auf die Schulter.

      »Natürlich nicht«, erwiderte er. »Aber ihr seid so großartige Spezialisten, dass ich mir in dieser Hinsicht keine Sorgen machen würde.«

      »Man kann uns nicht für etwas bestrafen, für das wir nicht verantwortlich sind«, rief Doyrirkhra. Er konnte sich kaum verständlich machen, da die Evutuumer so laut redeten und lachten.

      »Es hat keinen Sinn«, sagte der Freiheitskämpfer zu ihm. »Sie wollen nicht hören. Sie sind froh, jemanden gefunden zu haben, dem sie die Verantwortung zuschieben können. Wahrscheinlich wollen sie ihren eigenen Kopf damit retten.«

      Sie betraten den Turm durch ein gewölbtes Tor. Über eine breite Treppe ging es hinauf in einen Raum, der überraschenderweise schon in dieser Bauphase prunkvoll eingerichtet war. Über Dutzenden von Statuen erhob sich ein mit edlen Metallen und blitzenden Diamanten verziertes Gewölbe. An den Wänden befanden sich Gemälde, auf denen verschiedene Szenen aus dem Leben der Evutuumer dargestellt wurden. Die beiden Zyrpher konnten nur vermuten, dass es sich dabei um legendäre oder religiöse Ereignisse aus der Vergangenheit dieses Volkes handelte.

      Aus einer Nische kam ein in blaue Tücher gehüllter Mann hervor. Er verneigte sich vor Mrothyr und Doyrirkhra, drückte seine Finger gegen seine Lippen und dann gegen ihre Stirnen.

      »Ich begrüße euch im Namen der Götter, die über den Wolken wohnen«, sagte er. »Ihr werdet es sein, die uns einen Blick auf die Götter gewähren werden.«

      In den Augen des Priesters leuchtete ein fanatisches Licht. Auf den Lippen des Mannes stand rötlicher Schaum. Mrothyr hatte das Gefühl, einem Mann gegenüberzustehen, der sich vollständig in seinen religiösen Phantasien verloren hatte.

      Wir werden diesen Turm nicht lebend verlassen, wenn nicht noch ein Wunder geschieht, erkannte er.

      »Wir müssen den Turm untersuchen«, erwiderte er. »Es sind Fehler gemacht worden, die korrigiert werden müssen.«

      »Beginnt mit der Arbeit«, rief der Priester. »Wartet nicht. Jede Stunde ist kostbar.«

      »Der Priester ist krank«, flüsterte A'thruif Mrothyr zu, als sie wenig später allein weitergingen. »Er fürchtet, dass er sterben muss, bevor er der Götter ansichtig geworden ist. Er verfolgt alle mit seinem tödlichen Hass, von denen er glaubt, dass sie die Arbeiten verzögern. Und er ist mächtig. Es gibt niemanden am Bau, der es wagt, langsam zu arbeiten. Sie fürchten ihn alle.«

      »Du auch?«

      »Ich auch. Ich habe keine Lust, mich von ihm umbringen zu lassen.«

      Mrothyr