Die Hegerkinder in der Lobau. Alois Theodor Sonnleitner

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Название Die Hegerkinder in der Lobau
Автор произведения Alois Theodor Sonnleitner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711570074



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setzte er einen Breitmeissel an und schlug mit dem Hammer darauf, dass der Reifen zerschnitten wurde. So zerlegte er ihn geschickt in sechs Bänder von halber Armlänge. Diese erhitzte er in der Mitte und bog sie so um, dass jeder im Umbug einen federstieldicken Eisennagel umklammern konnte. Er glühte die aufeinandergelegten Hälften eines Bandes an, setzte den Nagel mit der Spitze darauf und schlug ein Loch durch beide Bandhälften. So brachte er in jedem der drei Bänder je drei durchgehende Löcher an. Zwei dieser Angelbänder wurden in der Nähe des oberen Randes der Tür, zwei unten an die Tür geschraubt, und zwar so, dass zwischen je zwei Bandbügen ein dritter Raum hatte. Das dritte Band aber wurde nach genauer Einpassung der Türe in den Rahmen so an den rechten Türständer angeschraubt, dass der Umbug als Nagelöse genau zwischen die Ösen der Türbänder passte. Dann steckte Bertel durch die oberen drei Ösen den Nagel und einen zweiten durch die unteren drei. Und jetzt war die Freude gross! Die Türe liess sich richtig in ihren Angeln drehen, sie ging auf und zu, auf und zu! — Das war eine Freud’!

      Nun aber galt es, die Türe verschliessbar zu machen, wenn auch nur, um dem Luftzug den Weg zu verlegen. Franzel kramte im Eisenvorrat des Hegers, fand aber keinen Riegel, keine Klinke, nichts, was zum Gebrauch fertig gewesen wäre. — Da half er sich mit einem Holzriegel: In eine zwei Spannen lange Latte aus Hartholz schnitt er auf einer Schmalseite seichte Kerbe ein. Er brachte an der Tür und am Eckständer winkelig gebogene Bänder an, zwischen denen und der Tür der Riegel leicht hin und her geschoben werden konnte. Eine Handbreite über der Mitte des Riegels bohrte er ein Loch in die Türe. Jetzt galt es, einen Haken herzustellen, der, von aussen durchs Loch gesteckt, den Riegel schieben sollte. Dazu taugte wohl ein rechtwinkelig gebogener starker Draht, den Franzel mit einer ringförmigen Handhabe versah. Mit dem so entstandenen Hakenschlüssel waren vom Loche aus die Zähne des Riegels erreichbar. Aber es ging nicht, wie der kleine Erfinder wollte. Zwar schob der Haken den Riegel einen Zahn weit, dann aber spielte er in der Luft. Nun beguckten die vier Kinder ziemlich ratlos das offenbar misslungene Schloss. „Jetzt stehn m’r da wie die Eseln am Berg,“1 meinte Bertel. Da griff Liesel nach dem Schlüsselhaken, zog ihn heraus, steckte ihn hinein und drehte ihn spielend herum. Und siehe da: Bei der zweiten Umdrehung schob er den zweiten Zahn, bei der dritten den dritten; und der Riegel bewegte sich weiter. Und ebenso liess er sich zurückschieben. Da gingen die drei Buben in die Kammer, um zu beobachten; und Liesel blieb draussen, um das Zu- und Aufsperren auszuproben. Der Riegel griff hinter den Eckständer, die Tür war verschlossen. Dann sperrte sie auf. „Es geht, es geht!“ riefen alle und freuten sich so, als wäre jeder einzelne der Erfinder des Schlosses gewesen. Das war ein Ereignis! Sie brauchten jemand, der ihre Freude teile. Da rief Liesel die Mutter herauf. Die musste alles liegen und stehen lassen und die Erfindung bewundern. Jetzt erst war das Dachstübchen fertig. Die Kinder zappelten schon darauf, es wohnlich einzurichten. Aber es musste noch geweisst werden. Da verdünnte Bertel gelöschten Kalk mit Seifenwasser, band den Maurerpinsel an eine lange Stange und begann damit die Wände zu streichen. Der erste Anstrich war nur ein fahriges Hin und Her von grauen Pinselstrichen; der Grund schimmerte durch. „Oajeh! häst es liaber lass en wia’s war,“ meinte Sepperl verächtlich. Bertel fuhr herum: „Siehst denn nit, dass das erst grundiert ist?“ Die Hegerin rief die Kinder zum Essen: „Werkleuť, kommts, heut’ gibt’s G’selcht’s mit Sauerkraut und Knödeln.“ Die Kinder stürmten die Stiege hinunter. Jetzt erst wussten sie, dass sie Hunger hatten. Vorher war es keinem eingefallen, dass diesmal das zweite Frühstück ausgeblieben war. Da kam auch schon der Heger heim und lobte, was die Kinder gearbeitet hatten. Beim Mittagessen sprach er wohlgelaunt den Pflegekindern seine Anerkennung aus: „Findig seids und d’ Arbeit g’freut euch; da is mir nit bang, dass ihr als richtige Gschaider in d’ Höh’ kommt.“ Bertel und Franzel nahmen die Arbeit früher auf als Liesel und Sepperl, die der Mutter zur Hand gingen. Als sie nach einer Weile den andern auf den Boden folgten, war der zweite Anstrich beinahe fertig. „So bleibt’s?“ fragte Sepperl, noch immer nicht zufrieden. „Schau dir’s in ein paar Tagen an, wann’s trocken is,“ versetzte Bertel etwas gekränkt. „Js ja ’s Malter drunter no feucht.“ Jetzt wurde alles aus der fertigen Stube geräumt, was an Werkzeugen und Geräten herumlag. Liesel fegte den Boden rein. Und die Brüder wollten schon mit ihren Strohsäcken einziehen. Da kam der Heger die Stiege herauf: „Vom Einzieh’n is noch lang ka Red’. Es is no zu viel Feuchtigkeit im Anwurf. Wollts doch nit krank werden?“ Dabei stocherte er mit der Stiefelspitze im brüchigen Lehmbelag des Bodens, dass der Staub aufflog. „Und so kann der Boden nit bleiben; sonst fressen euch die Flöh’!“ „Wie denn das?“ fragte Sepperl. „Aus’n Staub werden doch die Flöh’,“ belehrte ihn Franzel und dachte dabei: „Die Mutter hat’s g’sagt.“ Aber das Gedenken tat ihm so weh, dass er verstummte. „Es is was dran, was der Franzel sagt,“ erklärte der Heger. „In den Staub legen nämlich die Flöh’ ihre Eier.“

