Der Bruch. Doug Johnstone

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Название Der Bruch
Автор произведения Doug Johnstone
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948392215



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rannte zu Isla und Aisha, die sich gegenseitig ihre JoJo-Siwa-Haarschleifen zeigten. Bean war schon seit Ewigkeiten scharf auf eine, aber die Dinger kosteten neun Tacken das Stück. Vielleicht sollte er ihr eine von dem Geld besorgen, das er am Abend zuvor abgezweigt hatte, aber er wusste nie, wie viel Zeit zwischen Zahltagen lag, also hatte er immer ein ungutes Gefühl, wenn er Geld für Luxussachen ausgab statt für Essen und Strom. Und jetzt musste er obendrein auch noch Hundefutter kaufen.

      Für ihre Freundinnen hieß Bean Bethany, nur zu Hause wurde sie Bean genannt. Tyler konnte sich nicht erinnern, wie das angefangen hatte, hoffte aber, dass es nicht Barrys Idee gewesen war, von dem nie was Gutes kam. Vielleicht weil sie so klein war, ganze fünfzehn Zentimeter kleiner als Isla und Aisha.

      Die Glocke ertönte und Bean und ihre Freundinnen schlenderten zu der Schlange wartender Schulkinder hinüber. Tyler blieb zurück bei den Mums. Manche von denen waren nicht viel älter als er selbst, was bedeutete, sie hatten ihre Kinder bekommen, als sie selbst noch zur Schule gingen. Tyler wartete, ob Bean noch einmal herübersah, als Miss Kelvin sie hereinrief, aber sie quatschte mit Aisha und war völlig in ihrer eigenen Welt versunken.

      Er ging, vermied jeden Blickkontakt mit Miss Kelvin und den Mums, dann trat er durchs Tor und bog nach links, in die entgegengesetzte Richtung zur Highschool. Er ging den Niddrie Farm Grove hinunter, vorbei an den rot-weißen Reihenhäusern und der Arztpraxis, und kam an der Bushaltestelle heraus. Er wartete einige Minuten, dann sprang er in einen 30er Bus, in dem er seinen gefälschten Ausweis an das Fahrkartendings drückte. Er hatte ihn vor ein paar Monaten bei einem Bruch mitgehen lassen und sein eigenes Foto über das des eigentlichen Besitzers geklebt. Martin Lawrence. Das Ding war nicht für ungültig erklärt worden, daher funktionierte es immer noch. Das Computersystem von Lothian Buses hatte ganz offensichtlich Lücken. Die Leute denken immer, Sicherheitssysteme seien dazu da, sie zu schützen, aber in neun von zehn Fällen funktionieren sie ganz einfach nicht. Es sind besondere Berechtigungen erforderlich, um sie miteinander zu vernetzen, damit sie kommunizieren, und wer hat schon Zeit für so was? Über jedem schwebt das Fallbeil, jeder Job ist gefährdet, Etats werden gekürzt, alle müssen länger für weniger Geld arbeiten. Ein Teenager, der mit der Dauerkarte von irgendwem für lau Bus fährt, ist den Leuten doch so was von scheißegal. Sie interessieren sich nicht für eine Xbox, die durch eine Versicherung abgedeckt ist, auch nicht für ein Auto, das bei einem Hehler landet. Sie bekommen Ersatz, schicker und schöner als das gestohlene Teil, mit mehr Ausstattung, besserem Navi, Bluetooth fürs iPhone, beheiztem Fahrersitz.

      Er stöpselte seine Ohrhörer ein und spielte Boards of Canada. Alle anderen in seinem Jahrgang hörten Hip-Hop oder Metal. Er hatte zu Hause schon mehr als genug zornigen Scheiß. Er liebte Boards of Canada, bei denen sich die Zukunft wie eine Projektion aus der Vergangenheit anhörte. Er hatte gegoogelt und herausgefunden, dass es zwei Brüder aus East Lothian waren, die nie Interviews gaben und auch nicht live auftraten, was ihm gefiel.

      Er starrte aus dem Fenster im Oberdeck, während wabernde Synthies und besoffene Drums miteinander kämpften. Er hatte dasselbe Gefühl wie letzte Nacht, der schnelle Wechsel vom grauen Kieselrauputz der Häuser in Niddrie und Craigmillar zu den größeren Häusern in Prestonfield und Newington.

      Er nahm das Telefon der Frau aus der Tasche und starrte es einen langen Moment an, dann schaltete er es ein. Auf dem Bildschirm der Hinweis auf sechs verpasste Anrufe, einer vom Notrufdienst am Abend zuvor, die anderen von »Derek«. Ein Ehemann oder Freund, der sich fragte, wo sie steckte. Oder ein Sohn. Er schaltete das Gerät wieder aus und steckte es ein. Falls man bereits versuchte, das Telefon zu lokalisieren, würden sie jetzt einen Ping des Mastes in Prestonfield erhalten.

      An der Dalkeith Road verließ er den Bus und schlenderte an den wuchtigen Häusern der Blacket Avenue vorbei. Er wechselte zur Grange Loan, dann weiter rauf zum Dalrymple Crescent, dem Ort des ersten Bruchs vom Vorabend. Er atmete tief ein und aus, ging aber ganz normal weiter. Nur ein Teenager, der eine Straße hinunterging und Musik hörte, mehr nicht. Im Vorübergehen warf er einen Blick auf Hausnummer dreizehn. Kein Lebenszeichen, keinerlei Hinweis darauf, dass sie dort eingestiegen waren. Er dachte an die Polaroidkamera, die sich jetzt in Beans Schultasche befand. Er ging weiter, schluckte schwer, blinzelte. Wenn er die Augen schloss, spürte er den Schlafmangel, während gleichzeitig sein Adrenalinspiegel stieg, weil er wieder hier war.

