Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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zum Tegernsee gefahren. In einem der Seerestaurants hatten sie gegessen und waren dann noch bei einem gu­ten Wein gleich sitzengeblieben.

      Es ging schon langsam auf zehn Uhr abends zu, als Dr. Bernau noch eine Flasche bestellen wollte.

      »Bitte, nicht mehr, Werner«, bat Vera. »Ich habe genug, und Sie sollten auch daran denken, daß Sie fahren müssen.«

      Nach kurzem Zögern gab Dr. Bernau der jungen Frau recht. »Also gut«, meinte er lächelnd. »Sie erlauben mir dann aber, daß ich mir einen Kaffee zugute kommen lasse.«

      Vera Solbach nickte nur.

      »Möchten Sie auch einen?« fragte Dr. Bernau.

      »Ja, denn der wird mir auch gut bekommen«, kam die Antwort.

      Dr. Bernau bestellte das Gewünschte, wartete, bis es serviert wurde und ergriff dann wieder das Wort. »Haben Sie einmal darüber nachgedacht, Vera?« fragte er.

      »Worüber?« Vera Solbach sah den Arzt erstaunt an.

      »Über diese Sache mit dem Feriencenter…«

      »Ja«, erwiderte die junge Frau.

      »Und?« fragte Dr. Bernau gespannt.

      »Was soll ich Ihnen dazu sagen, Werner?« Vera Solbachs Miene wurde nachdenklich. »Ich muß zugeben, daß Ihre Argumente gegen die Errichtung eines solchen Feriencenters stichhaltig sind«, fuhr sie fort. »Ich möchte auch nicht gern in einer Klinik liegen wollen, in deren unmittelbarer Nachbarschaft Menschenansammlungen sind, Kindergeschrei die Ruhe stört – von den Luftverunreinigungen durch Abgase und dem unvermeidlichen Lärm abfahrender oder ankommender Autos gar nicht zu sprechen. Aber trotz dieser Erkenntnis…«, sie zuckte mit den Schultern, »… könnte ich Ihnen nicht helfen.«

      »Doch«, widersprach Dr. Bernau. »Sie könnten.«

      »Wie denn?« verwunderte sich die Vermessungstechnikerin. »Soll ich etwa meine Arbeit niederlegen?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das geht nicht. Herr Strasser würde nicht einen Pfennig bezahlen. Ich bekäme nur dann das vereinbarte Honorar, wenn der Auftraggeber von sich aus die Vermessungsarbeiten einstellen läßt.«

      »Das verstehe ich«, räumte Dr. Bernau ein. Zwingend sah er die junge Frau an. »Sie könnten aber langsamer arbeiten und uns damit Zeit lassen, in der wir etwas unternehmen können, bevor die Bauerei da unten am See beginnt. Ich irre mich doch nicht, wenn ich annehme, daß erst alle Vermessungen abgeschlossen sein müssen…«

      »Das ist richtig«, fiel Vera dem Arzt ins Wort. »Herr Strasser wird meines Wissens die Kaufverträge mit der Gemeinde erst dann unterschreiben, wenn das Abschlußergebnis der Vermessungen seinen Vorstellungen entspricht.«

      »Na, das ist doch schon etwas«, meinte Dr. Bernau. »Wenn sich Ihre Vermessungsarbeit noch ein paar Tage hinzieht, dann könnte man noch diese und jene Möglichkeit ausschöpfen, um diesen Bebauungsplan des Bürgermeisters zum Scheitern zu bringen. Was sagen Sie dazu?«

      »Wissen Sie, was Sie da von mir verlangen, Werner?« fragte Vera Solbach.

      »Ich verlange das nicht von Ihnen«, verteidigte sich Dr. Bernau. »Ich kann Sie höchstenfalls nur darum bitten.«

      Sinnend sah die junge Frau den Arzt an. »Sie hängen wohl sehr an dieser Klinik, wie?« kam es leise über ihre Lippen.

      »Das kann man wohl sagen«, bestätigte Dr. Bernau.

      Sekundenlang war Schweigen zwischen den beiden. Sie sahen sich nur ruhig in die Augen. Vera Solbach war von der Einstellung des Arztes beeindruckt. Er mußte diese Klinik wirklich sehr gern haben, daß er sich so stark, so engagiert für ihre Interessen einsetzte und sich nicht scheute, ihr einen sogenannten passiven Widerstand gegen ihren Auftraggeber, dem Baulöwen Strasser, zuzumuten.

      »Sie sind plötzlich so nachdenklich«, brach Dr. Bernau schließlich das Schweigen.

      »Ich überlege nur, wie Ihnen beziehungsweise der Klinik geholfen werden könnte«, erwiderte Vera Solbach. »Vielleicht fällt mir bis morgen noch etwas ein.« Sie sah auf die Uhr. »Wollen wir?« fragte sie.

