Die Hegerkinder in der Lobau. Alois Theodor Sonnleitner

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Название Die Hegerkinder in der Lobau
Автор произведения Alois Theodor Sonnleitner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711570074



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Flöhen, so wie die Raupen die Jungen sind von den Schmetterlingen.“ Auch weissliche Kügelchen fanden sie im Staube, kleiner als Grieskörner. „Das sind die Floheier.“ Liesel war entsetzt. „Der arme Treff! Wie könnt’ mer ihm helfen von dem Ungeziefer?“ — Mach’ ihm die Hütten rein!“ gab der Vater zur Antwort. „Ausreiben?“ fragte Liesel. „Noch besser auskalten. Weisst, liebe Liesel, die Kalkmilch ist eine gar scharfe Lauge, die bringt das Ungeziefer um. Es gibt allerhand, von dem das Ungeziefer hinwerden muss. Da ist einmal die Seifenlauge, dann Teer, Karbol, Lysoform, Petroleum; aber übers Auskalten geht nix; das macht auch keinen üblen Geruch.“ — „Drum kalk’ ich ja auch den Hendeln die Legnester aus, dass die Milben nicht überhandnehmen,“ mengte sich die Mutter ins Gespräch. „Und ich streich’ doch in jedem Herbst die Obstbaumstämm’ mit Kalkmilch, damit die Ungeziefer-Eier und Puppen hin werden,“ bemerkte der Heger und holte zu einer Belehrung aus, wie er sie bei jeder Gelegenheit den Kindern zu geben pflegte. — Er hob das Vergrösserungsglas und begann: „Schaut euch einmal das Vergrösserungsglas an. Wer’s erfunden hat, weiss ich nicht. Geschliffen hat’s irgendein Glasschleifer in einer böhmischen Glasfabrik. Mit dem Glas habt ihr das winzige Ungeziefer gesehen, das ihr mit freiem Auge nicht hättet sehen können. Und jetzt wisst ihr, wie dem Hund zu helfen ist.“ „Ich kalk’ ihm die Hütten jede Woche einmal aus,“ unterbrach Bertel.

      „Die gelehrten Herren, die Doktoren und Professoren, die Naturforscher, haben, noch viel bessere Vergrösserungsgläser. Damit haben sie herausgebracht, was für winziges Ungeziefer auf Menschen und Tieren, ja sogar in ihnen lebt, und sie sind darauf gekommen, dass Menschen und Tiere vom Ungeziefer krank werden.“ — „Die Gelsen impfen den Leuten das Sumpffieber ein,“ warf Liesel dazwischen. „Ja,“ fuhr der Heger fort, „und Läus’, Flöh’, Milben, Wanzen, Fliegen, auch andre noch viel, viel kleinere Schmarotzer wandern von Kranken auf Gesunde und machen sie krank. Die Doktoren sagen: Sie infizieren die Gesunden mit der Krankheit. — Da hilft nix, als die Schmarotzer umbringen mit allerhand scharfen Mitteln; das heisst desinfizieren. Auf schmutzigen Händen, besonders im Schmutz unter den Fingernägeln gibt’s allerhand Schmarotzer und Gi fte, die Krankheiten erregen. —

      So mancher Mensch ist an Blutvergiftung

      gestorben, weil er sich ein Wimmerl aufgekratzt hat.“

      „Aha! jetzt versteh’ ich, warum der Oberlehrer

      agner s o scharf darauf schaut, dass die Kinder

      rein in die Schul’ kom- men,“ warf Liefel ein.

      „Erst vorgestern hat er einem zugesiedelten Buben

      mit Seife und Bürste die Händ’ gestriegelt, dass der

      geflennt hat. Und wenn ein Mädel Ungeziefer im

      Haar hat, ladet der Oberlehrer die Mutter vor; er

      duldet nicht, dass von einer die anderen das

      Ungeziefer kriegen könnten.“ — „Und jetzt verstehst du

      auch, liebe Liefel, warum wir jede Woche am

      Samstag die Wohnung gründlich rein machen,“

      sprach die Hegerin darein, ,, und warum ich als

      Mutter gar s o versessen bin auf eure Reinlichkeit.

      Die Reinlichkeit ist ja die halbe Gesundheit. — Jetzt

      aber ist’s genug

      mit dem Diskurs. Jetzt wird aufgedeckt zum Nachtmahl. — G’schwind, g’schwind die Händ’ waschen vorm Essen!“ Da knüllte Bertel das Papier mit dem durchforschten Staub zusammen und steckte es ins Herdfeuer.

      Während des Händewaschens mahnte Liesel den Franzel: „Seif’ die nur die Händ’ brav ein; hast ja g’hört, dass die Seif’ desinfiziert.“ —

      Nach dem Abendmahl aber trugen die Kinder die Hundshütte in die Mitte des Hofes, fegten alles alte Stroh samt dem Staube heraus und zündeten es an. Liesel wusch den Boden der Hütte mit Seifenwasser ab, rieb ihn trocken und machte dem Treff ein reines Bett von frischem Stroh. Morgen sollte die Hütte gekalkt werden.

