Mia und der Erbe des Highlanders. Morag McAdams

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Название Mia und der Erbe des Highlanders
Автор произведения Morag McAdams
Жанр Языкознание
Серия Ian McLaren - der Berserker
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958131972



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Besucher waren im Kilt erschienen, doch das Fehlen dieser traditionellen Kleidung unter der Gruppe, mit der sie angereist war, fiel ihr erst jetzt auf.

      »1845!« Mildred beugte sich nach vorne, um an Zorro vorbei zu Mia zu schauen. Sie zwang sich zu lächeln.

      Mit jedem Schritt wurde sie unruhiger. Wo blieb Fred nur? Doch Zorro zog sie unaufhaltsam weiter, weg von dem mit schwarzen Stoffbahnen ausstaffierten Zelt, bei dem Fred verschwunden war. Mia hatte sich nie für jemanden gehalten, der ohne seine zweite Hälfte nicht gut leben konnte, doch hier in der fremden Stadt unter den seltsam gekleideten Menschen wurde ihr mulmig zumute. Ihr Herz klopfte bis zum Hals und sie folgte Zorros Führung zögerlich. Als er jedoch vor einem großen Platz anhielt, auf dem viele Pavillons standen, stockte ihr der Atem aus einem ganz anderen Grund.

      Ein Schloss überragte die weißen Unterstände, erhob sich mit Zinnen und Erkern über drei Geschosse in den strahlend blauen Himmel. Der vordere Teil war eindeutig älter als die in Gelb gehaltenen Mauern, die ihn überragten und dem Bauwerk zu seiner imposanten Größe verhalfen. In den Fenstern und auf den Dächern spiegelte sich das Sonnenlicht. Es war ein Bild wie aus einem Märchenbuch.

      »Wow!«, entfuhr es ihr.

      »Schön, nicht wahr?« Mildred hörte man die Begeisterung an. Mit vielen Gesten und leuchtenden Augen begann sie, von der Geschichte von Donnahew Castle zu erzählen. Dabei erfuhr Mia auch, dass Mildred schon als kleines Mädchen an dem Festival teilgenommen hatte. Ihre Eltern hatten sie mitgenommen und nun hoffte sie, Zorro dafür begeistern zu können, auch im nächsten Jahr mitzukommen.

      Die Burg, die die malerische Kulisse für das Gedenkfest des Industrialisierungsbeginns bildete, war bereits am Anfang des vergangenen Jahrtausends erbaut worden. In dieser Zeit hatte noch der Clan der McLarens über ein Gebiet geherrscht, das so viel Fläche umfasste, dass der Clanchief der Legende nach achtmal das Pferd wechseln musste, bevor er jedem seiner Dörfer auf einer Rundreise einen Besuch abgestattet hatte. Mia hatte sich Zweifel über die Qualität der Reittiere erlaubt, Mildred jedoch nicht unterbrochen. Die Jugendliche erzählte so eifrig, dass sie jeden Einwand vermutlich gekonnt überhört hätte. Dabei erfuhr sie auch, dass jeder Nachfahre der McLarens, der Oberhaupt des Clans wurde, automatisch den Beinamen »der Berserker« erhielt, ob er ein guter oder verwegener Kämpfer war oder nicht. Einer dieser Berserker hatte im achtzehnten Jahrhundert die Erdwälle hinter den Befestigungsmauern begradigen und einen großen Anbau vornehmen lassen, der in einem Schlossgarten endete. Es war derselbe Chief, der den Familiennamen McLaren zurück nach Donnahew Castle gebracht hatte. Er war angeblich ein Nachfahre eines Cousins des zweiten Berserkers, Ian McLaren, gewesen. Durch Erbstreitigkeiten und nach den Wirren mehrerer Kriege und Aufstände wurden die Ländereien schließlich aufgeteilt, und so kam es, dass der letzte der McLarens arm und kinderlos starb.

      Mittlerweile waren in dem Prachtbau, vor dem mehrere Fahnen flatterten, Teile der Kommunalverwaltung untergebracht. Die Mauern, die einst den Innenhof umschlossen hatten, waren nur noch an wenigen Stellen erhalten.

      »Warum hat man kein Hotel daraus gemacht?«

      »Weil Frederick McLaren testamentarisch verfügt hat, dass Donnahew Castle den Bürgern zustehen sollte.« Unbemerkt war Fred wieder erschienen. »Es ist eigentlich eine tragische Geschichte. Der letzte Clanchief hatte vor seinem Amtsantritt eine Bürgerliche heiraten wollen. Aus Gram über seine verbotene Liebe hatte er erst im hohen Alter Emilia von Battenberg, eine Deutsche, zur Frau genommen. Sie starb bei der Geburt ihres einzigen Kindes und auch die kleine Prinzessin überlebte nicht. Man munkelt zwar, dass es einen illegitimen Erben gegeben hätte, doch niemand hat damals Anspruch auf das Land und den Titel erhoben.«

      Mia wäre ihm vor Erleichterung über seine Rückkehr beinahe um den Hals gefallen. Gleichzeitig wurde sie wütend, weil er sie so unvermittelt und lange alleingelassen hatte. Also beließ sie es bei einem Lächeln und der unausgesprochenen Gewissheit, dass sie ihm darüber noch einiges zu sagen hatte. Fred hatte den Anstand, geknickt auszusehen.

