Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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      Einer aus der langen Kette jener Herren, denen er während seiner nun fast zwanzig Dienstjahre schon aus manch vertrackter Situation geholfen hatte, nannte ihn einmal scherzhaft seinen >kleinen Störtebecker<, was bei dessen Verbundenheit mit dem hanseatischen Raum höchste Wertschätzung ausdrückte.

      Nein, Ministerialdirektor Johann Riechmann kann nicht als Muster für deutsche Beamtenkarikaturen herhalten. Dazu hat er zu wenig mit seinen sonstigen Bonner Kollegen gemein.

      Sein jetziger Chef meint, er hätte einen typischen >Vigilantenblick<. Womit er sich auf seine Weise dem Urteil des Vorgängers im Amte anschließt.

      Zwar ist er, und damit entspräche er schon der landläufigen Vorstellung deutschen Beamtentums, immer ein loyaler Diener seiner wechselnden Chefs gewesen, aber seine Kollegen im Bundeskanzleramt distanzieren sich von Riechmanns dienstlichen und außerdienstlichen Aktivitäten entschieden. Sie meiden den drahtigen Sonderberater und missgönnen ihm seine relative Unabhängigkeit und seine Nähe zum Amtschef.

      Der Ministerialdirektor, wie immer braungebrannt und in amtsunüblichen Schick gekleidet, beriet sich nach dem gestrigen Anruf des Düsseldorfer Innenministers unverzüglich mit dem Staatssekretär. Beide beschlossen, den Chef aus dieser Sache herauszuhalten und eine Lösung des Problems auf einer anderen Schiene zu erreichen.

      »Eins ist sonnenklar«, hatte der Staatssekretär dem Ministerialdirektor zugestimmt, »ein Anschlag auf den zukünftigen König von England darf hier nicht stattfinden. Um keinen Preis! Und wenn das mit polizeilichen Mitteln nach Lage der Dinge nicht hundertprozentig auszuschließen ist, dann müssen wir eben Ihre bewährten Kontakte nutzen. Es versteht sich von selbst, dass der Chef von Ihren Aktivitäten nichts weiß. Aber wem sage ich das!«

      Nein, das brauchte man Johann Riechmann wahrlich nicht zu sagen. Seine bisherigen Aufgaben, egal ob sie ihn nach Südafrika, Mittelamerika, in den arabischen Raum oder nach Ostberlin geführt hatten, waren von ihm stets ohne schriftliche Vorgaben oder ausdrückliches Wissen des Amtschefs erledigt worden. Zur Zufriedenheit erledigt worden!

      Am Abend hatte der Ministerialdirektor dann also wieder einmal nach seinem kleinen schwarzen Lederbuch, von dem es eine genaue Kopie in einem Schweizer Bankschließfach gibt, gegriffen und eine Nummer in Washington D.C. angewählt.

      Bei dieser Telefonnummer handelte es sich um eine Direktverbindung zum Schreibtisch des amerikanischen Rechtsanwaltes James D. Otis. Mr. Otis gehört zu den einunddreißig Associates der bekannten Anwaltskanzlei John Senior Associates, die in unmittelbarer Nachbarschaft diverser Regierungsgebäude auf der South West Capitol Street in nahezu drei Etagen eines modernen Büroblocks residiert.

      Aber Rechtsanwalt Otis ist daneben - und darum steht seine Telefonnummer in dem kleinen schwarzen Buch des Bonner Ministerialdirektors - Mitglied des Aufsichtsrates der New Yorker Firmengruppe Trans World Consultants Inc., an den Börsen der westlichen Welt kurz TWC genannt!

      *

      Ausnahmslos alle Anwesenden im Besprechungszimmer des mit dem Dom konkurrierenden Baus am Kölner Waidmarkt fühlen sich unwohl an diesem bewölkten Oktobertag. Benedict sitzt verkrampft zwischen den Kölner Kollegen, deren Blicke nicht gerade freundlich sind und es auch früher nie waren. Aber so wie heute? Auf gute Zusammenarbeit! »Macht ihr Witze mit uns?«, hatte der Kölner K-Leiter gemeint, als er die lange Adressenliste sah.

      Die Gemüter beruhigten sich auch nicht wesentlich, nachdem der Düsseldorfer ISAT-Chef von der zusätzlichen Bereitstellung eines Kontingents der Verfassungsschützer aus der Barthelstraße berichten konnte. Immerhin würden die zwanzig zusätzlichen Beamten die Durchführung der Überprüfungen etwas erleichtern.

      Die drei ausländischen ISAT-Kollegen verfolgen mit wachsendem Interesse den passiven Widerstand der Kölner, wenn ihnen auch dessen Hintergründe nicht klar sind.

