Die Hegerkinder in der Lobau. Alois Theodor Sonnleitner

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Название Die Hegerkinder in der Lobau
Автор произведения Alois Theodor Sonnleitner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711570074



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konnten, tat sie in den gusseisernen Leimtopf, goss Wasser darauf und stellte den Topf in einen grösseren Topf mit Wasser. „So, Mutter, lass den Leim im Wasserbad heiss stehen, dass er zergeht und nit verbrennt. Die Kinder werden ihn bald brauchen.“ Dann suchte er drei ungefähr kleinfingerstarke Bohrer und brachte sie den Kindern: „Aber bohren müsst ihr erst, wenn die Hölzer verfalzt sind.“ Mit dem frohen Bewusstsein, dass die Kinder bei ihrem eifrigen Schaffen am besten aufgehoben waren, ging er wohlgemut seinem Dienste wieder nach.

      Als das Falzen und Einpassen der Hölzer an den Kopf- und Fussteilen geschehen war, knieten die drei Buben auf ihren Werkhölzern nieder, um sie gut in den Falzen zu halten, und begannen mit der harten Bohrarbeit, die ihnen den Schweiss auf die Stirnen trieb. Und so oft ein Loch fertig gebohrt war, wurde ein genau auf die Lochweite zugeschnitzelter Holznagel vorläufig leicht hineingesteckt. Dann erst kamen die starken Langhölzer an die Reihe, wobei Sepperl und Liesel haltend mithelfen mussten, da die Längenhölzer in die steilgestellten Kopf- und Fussstücke eingepasst und dann erst gebohrt werden mussten. Als ein Bettgestell richtig auf vier Beinen stand, rüttelte Bertel daran. „Es gogelt! — Zwei Streben an jeder Seit’ kunnten nit schaden.“ — Damit waren alle einverstanden. Und Bertel bezeichnete die Stellen, wo an den Ständern und Langhölzern schräge Falze eingeschnitten werden mussten zur Aufnahme der Stäbe, die Kopf- und Fussteil mit den Seiten gut im Winkel halten sollten. Als auch das zweite Bettgestell fertiggestellt worden war, wurden beide zerlegt und in die Dachstube hinaufgetragen. Dann brachte Liesel den Leimtopf im heissen Wasserbad. Und nun begann das Aneinanderleimen. Erst wurden die Falzflächen bestrichen, dann die Hölzer ineinander gepasst, dann jeder Holznagel in flüssigen Leim getunkt und mit dem Hammer eingetrieben. Als die Bettgestelle standen, schob Bertel eine grosse Kiste ans Fenster mit der Öffnung einwärts und stellte eine kleinere davor als Sitzgelegenheit. Jetzt hatte die bisher kahle Stube plötzlich das Aussehen eines bewohnten Raumes.

      Noch wollten die Gaminger Brüder Kristen zermachen, um die nötigen Querbretter zu gewinnen, die, den Längshölzern angelegt, die Strohsäcke tragen sollten. Da wehrte Bertel ab: „Nit anrühren! zwei Tag lang nit anrühren dürft ihr die Betten, bis der Leim steif ist.“ Von Aspern herüber tönte das Mittagläuten. Der Heger und sein Weib wurden zur Besichtigung der getanen Arbeit eingeladen. Und sie kargten nicht mit ihrem Lob. Den kleinen Zimm’rern und Tischlern, Maurern und Schmieden schmeckte das wohlverdiente Essen und dabei guckte eines dem andern vergnügt in die Augen: ,,Hab’ ich brav mit getan? han?“ Nichts bringt die Menschen einander näher, als einträchtige Arbeit, die wunderbar vonstatten geht, weil einer dem andern in die Hände arbeitet. Kein Kind sagte dem andern: „Ich hab’ dich lieb.“ Aber sie fühlten es alle, dass sie zusammengehörten als gute Arbeitsgemeinschaft.

      Am Nachmittag gab es noch genug zu tun. Die Wandbretter mit dreieckigen Trägern wurden getischlert und die zwei Kleiderrechen, die nichts andres waren, als hälftig gespaltene Rundhölzer, in die je fünf Holznägel eingeleimt waren. Das Anbringen starker Drahtschleifen und Wandhaken zum Hängen war wieder Franzels Arbeit. Er hatte eine unverkennbare Vorliebe für Metallarbeiten.

      In den nächsten zwei Tagen richteten die Knaben die Querbretter für die Bettböden zurecht und nagelten sie auf starke Langhölzer, die den unteren Querhölzern des Kopf- und des Fussendes aufliegen sollten. Dann bauten sie noch zwei dreibeinige Sitzstockerln, indem sie kurze dicke Bretter durchbohrten und zugespitzte Rundhölzer als Füsse einleimten. Liesel aber nähte aus alten Leinwandresten ein Tischtuch, damit die grosse Kiste einem Tische gleichsähe. Dann wurden die Bettrahmen mit den Tragbrettern belegt und die Strohsäcke und Polster herübergesiedelt. Franzel sprach das Bett zur Linken von der Tür als das seine an und hängte sein Wandbrett und den alten Wildererstutzen darüber. Sepperl suchte unter seinen Habseligkeiten ein Mariazellerbildchen heraus, das Maria mit dem Jesukinde vorstellte, und hängte es über sein Bett: „Was Heilig’s muass aa herin sein.“ Indes waren die Wände ganz trocken geworden, der Kalkanstrich war fleckenlos weiss und der Lehm-Estrich des Bodens war erhärtet. Nun hatten die Brüder ihre freundliche Dachkammer.

