Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Название Leopold von Ranke: Historiografische Werke
Автор произведения Leopold von Ranke
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788027206056



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es die Holländer unterdrücke, zu einem maritimen Übergewicht gelangen werde, welches für alle andern Mächte unerträglich werden müßte. Überdies hatte er den Holländern in seinem letzten Vertrage das Wort gegeben, ihnen zu Hilfe zu kommen, wenn sie angegriffen würden. Er erklärte den Engländern geradezu, daß er sein Wort halten müsse, wofern der Krieg seinen Fortgang habe.

      Es war eine Mediationsgesandtschaft, die er gleich beim Ausbruch des Krieges nach England geschickt hatte, welche diese Erklärung machte. Karl II. antwortete, nicht Holland sei der angegriffene Teil, sondern England. Besonders brachte er die Versicherungen von Freundschaft zur Sprache, die ihm Ludwig XIV. so oft gegeben hatte; er bezeichnete es ihm sogar als eine politische Pflicht, einen benachbarten König gegen die Republikaner zu unterstützen. Auf die Franzosen machte das aber keinen Eindruck. Sie untersuchten die vorliegenden Streitfragen mit kühler Unparteilichkeit und schlugen endlich die Auskunft vor, daß Holland auf seine amerikanischen Besitzungen, auf die ihm gleichwohl ein unbezweifeltes Recht zustehe, und England dagegen auf die Insel Polaroon in Ostindien Verzicht leisten, Kap Corso in Guinea geschleift und die übrige Küste zwischen Holland und England geteilt werden möge. Man konnte sich darüber nicht täuschen, daß die Verwerfung dieses Vorschlages eine Teilnahme der Franzosen am Kriege herbeiführen würde.

      So stand die politische Frage, als das Parlament im Oktober 1665 einer grassierender Pestseuche halber nicht in London, sondern in Oxford zusammenkam. Es war die Bubonenpest, die seit einem Vierteljahrhundert in Europa bald in einem, bald in dem andern Lande erschienen war und wie vor kurzem Holland so nun England heimsuchte. Friedliche Gedanken brachte sie jedoch in den Regierungen dieser Länder nicht hervor. Auch jetzt waren Karl II. und seine Minister nicht im mindesten geneigt, ihre Ansprüche auf Ostindien und die dahin führenden afrikanischen Besitzungen, überhaupt die Erwerbung der großen maritimen Stellung, in der sie begriffen waren, der französischen Mediation zuliebe aufzugeben. Das Parlament, ohne sich dadurch irren zu lassen, daß die auf drei Jahre geschehene frühere Bewilligung in einem einzigen verwendet worden war, beschloß eine Vermehrung derselben um die Hälfte, 1 250 000 Pfund; die Summe sollte durch eine direkte monatliche Auflage aufgebracht werden.

      Ludwig brach die Verhandlungen ab, von denen ihm seine Gesandten sagten, den Engländern sei es nur darum zu tun, ihn von der Unterstützung der Holländer abzuhalten. Von beiden Seiten erfolgten Kriegserklärungen, die zwar auf schonende Weise abgefaßt, aber doch ernstlich gemeint und von Tätlichkeiten zur See begleitet waren. Zunächst kam der König von Frankreich mit seinem ganzen politischen Gewicht den Generalstaaten in ihren Verhandlungen mit europäischen und deutschen Mächten zu Hilfe. England war von allen Seiten isoliert, als es im Frühjahr 1666 zur Fortsetzung des Krieges schritt. Nicht einmal auf den Bischof von Münster durfte es rechnen; durch die französische Einwirkung und die veränderte Stellung seiner deutschen Nachbarn war dieser genötigt, seine Truppen aus den genommenen Orten zurückzuziehen und die Waffen niederzulegen.