      Als die Kinder in aller Frühe die Dachstube betraten, waren sie entzückt von dem freundlichen Raum. Da Bertel am Vorabend das Fenster geöffnet hatte, war die Luft frei durch den Raum gestrichen. Die Wände zeigten beim Trocknen grosse, lichte, gleichmässig weisse Flecke, und Sepperl hatte nichts mehr zu tadeln. — Wiewohl die Kinder wussten, dass die Dachkammer erst in einiger Zeit bezogen werden sollte, brannten sie doch schon darauf, dieselbe mit dem notwendigsten Gerät auszustatten, ehe der Weg nach Aspern wieder gangbar wurde und das Schulgehen einsetzte. Liesel aber bestand darauf, dass zuerst Treffs Hütte ausgekalkt wurde, damit sie trockne, während er mit dem Vater Dienst machte. Da taten sie ihr den Willen. Dann aber überlegten sie, was alles notwendig war; zwei Bettgestelle, ein Tischchen, zwei Sitzgelegenheiten, zwei Wandbretter, zwei Kleiderrechen und etwas zum Unterbringen der wenigen Wäsche. Aber an Brettern war schon Mangel, da mussten Rundhölzer dran. Davon gab es hinterm Haus einen grossen Vorrat, da der Heger das selbst geschlagene Holz frei hatte. Und Bertel wusste, dass er davon nehmen konnte, was nötig war. Nun suchte er zunächst armdicke, gut ausgetrocknete Rundhölzer hervor zur Herstellung der Bettgestelle, die wegen des kleinen Raumes nur 7 Dezimeter breit werden sollten. Auch brauchten sie nicht hoch zu sein, nur musste der Bettrost so angebracht werden, dass darunter hervorgewischt werden konnte. Mit dem Vormessen wartete Bertel nicht auf den Vater. Er bezeichnete zunächst die Schnittstellen für die meterhohen Ständer, dann für je zwei Querhölzer am Kopf- und Fussende und für je zwei Langhölzer von 2 Meter Länge. Er dachte voraus, dass Franzel und Sepperl die Betten benützen sollten, auch wenn sie schon grosse Männer geworden wären. Kaum hatte er die Schnittmarken mit dem Taschenmesser eingekerbt, als das Sägen um die Wette begann. Weil aber nur drei Sägen da waren, ging Liesel leer aus. Ihr blieb Zeit, die Frettchen zu füttern, die im Kuhstall ihre Wohnkiste hatten.

      Wenn drei Sägen zugleich arbeiten, geht es geschwind. Und in der Morgenkühle hat jeder Lust an hurtiger Bewegung, denn die hält warm. Ehe eine Stunde verging, lagen die 16 Hölzer zugeschnitten und so aneinandergereiht auf dem Erdboden, wie sie gefügt werden konnten. „Erstmüss’n m’r in die Ständer der Kopf- und Fussteile Querfalze einschneiden,“ begann Bertel seine Erklärung und zugleich das Anzeichnen mit dem Taschenmesser. „In jeden Ständer aussen auf der Schmalseite zwei Querfalze bis zur halben Dicke tief zum Einlassen der Breitenhölzer, dann einen Fuss hoch überm Boden je einen Querfalz zum Einlassen der Langhölzer.“ Das Ansägen der Falze besorgten Franzel und Sepperl. Zum Ausstemmen des Angesägten legte sich jeder Meissel und Hammer zurecht. Bertel schleppte die Hanselbank1 aus dem Schuppen, klemmte ein Breitenholz auf und zog mit dem zweigriffigen Schnitzmesser auf drei Seiten jedes Endes die Rundung ab, so dass es in der Dicke der Falzbreite rechtwinkelig gekantet in den Falz passen musste. Er fuhr fort, bis alle Breiten- und Längenhölzer gekantet waren. Von Liesel verlangte er, dass sie wieder Nägel zurichte. Da zeigte sich aber, dass viel zu wenig lange Nägel vorhanden waren. Es blieb also nichts übrig, als alles mit Holznägeln zu verbinden. Dazu taugte aber nur Eichenholz. Liesel musste aus dem Brennholzvorrat glattfaserige Scheitchen heraussuchen, die auf fingerlange Klötzchen zersägt werden sollten. Indessen war die Zeit des zweiten Frühstücks gekommen, die Hegerin rief die Kinder in die Küche. Sie war gerade beim ,,Schmalzauslassen“ und hatte das flüssige Fett von den Grieben gesiebt. „Heisse Grammeln aufs Brot!“ — „Meine Leibspeis’,“ liess sich Sepperl vernehmen und lachte übers ganze Gesicht. „Die meine aa, meine aa!“ scholl es von allen Seiten. Es schmeckte den Kindern so, dass sie sich darnach die Finger leckten.

      Die Reste der Brote in den Händen, kehrten sie auf ihren Werkplatz zurück. Als sie wieder in voller Arbeit waren, kam der Heger auf einen Sprung nach Hause. Auf der Schwelle trat ihm sein Weib entgegen: „Schau dir’s an, die Gaminger Buam, wia’s wurksen1 .“ — „Und dabei vergessen s’ ganz, dass’ no vorgestern arme Waserln waren. Es gibt nix Bessers gegen die Traurigkeit als arbeiten, schaffen.“ — Mit seinem Grammelbrot trat der Heger zu den jungen Werkleuten. Als er sah, dass Bertel die Eichenklötzchen in kleine Pflöcke zerspaltete und einen davon zu einem Holznagel zurechtschnitzte, nickte er: „Holznägel halten besser als eiserne,