      »Schon?« Dr. Bernau schien enttäuscht zu sein.

      »Ja, denn für mich wird es Zeit zum Schlafen«, gab die junge Frau zurück. »Außerdem habe ich heute die Mitteilung bekommen, daß Herr Strasser, mein Auftraggeber also, morgen in Auefelden eintreffen wird. Vielleicht sogar schon heute abend. Jedenfalls wird er sicher einen Zwischenbericht von mir erwarten. Deshalb möchte ich morgen auch vollkommen ausgeruht sein.«

      »Ich verstehe.« Dr. Bernau winkte dem Kellner und bezahlte die Rechnung. Wenig später fuhr er, Vera an seiner Seite, nach Auefelden zurück.

      »Danke für den Abend, Werner«, sagte Vera Solbach, als der Wagen vor dem GOLDENEN OCHSEN stand. »Sie sind ein sehr netter Mann, und ich glaube auch, ein guter, verständnisvoller Arzt. Ihrer Behandlung würde ich mich bedenkenlos anvertrauen.«

      »Das haben Sie schön gesagt, Vera.« Dr. Bernau hatte plötzlich den Wunsch, diese Frau in die Arme zu nehmen und sie zu küssen. »Ich möchte gern…«, setzte er zum Sprechen an, wurde aber von Vera sofort unterbrochen.

      »Pssst, ich weiß, was Sie möchten, Werner«, sagte sie lächelnd und neigte sich mehr dem Arzt zu. »Ich mag Sie auch«, setzte sie flüsternd hinzu, und ehe sich’s Dr. Bernau versah, fühlte er Veras warme Lippen auf seinem Mund.

      Dabei hatte er vorhin etwas ganz anderes sagen wollen.

      Es wurde kein langer oder gar leidenschaftlicher Kuß.

      Er war eher sanft, zärtlich. So spontan dieser Kuß gekommen war, so hastig aber machte Vera einen Rückzieher.

      »Genug für heute«, flüsterte sie. Ihre Augen lächelten. »Du darfst nicht unbescheiden sein, Werner.« Im nächsten Augenblick drückte sie die Tür auf und stieg aus.

      »Ich freue mich, daß es dich gibt, Vera«, sagte Dr. Bernau. Seine Stimme klang ein wenig heiser. Er wollte aussteigen, aber Veras Zuruf hinderte ihn daran.

      »Bleib sitzen und fahr los!« sagte sie. »Ich möchte dir nachwinken.«

      »Gute Nacht, Vera.« Dr. Bernau startete den Motor, und Vera drückte die Tür zu. Sie blieb neben dem Bürgersteig stehen und winkte dem davonfahrenden Wagen nach, bis dessen Schlußlichter aus ihrem Blickfeld verschwunden waren. Dann erst ging sie in den Hotel-Gasthof und ließ sich den Schlüssel zu ihrem Zimmer aushändigen.

      »Da ist eine Nachricht für Sie, Frau Solbach.« Der junge Mann hinter dem Rezeptionstresen griff nach einem Zettel. »Herr Strasser möchte morgen nach dem Frühstück mit Frau Solbach sprechen«, las er laut vor.

      »Herr Strasser ist schon hier?« fragte Vera.

      »Ja, er ist heute abend mit seiner Frau gekommen.«

      »Aha.« Vera nahm den Schlüssel. »Ich werde Herrn Strasser morgen sicher beim Frühstück sehen«, sagte sie und schritt zur Treppe.

      »Gute Nacht, Frau Solbach«, fiel der junge Mann.

      Vera drehte sich um und lächelte verlegen. »Entschuldigen Sie. – Gute Nacht«, wünschte sie und ging nach oben.

      *

      Als Vera Solbach am nächsten Morgen ins Frühstückszimmer kam, war ihr Auftraggeber bereits da. Sie erkannte ihn sofort, obwohl sie ihn nur ein einziges mal gesehen hatte. Er war aber nicht allein. An seinem Tisch saß eine schwarzhaarige Frau, die mindestens 10 Jahre jünger war als er. Sie war ein wenig mollig, sah aber sonst ganz gut aus. Unwillkürlich fragte sich Vera, ob das vielleicht die Ehefrau Strassers war. Ein unbestimmtes Gefühl aber sagte ihr, daß das nicht der Fall war. Nun, es geht mich nichts an, dachte sie und schritt auf den Tisch zu.

      »Ah, da sind Sie ja, Frau Solbach«, wurde sie auch schon von dem Bauunternehmer jovial begrüßt. »Setzen Sie sich doch zu uns!« Einladend deutete er auf einen Stuhl an seiner linken Seite.

      »Guten Morgen«, grüßte Vera, ohne auf die Einladung