Der Bruch. Doug Johnstone

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Название Der Bruch
Автор произведения Doug Johnstone
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948392215



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Tyler hatte von einer Masche gehört, die zwei Typen aus der Schule auf einem Stück Brachland zwischen Mietshäusern an der King Stables Road abzogen. Sie stahlen Warnwesten und kassierten einen Fünfer für einmal parken. Die machten das im Sommer über Wochen, mitten im Zentrum von Edinburgh, und sackten so Tausende ein. Wurden nie erwischt.

      Barry und Kelly waren bereits auf dem Weg. Tyler ließ den Kopf kreisen und versuchte, hinter ihnen ganz locker zu bleiben. Barry ging schnurstracks zur Haustür und klingelte. Sie waren ziemlich sicher, dass niemand zu Hause war, aber nur für alle Fälle. Einmal hatten sie das so gemacht, niemand hatte reagiert, dann waren sie hinters Haus gegangen. Sahen ein Pärchen mittleren Alters voll bei der Sache, die vögelten sich auf dem Küchenboden das Hirn weg.

      Barry sah durch keines der zur Straße hin liegenden Fenster ins Haus, viel zu verdächtig. Stattdessen ging er um die Seite des Hauses voran, den dunklen Durchgang hinunter, vorbei an Wertstofftonnen und weiter in den Garten. Versuchte es an der hinteren Tür, abgeschlossen. Genauso die Fenster. Ein kurzer Blick unter Blumentöpfe und Abfalleimer nach einem Ersatzschlüssel. Nichts.

      Sie konzentrierten sich auf den Garten, gingen zu dem Schuppen am hinteren Ende. Barry zuckte beim Gehen, Kelly wischte sich die Nase am Ärmel ab. Tyler sah sich um. Gepflegter Rasen, Kirsch- und Wildapfelbäume vor der Wand links, die sie vor den Fenstern im Obergeschoss des Nachbarhauses abschirmten. Perfekt. Auf der anderen Seite Rosenbeete vor einer gut eins achtzig hohen Steinmauer, oben drauf einzementierte Glasscherben. Wozu sollte das gut sein, wenn man doch einfach von vorne herumkommen konnte? Die Leute dachten nie wirklich über Sicherheit nach.

      Der Schuppen war mit einem kleinen Vorhängeschloss gesichert, aber das Holz war alt. Barry hob den Fuß und trat zu, und schon löste sich die Metallplatte vom darunterliegenden Brett. Ein weiterer Tritt und es zersplitterte, die Tür schwang nach außen auf.

      Barry streifte Lederhandschuhe über und betrat den Schuppen, dann gab er Tyler ein Zeichen, die Tür hinter ihm zu schließen. Tyler zog ebenfalls Handschuhe an und sah Licht von Barrys Taschenlampe durch die Ritzen zwischen den Holzplatten fallen. Eine Minute später kam Barry wieder raus, eine Gartenschere mit langen Teleskopgriffen in der Hand. Jeder hatte sie, um Bäume zu beschneiden, geradezu perfekt, um eine Hintertür aufzubrechen.

      Barry drängte sich an Kelly vorbei zur Rückseite des Hauses. Verkeilte die Klinge der Schere auf Höhe des Schlosses zwischen Tür und Rahmen. Er hebelte das Ding vor und zurück, verbog den Beschlag aus Hart-PVC um das Schloss, öffnete einen Spalt. Das machte er mehrere Male, die Tür knarrte jedes Mal laut.

      Tyler hörte etwas und sah sich um. Legte eine Hand auf Barrys Arm. Barry zuckte zusammen und hätte ihn fast geschlagen. Tyler zog an seinem Ohrläppchen und alle drei lauschten. Geräusche eines Autos in der Ferne, das Rascheln des Windes in den Kirschblüten. Dann ein Fauchen.

      Tyler drehte sich zu dem Geräusch um. Eine schwarze Katze oben auf der Mauer zwischen diesem Garten und dem Nachbargrundstück starrte zu ihnen herunter. Sie hatte vier weiße Pfoten, als wäre sie in Farbe getreten, und die leuchteten jetzt in der Dunkelheit. Bedeuteten schwarze Katzen nicht Glück? Tyler streckte eine Hand aus und gab lockende Laute von sich, aber Kelly machte einen Schritt auf das Tier zu und holte aus, sodass es in den anderen Garten hinuntersprang.

      Barry zog die Gartenschere aus dem Türspalt und reichte sie Tyler, dann warf er sich mit der Schulter gegen die Tür. Sie wackelte, gab aber nicht nach. Und noch mal, mit dem gleichen Ergebnis. Barry stieß einen leisen, missbilligenden Laut aus und versuchte es wieder. Die Tür bog sich in der Mitte durch, allerdings nur ein wenig. Ein solides Schließsystem, höchstwahrscheinlich mit fünf Riegeln oben und unten an der Tür. Wahrscheinlich zusätzlich ein Sicherheitsbügel. Da würde nichts nachgeben. Moderne Türen wie diese wurden immer öfter eingebaut, aber in dieser Gegend fand man gelegentlich noch die alten aus Plastik mit einem einzelnen Riegelbolzen oder sogar die Originalholztüren, die man fast schon mit kräftigem Pusten aufbekam.

