Mia und der Erbe des Highlanders. Morag McAdams

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Название Mia und der Erbe des Highlanders
Автор произведения Morag McAdams
Жанр Языкознание
Серия Ian McLaren - der Berserker
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958131972



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begann zu zweifeln, doch Fred riss sie aus ihren Gedanken.

      »Es heißt ‚Gewandung‘. Ein Kostüm trägt man an Karneval.«

      »Okay«, entgegnete sie langsam und hatte nicht den Eindruck, dass sie verstand, was ihr Freund meinte. Doch um seinetwillen wollte sie sich Mühe geben. Sie wollte ihn nicht blamieren.

      Am Bahnhof angekommen, bestaunte Mia die schwarze Lokomotive, die eine schwere weiße Dampfwolke ausstieß. Es rauchte und zischte und dampfte überall aus der Maschine und nur, weil sie sich nicht vor Fred blamieren wollte, rannte sie nicht wie ein kleines Kind hin. Der altertümlich uniformierte Schaffner half gerade einer elegant gekleideten Frau, die Trittstufen zu einem der Waggons zu erklimmen. Fast jeder auf dem Bahnsteig war auf dieselbe Art gekleidet wie sie und Mia begann, sich zu entspannen. Die »zeitgemäße Anreise«, auf die Fred bestanden hatte, machte die aufgeplusterte Kostümierung wieder wett. Sie hatte bereits beinahe wieder vergessen, dass dieses Wort tabu war.

      Staunend trat sie näher an das Ungetüm, das unter dem Namen Tornado bekannt geworden war. Es war eine typische Touristenattraktion, ein Nachbau des Exemplars der London and North Eastern Railway, und nicht so stilecht, wie ihr Freund dachte. Dieser Dampfloktyp wurde erst im zwanzigsten Jahrhundert gebaut – und verschrottet – und ihr Kleidungsstil gehörte sicher nicht in diese Zeit. Einige Jahre machten einen großen gesellschaftlichen und technischen Unterschied, hatte Fred ihr immer wieder gesagt, wenn er versuchte, sie für die Geschichte ihrer Heimat zu begeistern. Nur bei Dampflokomotiven kannte er sich nicht aus. Aber Mia war begeistert. Sie liebte Dampfmaschinen und Dampftriebwagen. Ihr Vater hatte ihr diese Begeisterung vererbt, und auch jetzt, als der langgezogene Pfiff ertönte, dachte sie mit Wehmut an glücklichere Tage als Familie zurück. Doch sie kannte diesen Schmerz und wusste, dass durch ihn die Reise umso kostbarer wurde. Freds Hand an ihrem Ellenbogen lenkte sie zum Waggon zurück.

      Sie hatte gerade ihre Röcke und Unterröcke geordnet und mehr oder weniger elegant auf der leicht abgenutzten roten Polsterbank Platz genommen, als der Zug langsam anfuhr. Fred lächelte sie an und Mia legte, plötzlich befangen, ihre Hand in seine. Er wusste, wie sehr sie die Öffentlichkeit mied, doch mit seiner ruhigen Art hatte er sie dazu überredet, den Tag damit zu verbringen, im Rampenlicht zu stehen. Aber gleichzeitig hatte er mit seinem sanften Drängen dafür gesorgt, dass ein Traum in Erfüllung ging, den sie nicht mehr zu träumen gewagt hatte. Dieser Mann tat so viel und verlangte so wenig, und sie konnte ihm bisher nicht einmal sagen, was sie für ihn empfand.

      Mia versuchte, ihr plötzlich rasendes Herz zu beruhigen. Sie schloss die Augen und lauschte auf das Rattern der Waggons. Freds Nähe ließ sie Sicherheit spüren, die sie so lange vermisst hatte. Sie konnte den Gedanken nicht aufhalten, der sich auf den Weg in die Freiheit gemacht hatte.

      »Ich glaube, ich liebe dich«, flüsterte sie.

      Fred lächelte und Mia fragte sich, woran es lag, dass sie ihm nach fast einem Jahr noch immer so verfallen war. Er war nicht im eigentlichen Sinne gutaussehend mit den schiefen Zähnen und der leicht passiven Körperhaltung, doch etwas an ihm hatte sie in seinen Bann gezogen.

      »Ich würde dich ja küssen«, flüsterte er in ihr Haar. »Aber mit der Gewandung haben wir auch eine Rolle angenommen. Siehst du die grimmige Frau dort drüben?«, fuhr er etwas lauter fort, weil der Zug Fahrt aufgenommen hatte und die Geräuschkulisse anstieg. Er winkte der Dame zu, die Mia bereits beim Einsteigen gesehen hatte. Sie hatte ihren fülligen Körper in ein grünes Kleid gehüllt und sich so vorbildlich niedergelassen, dass später sicherlich keine einzige Falte zu sehen wäre. Mia nickte ihr höflich zu und fühlte sich klein.

      »Das ist Marion. Sie hält sich für den Wächter der Authentizität innerhalb der Gruppe und schimpft, wenn wir uns nicht benehmen.«

      Von dieser Aussicht nicht begeistert, aber auch nicht überrascht, faltete Mia die Hände im Schoß.

