Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman. Britta Winckler

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Название Die Klinik am See Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Britta Winckler
Жанр Языкознание
Серия Die Klinik am See Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939724



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      »Das eilt nicht«, erwiderte die Vermessungstechnikerin. »Erörtern wir zuerst das Geschäftliche.«

      »Wie Sie meinen«, brummte An­dreas Strasser, trank noch einen Schluck Kaffee und kam dann zur Sache. »Meine Frage ist kurz, Frau Solbach«, sprach er die vor dem Tisch stehengebliebene junge Frau direkt an. »Wie weit sind Sie mit den Vermessungsarbeiten?«

      »Ich bin mitten drin, Herr Strasser.«

      »Das sagt mir nicht viel«, entgegnete der Bauunternehmer. »Mich interessiert, wann ich die endgültigen Berichte bekommen kann. Für mich ist das deshalb wichtig, weil ich vorher nicht den Kaufvertrag für das Land da unten am See unterschreiben will. Man kauft schließlich nicht die Katze im Sack. Das verstehen Sie doch.«

      »Gewiß, Herr Strasser«, antwortete Vera Solbach. »Tja, zu Ihrer Frage: einige Tage wird es schon noch dauern«, erklärte sie. »Es ist ein ziemlich großes Gelände, wenn man den Kiefernwald dazurechnet. Schließlich müssen die Vermessungsergebnisse ja auch noch entsprechend Ihren Wünschen ausgewertet und skizziert werden.«

      Andreas Strasser winkte ungeduldig ab. »Wieviel Tage also noch?« fragte er barsch.

      Vera Solbach überlegte kurz. »Ich denke, daß Sie in spätestens sechs Tagen alle Berechnungen und die dazugehörenden Unterlagen bekommen können«, sagte sie dann.

      »Geht es nicht früher?« Andreas Strasser sah die Vermessungstechnikerin zwingend an. »Schaffen Sie es früher und ich erhöhe Ihr Honorar um ein paar Scheinchen.«

      »Das ist nicht Sache des Geldes, Herr Strasser«, gab Vera Solbach zurück. »Solche Vermessungen beanspruchen eben ihre Zeit, wenn sie genau und präzise durchgeführt werden sollen. Das aber möchten Sie doch. Oder?«

      »Das will ich meinen«, kam es polternd über die Lippen des Bauunternehmers. »Na, seh’n Sie mal zu, daß sie es schon ein oder zwei Tage früher schaffen. Ich bleibe jedenfalls so lange hier in Auefelden, hier in diesem Gasthof. Sie können mich jederzeit erreichen, falls es Probleme geben sollte.«

      »In Ordnung, Herr Strasser.« Vera sah damit diese kurze Besprechung für beendet an. »Sie entschuldigen mich jetzt bitte«, sagte sie und drehte sich um, weil auch sie jetzt frühstücken wollte.

      »So, das wäre erledigt«, wandte sich Andreas Strasser an seine Begleiterin. »Jetzt frühstücken wir gemütlich weiter, und dann, liebe Gisi, fahren wir eine Tour durch die Umgebung.«

      »Bitte nenn mich nicht immer Gisi«, verlangte die schwarzhaarige Frau. »Du weißt, daß ich diese Art der Verniedlichung nicht leiden kann. Ich heiße Gisela, und so möchte ich auch genannt werden.«

      »Aber was ist denn…«

      »Ich bin noch nicht fertig, An­dreas«, fiel Gisela Karner dem Mann, der seit einem halben Jahr ihr Freund und Geliebter war, ins Wort. »Ich möchte gern wissen, weshalb du mich in der Anmeldung als deine Frau angegeben hast.«

      Ärgerlich blitzte es in Strassers Augen auf. »Verstehst du denn nicht, daß das besser ist?« fragte er. »Nicht auszudenken, wenn meine Frau erfahren würde, daß ich mit einem Fräulein Gisela Karner hier abgestiegen bin. Das gäbe einen Skandal, der…« Er sprach nicht weiter, denn er wußte, was dann die Folge wäre. Er kannte seine Frau. Sie würde nicht zögern und sofort die Scheidung einreichen. Das aber wäre eine Katastrophe, denn er würde dann mit nichts dastehen. Die Baufirma und das Firmenvermögen samt den privaten Geldern – es gehörte alles seiner Frau. Er würde bei einer Scheidung nichts bekommen. Diesen Umstand hatte er allerdings Gisela verschwiegen, als sie seine Freundin geworden war.