      Ludwig XIV. nahm an dem Kriege noch nicht unmittelbar Anteil. Aber schon daß man auf seine Rüstungen und die Bewegungen seiner Flotte Rücksicht nehmen mußte, hatte eine große Einwirkung, gleich bei dem ersten Zusammentreffen. Wie erschrak man in London, als man den Kanonendonner von den Flotten hörte, die bei Newforeland aneinandergerieten, und zugleich erfuhr, daß ein Teil der englischen unter Prinz Rupert nicht dabei sei! Er hatte auf die Nachricht, daß die französische Flotte, die von Toulon kam, schon bei Belleisle angelangt sei, den Auftrag übernommen, ihr entgegenzugehen. Hierdurch eher angefeuert als zurückgehalten, denn er wollte die Ehre des Sieges allein erfechten, war Monk zu einem Angriff geschritten, aber von dem kräftigsten Widerstand empfangen worden. Es erfolgte die in den Annalen der Seekriege berühmte Schlacht von vier Tagen. Der erste (1./11. Juni) brachte keine Entscheidung, der zweite fiel für die Engländer unglücklich aus. Monk mußte nach der Themse zurückgehen und war in Gefahr, eine Niederlage zu erleiden, als am dritten Tage der Prinz, der auf keinen Feind gestoßen war, mit seinem frischen Geschwader zurückkam. Die Engländer faßten hierauf wieder Mut zum Angriff, aber auch dann, am vierten Tage gerieten sie in Nachteil. Sie waren genötigt, die Schlacht abzubrechen und nach der Themse zurückzugehen; eine ganze Anzahl ihrer Schiffe ging zugrunde oder geriet den Feinden in die Hände.

      Wie die vorjährige Schlacht den Holländern, so diente die diesjährige den Engländern zum Anlaß, sich mit der größten Anstrengung zu rüsten. Die Flotte, die sie nach Verlauf einiger Wochen in See brachten, war nach dem Urteil der Kundigen in bezug auf Schiffe, Geschütz und Bemannung die beste, welche sie je besessen. Bei dem nächsten Zusammentreffen, 4. August n. St., blieben die Holländer im Nachteil; eine Anzahl ihrer zuverlässigsten und besten Kapitäne ist dabei umgekommen; sie mußten sich zum Rückzug entschließen. De Witt fand jedoch Mittel, die Flotte in kurzem zum dritten Mal in voller Tüchtigkeit in See zu bringen, und nun war auch die französische im Kanal erschienen, um sich mit der holländischen zu vereinigen. Die Engländer hielten für ratsam, den offenen Kampf zu vermeiden. Nicht sowohl im Seekampf als politisch waren sie im Nachteil; der König fühlte sich bewogen, der Republik Friedensanträge zu machen.

      In dieser bedenklichen Lage der Dinge war es, daß London von jener Feuersbrunst betroffen wurde, welche den größten Teil der alten Stadt in Asche legte. In einer engen Gasse von hölzernen, mit brennbaren Materialien angefüllten Häusern kam das Feuer in der Nacht zum 2./12. September aus. Von einem starken Ostwind getrieben, warf es sich unerwartet in ziemlich entfernte Regionen und wälzte sich dann von Straße zu Straße. Der höher gelegene Teil der Stadt erschien in kurzem wie ein brennender Berg, vor welchem her die Flamme von einem Ufer der Themse nach dem andern einen himmelhohen Bogen schlug. Vier Tage lang konnte man ihrer nicht Meister werden. Die Menschen beschäftigten sich weniger damit, dem Brande Einhalt zu tun, was ihnen unmöglich schien, als ihre Habe zu retten. Zu der Unruhe, welche dadurch entstand, gesellte sich ein gräßlicher Verdacht. Da das Feuer eben am 3. September wütete, ließen die Menschen sich nicht ausreden, daß es von den Anabaptisten angelegt sei, zum Totenopfer für Oliver Cromwell am Tage seiner Siege und seines Todes; andre klagten die Katholiken an; die Meinung griff um sich, Holländer und Franzosen seien dabei wirksam. Einst, auf das Gerücht, diese Feinde seien bereits im Anzuge, um sich des günstigen Augenblicks zu einem Anfall zu bedienen, stürzte eine aufgeregte Menge mit allem, was als Waffe dienen konnte, nach der Gegend, die man ihr bezeichnete. Wehe denen, die sich durch ihre Sprache als Fremde kundgaben! Die öffentliche Autorität mußte einschreiten, um sie der Wut der Menge zu entziehen.