      »Nun, Mylord, sagt mir, was mich heute erwartet.«

      Trotz der geringen Geschwindigkeit – Mia wusste, dass die Tornado auf Ausflugsfahrten nicht mit maximaler Leistung fuhr – erreichten sie bald ihr Ziel. Hinter St. Andrews hatte der Zug noch einmal gehalten und fünf weitere Fahrgäste waren eingestiegen. Das gleichmäßige Rütteln während der Fahrt hatte ihre Mitreisenden träge gemacht. Die Gespräche waren verstummt und beinahe jeder hatte sich darauf beschränkt, aus dem Fenster zu sehen. Der historische Zug zog in jeder der kleinen Ortschaften, durch die er fuhr, die Aufmerksamkeit auf sich. An mehreren Bahnübergängen waren die Autofahrer sogar ausgestiegen und fotografierten die vorbeifahrende Dampflok.

      Mia hatte jedes Stoßen, jedes Pfeifen genossen, während sie dem Geräusch der Räder lauschte, und sich gewünscht, diese Erfahrung mit ihrem Vater teilen zu können. Angespannt hatte sie auf ihrem Sitz gesessen und versucht, sich jedes Detail zu merken, damit sie ihm bei ihrem nächsten Besuch davon berichten konnte.

      Als sie schließlich auf dem Bahnsteig standen, begann Mias Hand sich an ihren Platz auf Freds Unterarm zu gewöhnen. Mia selbst fühlte sich ausgeliefert. Selbstverständlich vertraute sie ihrem Freund und ein Teil von ihr genoss die Sicherheit seines Arms, doch sie war sich bewusst, dass sie so jede seiner gewählten Richtungen einschlagen musste. Für jemanden, der früh gelernt hatte auf eigenen Beinen zu stehen, fühlte sich diese Situation unnatürlich an. Die Lok gab ein letztes klagendes Pfeifen von sich und fuhr los. Mia spürte das ungewohnte Gewicht ihres Kleides und fühlte sich eingesperrt. Vor kurzer Zeit erst hatte sie, beinahe ohne es zu wollen, Fred ihre Gefühle offenbart und nun schien sie bereits an ihn gebunden zu sein.

      Panik stieg in ihr auf, als er den ersten Schritt machte, und nur zögerlich folgte sie ihm. Nach wenigen Metern drehte er sich zu ihr um.

      »Es ist nur eine Rolle, Mia. Du bist immer noch du. Entspann dich, Schatz.«

      Sie holte tief Luft. Fred hatte recht. Eine Rolle. Damit konnte sie umgehen. Sie war schon in viele Rollen geschlüpft. Das nette Mädchen, die angepasste Schülerin, das freundliche Zimmermädchen, die aufopferungsvolle Tochter, und, wenn man ihrer Mutter Glauben schenkte, das lieblose Biest. Mia war sich manchmal nicht mehr sicher, wo in den vielen Rollen sie selbst zu finden war. Doch sie war sich bewusst, dass sie ihrem Selbst immer dann am nächsten war, wenn sie mit Fred zusammen war. Das war noch eine Sache, die ihr am Verliebtsein missfiel. Sie konnte sich nicht vor Fred verstecken, sich nicht verstellen, um einen besseren Eindruck zu machen. Doch auf der anderen Seite genoss sie jeden Moment mit ihm. Jetzt lag ein ganzer gemeinsamer Tag vor ihnen und sie würde sich daran freuen.

      Sie ließ den angehaltenen Atem langsam entweichen, dann straffte sie die Schultern und wollte sich gerade vorbeugen, um Fred zu küssen, als eine laute Stimme nach ihnen rief.

      »Wo bleibt ihr denn?«, schnaufte die korpulente Dame in Grün und eilte auf sie zu. »Also wirklich, Frederick, du solltest es besser wissen!«

      Fred setzte sein einstudiertes Lächeln auf, entließ Mias Hand aus seinem Griff und zog den Hut.

      »Entschuldige, Marion. Darf ich vorstellen: Marion, das ist meine Freundin Mia. Mia: Marion Stewart, Koordinatorin unserer Truppe.« Mia hörte den Spott, der Marion entging, als sie einen kritischen Blick über ihre Aufmachung gleiten ließ.

      »Freundin also? Du weißt, was das für heute bedeutet, Frederick.«

      »Ich hasse diesen Namen.« Er klang, als sei dieses Thema schon oft diskutiert worden.

      »Ah ja, der Name. Da müssen wir auch noch etwas ändern.« Sie zog einen zerknitterten Zettel aus dem Stoffbeutel, der an ihrem Handgelenk baumelte. Mia fühlte sich überrollt.

      »Was ist falsch an unseren Namen?«, fragte sie. Fred grinste plötzlich, und als Marion zu einer wahren Tirade ansetzte, biss sie sich auf die Lippe, um ernst zu bleiben. Alles an der dicken Frau war in Bewegung geraten, der Rock wogte, ihre Arme fuchtelten herum und sogar die Haare unter ihrer Haube begannen, sich zu lösen. Der Ausdruck aufrichtigen Entsetzens, der auf ihrem Gesicht erschien, war herrlich anzusehen, und Mia nahm sich vor, sie im Laufe des Tages noch mindestens ein weiteres Mal in Rage zu versetzen.

      »Okay, schon gut«, lenkte sie schließlich ein, als Marions Kopf immer dunkler wurde. »Aber ich bin ganz