Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Es gibt Entschlüsse, über die man auch für bevorstehende Eventualitäten vollkommen mit sich einig geworden ist; man spricht nicht darüber, man führt sie aus, wenn der Moment dazu gekommen ist. Aber andre gibt es, die man als eine äußerste, vielleicht notwendig werdende Auskunft betrachtet, bei denen man sich aber noch weitere Erwägung vorbehält; mit diesen hält man nicht so ängstlich zurück, man gibt den Vertrauten davon Kunde, um sich der Wirkung zu versichern, die sie machen könnten. So hat Wilhelm III. die Absicht sich zurückzuziehen nicht allein den zuverlässigsten der Whigminister wie Somers und Montague, sondern selbst dem Vertrauten der Prinzessin Anna, Grafen Marlborough,324 zu erkennen gegeben. Es liegt am Tage, wenn sie ausgeführt wurde, so war nicht allein die Administration gesprengt, sondern die Monarchie überhaupt in Gefahr. Damit würde gleichsam die Unmöglichkeit einer eigentlich monarchischen Regierung im parlamentarischen Staat zur Evidenz gelangt sein. Man darf, denke ich, auch ohne ausdrückliches Zeugnis annehmen, daß die nächste Absicht König Wilhelms dahin ging, der Nachfolgerin und ihren Freunden, denen sich die Tories, und den Ministern, denen sich die Whigs anschlossen, dem Parlament überhaupt und der Nation das Unrecht, das man ihm tue, und die Gefahr, in die man sich dadurch stürze, zum Bewußtsein zu bringen.
Unausführbar aber war das Vorhaben selbst für ihn, auf seinem Standpunkt. Denn welche Verwirrung würde schon eine Erklärung dieser Art zur Folge gehabt, welche Förderung würden die Jakobiten, die noch immer sehr zahlreich und mächtig waren, für ihre Ansprüche und Versuche dadurch gewonnen haben; wie wäre sie selbst dem Übergewicht von Frankreich zustatten gekommen! Das ganze Lebenswerk Wilhelms III. würde dadurch gefährdet und vielleicht zugrunde gerichtet worden sein. Die Erfolge unsrer Handlungen werden uns selbst zu Bedingungen unsrer Existenz; vergebens kämpft die zuweilen aufblitzende Indignation des persönlichen Selbstgefühls dagegen an.
Soviel erreichte der König von den Ministern, daß sie sich noch einmal zu dem Versuch entschlossen, das Parlament zur Bewilligung von 10 000 Mann zu vermögen, in welcher Zahl sich dann auch vielleicht die holländischen Garden einschließen lassen würden. Am 3. Januar kam es zu dem Vorschlag, dem Komitee eine neue Erwägung der Truppenzahl anheimzugeben. Der Kriegssekretär Blaitwayt führte aus, daß es ein Irrtum sei, wenn man angenommen habe, zu den Garnisonen würden 3000 Mann hinreichen; dazu wären wenigstens 5000 erforderlich, so daß die Summe notwendig erhöht werden müsse. Noch einmal erörterte dann Montague die allgemeinen Bedenken gegen eine so große Verringerung der Streitmacht: der zu Land und See gleich furchtbare, aller seiner Kräfte jeden Augenblick mächtige benachbarte König sei bei weitem eher imstande einen Angriff auszuführen, als das vermöge seiner Verfassung schwer bewegliche England zur Verteidigung gerüstet sei; und was würde man, sagte er vollends erleben, wenn Gott in einem solchem Augenblicke über den König gebiete? Alle Parteien würden sich zum Kampf gegeneinander erheben, die Regierung würde keine Kraft haben, sie im Zaum zu halten. Diesmal aber erklärten sich selbst solche Mitglieder gegen die Regierung wie Lord Hartington, der ältere Sohn des Grafen von Devonshire325
und ein Beamter der Schatzkammer, Pelham. Pelham war in der vorigen Sitzung für eine größere Anzahl von Truppen gewesen, aber jetzt stimmte er dagegen, weil nun der Friede allenthalben gesichert sei. Die Majorität des Hauses wurde dadurch um so mehr in ihrer Meinung bestärkt. Nur dann hätte sich vielleicht etwas bei ihr ausrichten lassen, wenn ein jeder erfahren hätte, daß ihm der König für die erwähnte Nachgiebigkeit zu Dank verpflichtet sein werde. Der König war aber weit entfernt das hoffen zu lassen; nur die Bestätigung der vorhandenen Truppenzahl hätte ihn befriedigen können. Die Minister trugen selbst Bedenken, es zu einer Abstimmung zu bringen, weil dann alle, welche mit der Majorität gestimmt hätten, sich an dieselbe gebunden geachtet haben würden. Die Zurückverweisung an das Komitee wurde abgelehnt.