      In diesem besonderen Fall kann Benedict seine Kölner Brüder im Amte durchaus verstehen. Wahrscheinlich ist deren Personalsituation ähnlich desolat wie die in Düsseldorf. Dazu kommt der ständige Druck von oben und von der allgegenwärtigen Presse. Und jetzt auch noch diese Sonderaufgabe auf allerhöchste Anweisung. Er möchte den sehen, der sich da nicht auf die Hinterbeine stellt.

      Den größten Affront aber hebt sich Hauptkommissar Benedict für den Schluss auf:

      »Die Beamten der Schmitz-Kommission haben unverzüglich und direkt an mich oder meine drei Kollegen in der ISAT-Zentrale in Düsseldorf zu berichten!«

      Unter den angespannten Gesichtshäuten der Kölner toben mühsam unterdrückte Proteststürme. Dennoch beginnen Punkt 12 Uhr die achtundneunzig, von allen möglichen Dienststellen zusammengebettelten Beamten der Schmitz-Kommission mit ihrer Sisyphusarbeit.

      Wenn die wüssten, denkt Benedict mit schlechtem Gewissen, als er den Dienstwagen am Ford-Gelände vorbei auf die Süd-Autobahn nach Düsseldorf lenkt. Wenn die wüssten!

      Der Beliebtheitsgrad des Leiters der Düsseldorfer Mordkommission auf der nach unten offenen Kölner Freundschaftsskala hat an diesem kühlen Donnerstag seinen bis dato niedrigsten Wert erreicht.

      *

      Am Freitagmittag treffen die Einheiten aus Paderborn und Detmold zum Wochenendbiwak mit Übungsschießen auf dem englischen Truppenübungsplatz Sennelager ein.

      Schon um 15 Uhr mahlen dann die riesigen Challenger-Panzer der 5th Inniskilling Dragoon Guards mit klirrenden Ketten ihre Dinosaurierspuren in den tausendmal zerpflügten Heidesand. Hinter und zwischen den mattgrünen Stahlkolossen stürmen abgesessene Panzergrenadiere unter Feuerstößen und markigem Feldgeschrei einem unsichtbaren Feind entgegen. Schwarze Pulverschwaden und graue Nebel legen sich über die verschlissene Landschaft.

      Von der weiter entfernten Exercise Range Blue wummern in regelmäßigen Abständen die dröhnenden Abschüsse aus den 155-mm-Howitzer-Geschützen des Royal Artillery Corps.

      Auch in dem kleinen Waldstück am Rande des militärischen Groß-Übungsgeländes, da, wo Schilder mit der Aufschrift >Militärischer Sperrbezirk!< taube Ahnungslose am Pilzesuchen hindern sollen, knallt es ab und zu in den Büschen. Aber diese Schüsse aus automatischen Waffen gehen im dumpfen Trommeln der gewaltigen Kriegsmaschinerie auf dem Hauptgefechtsfeld unter.

      Hier im Schutz des geräuschvollen Manövers erproben die drei IRA-Kämpfer mit dem wichtigsten Auftrag ihres Lebens die Funktion und Genauigkeit der vom Palästinensischen Generalkommando gelieferten Waffen und Geräte.

      General Munroe ist sich des Risikos dieser Übung voll bewusst. Dennoch ist ihnen nichts anderes übriggeblieben. Sie hatten ergebnislos mehrere Tage lang die weitere Umgebung von Düsseldorf abgefahren, um ein Gelände zu finden, wo der Waffeneinsatz möglich wäre, ohne gleich Neugierige oder Polizisten auf den Plan zu rufen. Aber in den dicht besiedelten Gebieten Westdeutschlands gab es keinen Fleck, den nicht Jogger oder Spaziergänger auf der Suche nach Ruhe oder Fitness heimsuchten. Und das Desaster der RAF-Leute, die einmal während eines Übungsschießens in einem Stadtwald aufgeflogen waren, zwang Munroe zu anderen Überlegungen.

      So wählten sie das Naheliegendste, wenn auch weiter Entfernte. An diesem Platz, den die Feinde schon seit Jahren mit dem ohrenbetäubenden Lärm ihrer Unterdrückungsmaschinerie erfüllten, würden sie ihre eigenen Übungen ziemlich unbemerkt durchführen können.

      Munroe muss trotz der Anspannung lächeln.

      Wie hatte Seamus O’Brien, der raubeinige Instrukteur aus Derry, vor langer Zeit während der ersten Ausbildungseinheit gesagt? Haltet euch immer genau da auf, wo euch der Feind am wenigsten vermutet!

      Nein, hier würde man das SASU wirklich nicht vermuten.

      Spät abends, nach der erfolgreich abgeschlossenen Übung, übergibt Munroe