      Als sie zum erstenmal drin schliefen, hatten sie so recht das Gefühl, im Hegerhaus daheim zu sein. Sie hatten sich ja die Stube selber gebaut und eingerichtet, und Bertel und Liesel hatten ihnen geholfen. Es kam der Sonntag und alle vier Kinder verbrachten die meiste Zeit in der neuen Stube, mit dem Ausräumen, Begucken und Einräumen der Habseligkeiten Franzels und Sepperls beschäftigt. Und sie ergingen sich in Plänen, was sie noch alles basteln wollten, dass es im Dachstübchen recht lieb und freundlich werde. Franzel aber hatte seinen Wildererstutzen vorgenommen. Er putzte ihn und ölte das Schloss. Aber o weh! Der Hahn wollte nicht einschnappen. — Den Taschenfeitel setzte er als Schraubenzieher an und zerlegte das Schloss. Da fand er, dass die Stahlfeder im Innern fehlte. Wer mochte die weggetan haben? Niemand andrer als der Hegervater. Da nahm sich Franzel vor, das Schlosserhandwerk zu erlernen, um eine neue Stahlfeder in sein Flintenschloss einzusetzen.

      Der Steiger.

      Bald waren die vier Kinder aneinander gewöhnt und fühlten sich als Geschwister, als wär’ es immer so gewesen. Es zeigte sich aber, wie grundverschieden die beiden Gaminger waren. Der grössere und jüngere der beiden, der blonde Sepperl, schloss sich mehr an Liesel an, half ihr in der Küche und beim Spielen mit der Puppe und liess sich von ihr zum Stricken und Häkeln abrichten. Der kleinere, um ein Jahr ältere, dunkelhaarige Franzel aber wurde der Arbeits- und Spielgenoss Bertels, mit dem er die Stall- und Hausarbeiten erledigte und in der gewonnenen Musse die neue Heimat durchstreifte. Das Wasser hatte sich vom Auwald und von den Wiesen fast ganz in seine schilfumbuschten Rinnsale zurückgezogen. Nur der staubgraue Überzug von Ton, denes auf Gräsern und Baumrinden zurückgelassen hatte, verriet, wie weit die Überschwemmung gegangen war. Die grauen Wiesen machten einen trostlosen Eindruck. Franzel sagte es dem Pflegebruder unverhohlen, dass ihn die neue Umgebung anödete. Immer wieder verglich er das Auland mit seinem geliebten Gamsgebirge. Hier der fahle Rasen, in dem nur vereinzelt verblühte Schneeglöckchen standen, von Primeln und Leberblümchen keine Spur! Graurindige, kahle Bäume und alles flach, alles eben. Dort im Gamsgebirg fichtenbegrünte Berghöhen, darüber von Schneebändern gestreifte Steinwände, mit gleissenden Firnfeldern bedeckte Hochgipfel und Bergrücken; als Riese unter den Bergen der breite Ötscher, der „Hetscherlberg“ mit seinen geheimnisvollen Höhlen, dem Geldloch, dem Taubenloch, der Eishöhle. Hier Sumpfland und stille, schilfdurchsetzte Wasser, dort murmelnde, rauschende Bäche mit springenden Forellen. Die Erlaf gischtete zwischen den felsigen Tormäuern und Stierwaschmäuern. Und zur Erlaf rieselten plaudernde Quellbäche nieder, ungezählte! In die Erlaf ergoss sich die Treffling als weissstäubender Wassersturz. Ihr eilte die Lassing zu, die mit Getös von turmhoher Felsenkante hinunterdonnerte. Im Moose des Bergwaldbodens wuchsen grossblumige Schneerosen, die schon zu Weihnachten ihre Knospen durch den Schnee bohrten und dann lange fortblühten, erst blendend weiss, dann rötlich und zuletzt gar grünlich. Die sonnigen Steinhalden waren schon zu Ostern rot von blühenden Heideln und blutroten Schlüsselblümchen; und auf den Rasenbändern der Felswände sprosste das gelbe Petergstam, die Goldprimel, eine Verwandte der Schlüsselblumen, von denen sie sich durch die fleischigen ganzrandigen Blätter, die mehligen Blütenschäfte und durch ihren Duft unterscheidet; die Leute nannten sie „Gamsveigerl“, weil sie gar so lieb duftet; unten am Waldesrand gab es Leberblümchen, die meisten dunkelblau; auf der Gaminger Schlossleiten waren auch rote und weisse. Und hoch droben im Gefels standen äsende Gemsen, die einen Steinhagel niederprasseln machten, wenn sie flüchtig hinwegsetzten über die Geröllhalden.

      Wenn das Heimweh den Franzel so recht packte, suchte er den Bruder auf und stimmte mit ihm eines der Alpenlieder an, die sie in der Gaminger Schule gesungen hatten: das Holzknechtlied oder die Hahnbalz, ’s Almlüfterl oder den Almfrieden1 . Franzel sang die erste, Sepperl die zweite Stimme; leise begannen sie das Lied, liessen die Töne anschwellen und in stiller Wehmut verklingen:

      Pedergstam, fein wia Gold,

      Blüaht schon fruah unterm Schnee

      Almrausch und Enzian

      Drobn auf der Höh;

      Edlweiss, Sternderl feins,

      Bist’ leicht vom Himmel g’fall’n?

      Bist unter d’Blüamerln doh

      ’s