      Er trottete am Dick Place entlang und an der Blackford Road, noch mehr luxuriöse Häuser mit Preisschildern jenseits der Million, der Bürgersteig überschattet von Baumkronen, die über hohe Mauern und dichte Hecken hinausragten. Er stellte sich die Menschen darin vor, wie sie in ihren Gartenhäusern saßen, sich in einem begehbaren Kleiderschrank etwas zum Anziehen heraussuchten, auf einem Home-Entertainment-System ein Autorennspiel zockten.

      Sein Herz blieb ihm im Hals stecken, als er die Whitehouse Loan hinaufging und die St. Margaret’s Road erreichte. Ohne Zögern bog er in die Straße ein. Man wusste nie, ob man von einer Überwachungskamera erfasst wurde, und jedes Herumlungern war verdächtig. Solange man aussah, als hätte man ein Ziel, konnte man praktisch alles tun. Er sah im Vorbeigehen verstohlen zu den Häusern hinüber, und erst jetzt fiel ihm auf, dass die Hausnummern auf der einen Straßenseite anstiegen – eins, zwei, drei – und auf der anderen dann wieder kleiner wurden. Es war eine winzige Straße mit gerade mal acht Häusern. Er ging noch mal in Gedanken durch, warum sie sich für keines der anderen entschieden hatten. Das eine besaß eine anscheinend erst kürzlich installierte Alarmanlage, ein anderes hatte zu wenig abschirmende Bäume und Autos in der Einfahrt, direkt vor dem dritten war eine Straßenlaterne.

      Dann war er auch schon auf Höhe von Nummer vier. Er ging minimal langsamer, nicht genug, um dadurch aufzufallen, aber doch ausreichend, um sich zu konzentrieren und mit großen Augen alles aufzunehmen. Er sah die beiden steinernen Torpfosten der Zufahrt, die Kletterpflanze an der Seitenwand, die ordentliche Garage direkt neben dem Haus, die weiße geschlossene Haustür. Er stellte sich vor, zu dieser Tür zu gehen und zu klingeln, sich irgendeinen Scheiß auszudenken von wegen Marktforschung oder Fenster verkaufen. Er stellte sich die Frau vor, die ihm die Tür aufmachte, ein Geschirrtuch in den Händen oder ein Glas Saft, wie sie ihn anlächelte und dankend ablehnte, dennoch ein freundlicher Blick in ihren Augen. Sie erkannte ihn nicht wieder, einfach, weil in der letzten Nacht überhaupt nichts passiert war. Sie war vom Sport zurückgekommen, hatte geduscht, sich ein Sandwich gemacht, vielleicht ein Glas Rotwein getrunken, war dann mit einem Buch ins Bett gegangen, wartete darauf, dass ihr Mann nach dem gemeinsamen Kneipenausflug des Büros, vor dem ihm gegraust hatte, nach Hause zurückkehrte.

      Dann erinnerte er sich wieder an die Schrotflinte unter dem Bett, an den Stapel Smartphones, die Geldklammer. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie blutüberströmt dalag.

      Er war zu diesem Zeitpunkt bereits um die Ecke, fast am Ende des Greenhill Place. Er beugte sich vor und kotzte hinter einen elektrischen Verteilerkasten an der Ecke, wischte sich den Mund ab und ging weiter.

      Wie benebelt setzte er seinen Weg fort, als hätte er keine Macht über seine Bewegungen. Er fand sich auf dem Strathearn Place wieder, dann Greenhill Gardens, Church Hill und schließlich Clinton Road, wobei die Häuser immer größer wurden. Er ging weiter, achtete dabei auf die Sicherheitsvorkehrungen der Gebäude. Es war heller Tag, und doch fühlte er sich unsichtbar, fast wie ein Geist, der durch die Leben reicher Leute wandert. Der Lieferjunge, der Uber-Fahrer, der Gebäudereiniger, der Handwerker, der Gärtner. Kein Teil dieser Welt, also wurde man ignoriert, bis sie einen brauchten.

      Es gab Häuser mit Türmchen und Türmen, zinnenartige Silhouetten, die an Burgen erinnerten. Es drängte ihn heftig, nicht mehr länger nur Beobachter zu sein, sondern etwas zu tun. Er erkannte dieses Gefühl, es überkam ihn nach jedem der nächtlichen Brüche. Seine Antennen kribbelten. Da war ein Haus, damit konnte er etwas anfangen. Keine Alarmanlage, alte Fenster und Türen, jede Menge Deckung. Er ging die Einfahrt hinauf, das Knirschen seiner Schritte wie Gewehrschüsse. Er erreichte die Haustür, überladene Musselin-Glasscheiben in massiver Eiche. Er klingelte mit zugeschnürter Kehle. Er schluckte schwer, bekam einen zugeschnürten Hals. Wartete. Klingelte wieder. Legte den Kopf schief und lauschte. Ein leises Blätterrascheln in den Birken. Er trat zwei Schritte zurück und schaute nach oben. Viktorianisch, mindestens fünf Schlafzimmer, das Mauerwerk unlängst gereinigt und neu verfugt. Mehrere Mansardenzimmer mit kleinen