Der König führte seinen Gedanken nun doch nicht aus. Ein Unwohlsein, von dem er befallen wurde, schrieb man dem Mißvergnügen zu, das er empfinde; er durfte es nicht einmal laut werden lassen. Bei den Lords fand er zwar in der Sache selbst Beistimmung. Als ihnen die Auflösungsbill vorgelegt wurde, sprechen sich sachkundige Mitglieder wie Marlborough, und nach ihnen die meisten andern, gegen die geringe Truppenzahl aus. Sie meinten, die Commons hätten die Frage in einer Konferenz mit den Lords in Erwägung ziehen sollen; sie machten es ihnen zu einem besonderen Vorwurf, daß sie auch die französischen Refugiés ausgeschlossen hatten, die nach keinem Vaterland zurückgehen könnten. Aber die Bill verwerfen wagten sie darum doch nicht; nicht allein weil sie als Geldbill angesehen werden konnte, sondern hauptsächlich um keine Entzweiung mit den Commons hervorzurufen, die auf den König zurückgefallen wäre und dessen Stellung unsicherer gemacht hätte als die Verringerung seiner Truppen.
Die Regierung hatte noch die Hoffnung, bei der Beratung über die Stärke der Marine einen Vorteil davonzutragen, der sich für die Wünsche des Königs hätte benutzen lassen. Statt 12 000 Mann, wie bisher, wurden 15 000 Mann für die Marine bewilligt. Die Absicht war, die angenommene Mehrzahl zu militärischem Zweck zu benutzen, und schon wurden darauf Entwürfe zur Beibehaltung von Soldaten gegründet, die in der Marine verwendet werden sollten. Der nächste Beschluß des Hauses war jedoch, daß die gesamte Anzahl ausschließend aus Matrosen bestehen solle. Nachdem die Auflösungsbill in beiden Häusern durchgegangen war, konnte der König, wenn er nicht mit der Nation geradezu zerfallen wollte, nicht anders als sie genehmigen. Er tat das bereits am 1. Februar, zugleich mit einigen andern Bills, in einer Versammlung beider Häuser. Er hoffte, indem er den Widerspruch in der Hauptsache fallen ließ, in einem Nebenpunkt eine Milderung zu erlangen. Er erwähnte, wie unangenehm es ihm sei, daß er sich von seinen Garden trennen solle, die zum Beistand für England mit ihm herübergekommen und in allen Aktionen um ihn gewesen seien. Das brachte jedoch um so weniger eine Wirkung hervor, da die Garden Holländer waren, welche man von allen Fremden am wenigsten im Lande zu behalten wünschte.
Noch einmal, im Laufe des März, hat der König seinen Wunsch den Commons aufs eindringlichste ausgedrückt. Die holländische Garde war im Begriff sich einzuschiffen, wozu alles vorbereitet war; der König meldete das dem Hause in einem eigenhändigen Schreiben mit der Bemerkung, daß es ihm zum größten Gefallen gereichen würde, wenn man ihr dennoch gestatte im Lande zu bleiben. Man hatte im Parlament nicht die Absicht den König zu verletzen, man fühlte, was man ihm schuldig war, aber von persönlicher Rücksicht auf ihn oder auf die wohlverdienten Leute war bei der Mehrheit nicht die Rede. Das Gemeingefühl der Nation forderte die Entfernung der Truppen, das Parlament hatte sie beschlossen kraft seines Rechtes und infolge seiner Interessen; davon wollte man keinen Schritt zurückweichen. Diese Stimmung war so entschieden, daß von den Anhängern des Königs nur wenige auf eine Beratung darüber anzutragen, aber auch dann nicht dafür zu sprechen den Mut hatten. Man deklamierte vielmehr gegen die schlechten Ratgeber des Königs, durch die er hierzu veranlaßt worden sei, und schlug vor bei ihm anzufragen, wer ihm den Rat zu diesem inkonstitutionellen Schritt gegeben habe. So weit ging man zuletzt doch nicht, das zu beschließen. Aber die Adresse, mit der man das Schreiben des Königs beantwortete, war auch ohnedies sehr stark. Man sagte ihm, dem Volke gereiche der zur Entfernung der Truppen gefaßte Beschluß zur Genugtuung; sie würden von demselben nicht zurücktreten können, ohne die Konstitution zu verletzen, zu deren Herstellung der König einst selbst nach England gekommen sei. König Wilhelm fand die Adresse impertinent, das ist