      »Die Stadt verwirklichte in einem Anfall von Patriotismus Frederick McLarens Willen.« Er zuckte mit den Schultern, als sei es ihm egal, doch Mia wusste, wie gern er es sähe, wenn Donnahew Castle vollkommen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt würde. Er hatte ihr schon viel von dem Gebäude erzählt und Mia hatte nicht erwartet, dass ihr erster Eindruck tatsächlich so überwältigend wäre. Möglicherweise lag es am Flair des Festes, doch vor ihrem inneren Auge sah sie Konzerte, Ausstellungen und eine alte Bibliothek, die für Interessierte offenstand. Sie fragte sich, wie Donnahew Castle von innen aussah und wie viel Schaden die öffentliche Hand durch die Nutzung der Räume angerichtet hatte. Verstehend drückte sie Freds Arm und nahm sich vor, seine Begeisterung für seine Heimatstadt nicht länger zu belächeln.

      Am Rand des pavillonbedeckten Platzes sammelten sich die Damen und Herren. Marion scheuchte die Gruppe hin und her, bis klar wurde, dass sie versuchte, Ordnung in das Chaos aus weiten Röcken und gebürsteten Zylinderhüten zu bringen. Mia erkannte, dass lockere Reihen aus je vier Personen gebildet wurden. Die Paare stellten sich dem Alter nach auf und Mia fragte sich kurz, ob wohl Freds oder ihr Alter ausschlaggebend sein würde, da waren sie schon auf ihrem Platz. Freds also. Sie blickte sich nach Zorro und Mildred um, die weit hinter ihnen standen. Viele der Gesichter hatte sie auf der Zugfahrt nicht gesehen. Einige der anderen, die wie sie in die Gewandung der Vergangenheit gekleidet waren, waren auf anderem Weg angereist oder stammten aus dem Ort. Ihnen allen war gemein, dass sie einen Ausdruck würdevoller Spannung auf dem Gesicht trugen. In dem Durcheinander, das noch herrschte, wollte Mia gerade nach dem Grund ihrer Versammlung fragen, als Fred ihre Hand tätschelte und sie mit unergründlichem Blick ansah.

      »Jetzt, meine liebe Emma, gibt es kein Zurück mehr.«

      Sie lächelte unsicher und zuckte zusammen, als zwei Paukenschläge ertönten.

      »Ladys und Gentlemen, werte Stadt, begrüßen Sie mit mir aus Aberdeen: Mr Walter Mannel mit Gattin Helen. Aus St. Andrews: Mr Louis Pukka mit Gattin Elizabeth. Aus Aberdeen …«

      Mit jeder Nennung rückten sie einen Schritt näher an den Eingang. Noch standen sie leicht verdeckt hinter einer Abgrenzung aus Kübelpflanzen. Mia konnte nicht sehen, was auf dem Platz vor sich ging.

      »Was passiert jetzt?«, flüsterte sie hektisch.

      »Jetzt gehen wir auf den Festplatz, begrüßen den Stadtrat und nehmen im Schatten auf unseren Stühlen Platz«, brummte Fred. »Lass dich einfach von mir führen. Ach ja, vor dem Stadtrat musst du knicksen.«

      Sie starrte ihn an, während er unbekümmert einen Schritt nach vorne ging und sie mit sich zog. Deshalb brauchten sie also andere Namen. Ihre Prozession war Teil einer Vorstellung für die Abgeordneten der Stadtverwaltung und vermutlich auch für die Bürger, die sich hinter den Pavillons aufgestellt hatten. Es war zu spät für Mia, um sich umzudrehen und zu gehen.

      »Aus Cosgailkirk: Mr William McGregor und Gattin Therese. Aus Cosgailkirk: Mr Frederick Pyrmont und Miss Emma.«

      Die ersten Meter stolperte Mia neben ihrem Freund her, bis sie sich auf ihre Rolle besann. Freds Arm bot ihr Halt, doch mit jedem Schritt wuchs die Gewissheit, dass sie sich und ihn vor den Würdenträgern blamieren würde. Kurz fragte sie sich, warum Freds Geburtsstadt und nicht sein Wohnort genannt worden war, doch dann hatte sie keine Zeit mehr, um nachzudenken. Ihr Puls raste und ein Schweißtropfen kitzelte sie im Nacken. Dann ließ Fred ihren Arm los, zog den Hut und verbeugte sich leicht. Mia schaffte es, irgendwie die Knie zu beugen und den Kopf zu senken, da spürte sie Freds Hand wieder an ihrem Ellenbogen und ließ sich von ihm unter den Pavillon führen. Erst als sie vor zwei Stühlen standen und er sie auffordernd ansah, ließ das Rauschen in ihren Ohren nach. Umständlich sortierte sie ihre Röcke, dann atmete sie erleichtert auf, als sie sich endlich setzen konnte. Sie hoffte inständig, dass dies der schwierigste Teil des Tages gewesen war, doch ein Blick auf Fred ließ sie daran zweifeln.

      Mia langweilte sich während der Eröffnungsrede des Bürgermeisters. Obwohl es erst später Vormittag war, schwitzte sie unter dem weißen Stoffdach. Sie beneidete die Damen, die sich mit einem Fächer Luft zuwedelten. Dass es dem gemeinen Volk in Alltagskleidung unter freiem Himmel noch schlechter erging, war ein schwacher Trost.

      Endlich