      Nachdenklich sahen alle den geringen Rest von Brettern an, der noch da war. „Zum Bretterboden langt’s nit,“ äusserte sich Bertel. „Und Zement wär’ jetzt schwer zu haben,“ sagte der Heger. — „Lahm tuats aa und er springt nit, wann m’r an kurzen Kuhmist drunter mischt. I hab’ zuag’schaut, wias beim Pichlbergbauern die Tenn herg’richt’ haben zum Haberndreschen,“ erklärte Franzel. „Dann gehn m’r ’s an,“ riet Bertel. Im selben Trog, der zum Mörtelanmachen gedient hatte, rührte er Lehm mit Wasser an, Sepperl und Franzel brachten in Kübeln Kuhfladen aus dem Stall und dann rührten alle vier Kinder mit Latten den dicklichen Brei sorgfältig durcheinander, bis er zähe und bindig wurde. Der Dachstubenboden wurde mit Wasser besprengt, der Lehmbrei schaffelweis darauf geschüttet, mit den Polierbretteln glattgestrichen, geschlagen und wieder geglättet, bis er schön eben war und fugenlos den Wänden anlag. Indessen war die Dämmerung angebrochen, das Tagwerk war zu Ende.

      Als die Hegerin mit der Zubereitung des Abendmahls beschäftigt war, sammelte sich alles im Lichtkreis der Lampe. Die Kinder unterhielten sich damit, die Hautporen ihrer Hände durch Bertels Vergrösserungsglas zu begucken. Huscherl, die Hauskatze, sass vor dem Alschenloch im Bereich der strahlenden Wärme. Neben ihr lag Treff; seine Augen folgten den Bewegungen der Hegerin; er war darauf gefasst, dass sie ihn wegjagte. Wieder hörte er sie schelten: „Müssts denn ausgerechnet grad mir im Weg sein, ihr Viecher?“ — Der Hund tat, als ginge ihn die Frage nichts an. Ab und zu kratzte er sich mit einer Hinterpfote, was ihm die Drohung eintrug: ,,I wer’ di glei’ stampern, du Flohbeutel, du.“ Dann nahm er wieder eine seiner Vorderpfoten ins Maul und biss daran herum. Das fiel dem Heger auf; er wendete sich zu seinem Buben: ,,Geh, Bertel, hol’ mir die Teersalbe aus dem Werkzeugkammerl; weisst die, mit der wir den alten Küon eingerieben haben; nimm auch das Petroleumkandel mit.“ Bertel brachte das Verlangte. Der Heger verdünnte die Salbe mit etwas Petroleum und begann dem Hunde damit die Pfoten zu bestreichen.

      „Beim Küon hat die Räude zwischen den Zehen angefangen. Da in den Hautfalten haben die Milben ihre beste Zuflucht gehabt.“ — „Wie schaun denn die Milben aus?“ fragte Liesel. — „Garstige, borstige, winzige Viecherln sind’s, viel, viel kleiner als die Flöh’; man kann s’ nur durch ein starkes Vergrösserungsglas sehn. In der Jagdzeitung sind s’ aufgezeichnet.“ — Der Heger brachte das Heft und schlug den Aufsatz über „Ungeziefer als Krankheitserreger“ auf. Brrr, wie hässlich waren da die vergrösserten Bilder der Krätzmilben, der Flöhe, der Flohlarven, der Federläuse! Da erinnerte sich Sepperl, dass der Heger gesagt hatte, die Flöhe legten ihre Eier in den Staub. Er verliess die Stube und brachte aus der Hundshütte eine Handvoll Strohzerreibsel und Staub; das gab er auf ein Stück Papier und rückte die Lampe heran. „Das ist aus der Hundshütten; da müssen Floheier drin sein.“ — Liesel hatte sich des Vergrösserungsglases bemächtigt, die anderen Kinder zappelten vor Ungeduld. Franzel aber sah schon mit freiem Auge gleich dreierlei. Eine erbsengrosse Zecke. „Der Zeck ist so dick, weil er sich sattgesoffen hat mit Blut vom armen Treff; und der da, der magere, ist noch hungrig. Und da ist ein Weberknecht, der ist tot, den hat der Treff zerdruckt.“ Der Heger schob das langbeinige Spinnentier aus dem Zerreibsel aufs reine Papier: „Der Weberknecht ist kein Ungeziefer. Der ist als guter Freund zum Treff in die Hütten gekommen. Der hat wollen die Milben wegfressen.“ — „Der is ja über und über voll rote Punkterln!“ rief Bertel und nahm der Liesel das Glas aus der Hand. „Und die roten Punkterln sind lebendig!“ Jetzt nahm der Heger das Glas. „Das sind ja lauter junge Samtmilben, ,Glücksspinnen‘ nennen s’ die Leut. Als Schmarotzer