      »Nein, das verstehe ich nicht ganz«, gab Gisela Antwort. »Da du ohnehin die Absicht hast, dich von deiner Frau in Kürze zu trennen, weil ich deine Frau werden soll, da spielt das doch jetzt keine so große Rolle mehr, wenn du mit deiner Freundin und zukünftigen Frau in einem Hotel absteigst. Oder?«

      Andreas Strassers Züge verhärteten sich. »Liebe Gisela, ich mag dich sehr, das weißt du«, erwiderte er mit gepreßter Stimme. »Ich möchte auch, daß wir immer zusammenbleiben… hm… zusammenkommen können, so oft das nur möglich ist. Doch eine Trennung von meiner Frau und Wiederheirat sind nicht so einfach.«

      Über Gisela Karners Züge legte sich ein Schatten. »Vor zwei, drei Monaten hast du ganz anders gesprochen, Andreas«, beklagte sie sich. »Jedenfalls so, daß ich annehmen konnte, ich würde in Kürze deine Frau werden. Und ich werde es gern, denn ich bin deine Freundin geworden, weil ich dich sehr gern habe.«

      »Daß ihr Frauen immer gleich vom Heiraten redet«, entgegnete Andreas Strasser. »Als ob von so einem Stück Papier die Seligkeit abhängen würde…«

      »Nun, zumindest eine gewisse Sicherheit für uns«, unterbrach Gisela Karner ihren Freund. »Das mußt du auch verstehen.«

      »Wir können doch auch ohne Trauschein glücklich miteinander sein«, versuchte der Bauunternehmer zu argumentieren.

      »Als deine Freundin und Geliebte vielleicht, die immer im Schatten deiner Frau stehen wird?« Gisela Karner schüttelte den Kopf. »Nein, Andreas, so nicht. Außerdem…«, fest sah sie den Mann an, »… möchte ich nicht, daß… daß… unser Kind unehelich zur Welt kommt.« Es war nicht ihre Absicht gewesen, das jetzt beim Frühstück zur Sprache zu bringen und den nichtsahnenden Andreas damit zu überrumpeln. Sie wußte schon seit einiger Zeit, daß sie schwanger war, hatte es aber Andreas bisher nicht sagen wollen. Nun aber war es ihr herausgerutscht. Vielleicht deshalb, weil sie an seinen Äußerungen gemerkt hatte, daß er es mit einem gemeinsamen Leben als getraute Eheleute plötzlich nicht mehr ernst zu meinen schien. Die nächsten Worte und Sätze des Freundes und Geliebten bestätigten nur ihre Annahme.

      »Was faselst du da von unserem Kind?« fragte Andreas Strasser mit heiserer Stimme. Sein Gesicht lief dunkelrot an, und seine Augen schossen Blitze. »Das… das… darf doch nicht wahr sein«, preßte er hervor.

      »Es ist aber wahr, Andreas«, bestätigte die junge Frau.

      Hinter der Stirn des Bauunternehmers überschlugen sich die Gedanken. Er sah die Katastrophe auf sich zukommen. Wie immer er es auch anstellen mochte – seine Frau würde es erfahren. Was dann folgte, wußte er. Er würde bettelarm dastehen, denn das verzieh ihm seine Frau nie. »Seit wann weißt du es?« fuhr er Gisela an.

      »Wenn du wissen willst, im wievielten Monat ich schwanger bin – Anfang des dritten«, antwortete die Frau.

      »Das… das… darf nicht sein«, kam es stockend über Andreas Strassers Lippen. »Du darfst das Kind nicht zur Welt bringen«, zischte er. »Du mußt es wegmachen lassen!«

      Gisela Karner zuckte zusammen. »Das ist doch nicht dein Ernst«, brachte sie hervor.

      »Doch, damit ist es mir sogar sehr ernst«, versicherte Andreas Strasser. »Das wäre nicht nur das Ende unserer beider Beziehung, sondern es würde auch zu einem Skandal führen, der mich bettelarm machen würde.«

      »Weshalb das?« wunderte sich die Frau.

      »Weil alles, was ich habe – Firma und Geld – meiner Frau gehört«, erwiderte Andreas Strasser. Es klang wie das bösartige Knurren eines gereizten Hundes. »Meine Frau würde sich unverzüglich scheiden lassen, und ich bekäme nichts.«

      In Gisela Karners Innern zerbrach in diesen Sekunden etwas. Es tat weh, erfahren zu müssen, daß der Mann, dessen Geliebte sie aus wirklicher und ehrlicher Zuneigung geworden war, ihr die ganze Zeit etwas vorgemacht hatte. Es war nie seine Absicht gewesen, sich ihretwegen von seiner Frau scheiden zu lassen. Seine letzten Worte brachten das sehr deutlich zum Ausdruck. Es war nicht der Mann, der auf Geld, Einfluß und Macht verzichtete. Sie war eben nur ein angenehmer Zeitvertreib für ihn gewesen. Möglich, daß er anfangs auch so etwas wie Liebe, Zuneigung, zu ihr empfunden hatte – sie dachte an die vielen leidenschaftlichen Stunden mit ihm zusammen in dem kleinen Ap­partement, das er ihr am Stadtrand von München mit allem drum und dran geschenkt hatte – doch jetzt zeigte es sich, daß seine Gefühle für sie dieser neuen Belastung nicht gewachsen waren. Das war bitter. Andreas ging es in erster Linie um sein Wohlergehen