      Barry drehte sich zum Küchenfenster. Eine große Scheibe mit zwei klappbaren Oberlichtern. Er nahm Tyler die Gartenschere ab und stieß sie auf den Punkt unterhalb des Fensterschlosses. Drückte fest zu und knackte es gleich beim ersten Versuch. Kein Mensch machte sich die Mühe, Oberlichter zu verstärken, sie waren stets ein Schwachpunkt. Meistens waren sie nicht mal abgeschlossen.

      Barry ließ die Gartenschere fallen, als Kelly eine schwarze Mülltonne herüberhob, dabei darauf achtete, sie nicht zu ziehen und so ein Geräusch zu machen. Barry half Tyler auf die Tonne hinauf, hielt sie dann mit beiden Händen fest. Tyler schob das kleine Fenster so weit wie möglich auf, dann umklammerte er den Rahmen und zog sich kopfüber durch die Öffnung. Er hatte es halb geschafft, balancierte mit einer Hälfte bereits in der Küche, war mit der anderen noch draußen. Kelly hob die Hände, gab den Sohlen seiner Turnschuhe einen Schubs, und er rutschte weiter durch, die Arme nach vorn ausgestreckt. Er war dünn, steckte jedoch mit der Hüfte im Fensterrahmen fest. Kelly gab ihm noch einen Schubs. Er befand sich über der Spüle, die Hände über der Abtropffläche, und er zappelte in seiner Jeans gegen den Rahmen des offenen Fensters, zwängte eine Hälfte der Hüfte zur einen, die andere zur anderen Seite. Er rutschte die letzten Zentimeter, stützte sich mit den Händen auf der Abtropffläche ab, schraubte die Beine seitlich durch die Öffnung und ließ sich auf Händen und Knien neben die Spüle fallen.

      So verharrte er einen Moment, vergewisserte sich, dass er sich nicht verletzt hatte, lauschte auf Geräusche aus dem Inneren des Hauses. Er hatte so etwas schon zigmal gemacht, aber das Herz schlug ihm immer noch bis zum Hals, der Puls wie eine Botschaft in den Ohren. Er ließ sich auf den Hintern nieder, sprang dann auf den Fußboden. Er war schlank und geschmeidig, wünschte sich aber dennoch, den Körper einer Katze zu haben, sich so anmutig und elegant in der Welt bewegen zu können. Er sah sich um. Marmorarbeitsflächen, Kochfeld und Ofen aus gebürstetem Chrom, eine lange Frühstückstheke aus Eiche. Die hatten ihr Geld lieber für so etwas ausgegeben, nicht für Sicherheit.

      Er ging zur Hintertür. Manchmal ließen sie den Schlüssel im Schloss stecken, diesmal jedoch nicht. Er sah sich kurz um, entdeckte einen Ersatzschlüssel auf einem Regal neben mehreren gebundenen Kochbüchern mit Gesichtern, die er aus dem Fernsehen wiedererkannte.

      Er steckte den Schlüssel ins Schloss. Es war schwergängig wegen der Beschädigungen, die Barry durch seine Versuche auf der Außenseite hinterlassen hatte, ließ sich dann aber doch drehen.

      Er öffnete die Tür.

      »Gute Arbeit«, sagte Barry und kam herein, Kelly ihm dicht auf den Fersen.

      Er sah Tyler fragend an und hob dann den Kopf, was bedeutete: du oben.

      »Das Übliche«, sagte er.

      Tyler sprintete nach oben. Es war gut, von den beiden anderen wegzukommen. Er machte eine schnelle Runde durch sämtliche Räume, drei Schlafzimmer, ein Bad und ein Arbeitszimmer. Keiner zu Hause. Immer am besten zuerst nachsehen, man konnte ja nie wissen, ob nicht vielleicht einer zeitig zu Bett gegangen war, irgendwas genommen hatte, vom Klingeln an der Haustür nicht aufgewacht war.

      Alles wirkte irgendwie altmodisch, ein Rentnerehepaar vielleicht, die Kinder waren erwachsen und aus dem Haus. Ziemlich normal, nicht viele jüngere Leute konnten sich Häuser wie das hier leisten.

      Tyler blieb einen Moment im Flur stehen, konzentrierte sich, nahm die Atmosphäre auf, stellte sich die Menschen vor, welches Leben sie hier führen mochten. Wie’s wohl war, sie zu sein? Hatten das ganze Leben in einer Bank oder einem Büro gearbeitet, die Kids jetzt auf der Uni, viel Zeit, den Garten zu genießen.

      Im Elternschlafzimmer öffnete er den Wäscheschrank, zog ein paar Kopfkissenbezüge heraus. Es gab eine Frisierkommode mit Spiegel, mehreren Schmuckkästen und einzelnen Schmuckstücken. Er wischte alles in einen Kissenbezug. Öffnete die Schubladen, fand mehr Schmuck, größtenteils Modeschmuck, aber auch ein paar nette Stücke aus Silber und Gold. Im Laufe eines Lebens konnte man ganz schön viel Kram ansammeln.

      Er warf einen kurzen Blick in eine weitere Kommode, nur falls irgendwelche Wertsachen zwischen Unterwäsche und Socken versteckt waren, fand jedoch nichts. Er sah in den Nachttischen nach. Schottische Kriminalromane auf ihrer Seite, Bücher über Militärgeschichte auf