Leopold von Ranke: Historiografische Werke. Leopold von Ranke

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Название Leopold von Ranke: Historiografische Werke
Автор произведения Leopold von Ranke
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788027206056



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Die englische Regierung nahm es selbst übel, daß die holländische so unmittelbar in den Streit der Kompagnien eingriff, was sie ihrerseits zu vermeiden den Anschein gewahrt hatte; zu den merkantilen Motiven kamen politische hinzu; Antriebe der inneren Politik schärften die der äußeren. Durch eine Art von Naturnotwendigkeit wurden die beiden Seemächte noch einmal in den Kampf gezogen. Sie waren beide von Eifer dazu erfüllt; die Holländer wollten behaupten was sie hatten, die Engländer erobern, wovon sie meinten daß es ihnen gehöre.

      Am 24. November 1664 eröffnete König Karl die fünfte Session seines zweiten Parlaments mit der Erinnerung an die letzte Zusage, für deren Erfüllung nun die Zeit gekommen sei. Einer jener seltenen Momente trat ein, der einzige den Karl II. überhaupt erlebt hat, in welchem die Stimmung der Regierung, der legislativen Gewalten und der Mehrzahl des Volkes zusammenwirkte. Die Regierung hatte berechnet, wieviel der letzte Krieg gegen Holland in einem Jahre gekostet habe; zusammen mit den bereits gemachten Aufwendungen belief sich das auf mehr als 2 Millionen Pfund. Ein mit der Regierung einverstandenes, übrigens unabhängiges Mitglied stellte die Forderung auf 2-1/2 Millionen. So weit das auch über alles hinausging, was bis jetzt jemals geleistet worden war, so wurde es doch auf der Stelle bewilligt. Eine Bedingung machte allerdings das Parlament: die Zahlung der Summe ward auf drei Jahre ausgedehnt, denn niemand verhehlte sich, daß es nicht eben leicht sein werde, sie aufzubringen. Es fügte die ausdrückliche Bestimmung hinzu, daß sie ausschließend zu dem holländischen Kriege verwandt werden solle. Das konnte aber den Eindruck nicht schmälern, welchen der Betrag der Summe machte: 2-1/2 Millionen Pfund seien 25 Millionen holländische Gulden, wie wolle Holland mit seinem zweihundertsten Pfennig jemals diese Summe erreichen!

      Unter diesen Impulsen wurde die Flotte mit dem angestrengtesten Eifer instand gesetzt. Man hoffte besonders durch stark gebaute und große, mit metallenen Geschützen versehene Fregatten den Holländern überlegen zu werden; im Februar 1665 waren deren bereits gegen hundert fertig. Die Flotte sammelte sich im März bei Gunfleet. Der Herzog von York hatte sich nicht abhalten lassen – denn ihn dürstete nach Kriegsruhm – den Oberbefehl selbst zu führen; er betrachtete das Unternehmen als seine eigne Angelegenheit. Sobald es irgend möglich war, Anfang Mai, richtete die Flotte ihren Lauf nach der holländischen Küste. In deren Nähe ward sie durch den Umschlag des Windes zur Rückkehr genötigt und nahm alsdann ihre Station in Southwoldsbai. Aber wenn die vornehmste Absicht gewesen war, den Feind in die offene See herauszulocken, so ward diese erreicht; die Holländer waren ohnehin der Meinung, daß nur eine gewonnene Schlacht ihnen dauernden Frieden verschaffen könne; ihr Eifer wurde durch die Bedrohung ihrer Küsten noch besonders angespornt.

      Das erste Zusammentreffen geschah am 3./13. Juni in der Nähe der Reede von Harwich; man hörte den Donner des Geschützes in Westminster. Am Morgen manövrierten die beiden Flotten, um den Vorteil der Stellung zu gewinnen, unter stetem Kanonieren; am Mittag hielten sie, jede in einer langen Linie, einander gegenüber und beschossen einander, eine Zeitlang mit gleichem Erfolg, aber allmählich erwies sich das englische Geschütz auch diesmal überlegen. Näher heransegelnd begrüßte der »Royal Charles«, auf welchem sich der Herzog befand, das feindliche Admiralschiff. Opdam, der holländische Admiral, saß auf dem Verdeck in seinem Stuhl und erteilte seine Befehle unbesorgt und unverletzt, als einer der ersten Schüsse vom »Royal Charles« in seine Pulverkammer traf und ihn samt seinem Schiff in die Luft sprengte. Bei diesem Anblick gerieten die Holländer in Verwirrung; der ungünstige Wind hinderte sie, den Engländern an Bord ihrer Schiffe zu Leibe zu gehen. Um der überlegenen Wirkung der feindlichen Geschütze zu entkommen, traten sie ihren Rückzug an, auf dem sie sehr bedeutende Verluste erlitten.

      Der Sieg erfüllte die Engländer mit Genugtuung und Selbstgefühl; die Holländer schrieben ihren Verlust unglücklichen Zufälligkeiten zu und wollten nicht Wort haben, daß die Feinde ihnen in der Tat überlegen seien. Ein großer Teil ihrer Fahrzeuge war von Cornelis Tromp wohlbehalten zurückgeführt worden; de Witt eilte nach dem Texel, um die ganze Flotte so bald wie möglich wieder in See zu bringen. Man goß Kanonen von größerem Kaliber, verbesserte die Besoldung der Mannschaften und sorgte für ihre Vermehrung. Jedermann schöpfte Mut als de Ruyter, der indes an der Küste von Guinea feste Plätze erobert und englische Schiffe weggenommen, auf weitem Umwege durch die norwegische See in Delfzyl anlangte, mit reicher Beute und glänzenden Siegeszeichen. Man kann sich den Jubel denken, mit dem ihn alles Volk bewillkommnete. Auf Vorschlag der Stadt Amsterdam ward ihm die Führung der neugerüsteten Flotte anvertraut; er nahm seine Richtung nach den nordischen Gewässern, aus denen er soeben gekommen war. Denn dahin hatten auch alle die Kauffahrer aus dem Mittelmeer und den beiden Indien, deren Ladungen man auf dreihundert Tonnen Goldes schätzte, ihren Weg genommen und eine Zuflucht in dem Hafen von Bergen gefunden. Lord Sandwich, der indes an Stelle des Herzogs von York – denn den Thronerben wollte man den Gefahren einer zweiten Seeschlacht nicht aussetzen – den Oberbefehl übernommen hatte, eilte sie daselbst aufzusuchen. Er hatte mit Friedrich III., König von Dänemark und Norwegen, einen Pakt geschlossen, an dessen Wirklichkeit man nicht glauben würde, wenn nicht die unverwerflichsten Beweise dafür vorlägen. Der König, der in mannigfaltigem bitterem Hader mit der Republik lag und immer schon Miene machte auf die Seite der Engländer zu treten, hat ihnen versprochen, ihrem Angriff auf die Holländer im Hafen von Bergen ruhig zuzusehen, vorausgesetzt daß ihm die Hälfte der Beute zufiele. Das Glück der Holländer wollte, daß die Engländer angriffen, ehe noch die erforderlichen Weisungen von Kopenhagen in Bergen eingetroffen waren. Der Kommandant des Platzes hatte den Holländern sein Wort verpfändet; als die Engländer, ungeduldig zu warten, zum Angriff schritten, trug er kein Bedenken, sein Geschütz gegen ihre Fregatten zu richten; sie wurden mit beträchtlichem Verlust hinausgetrieben. Die Holländer wären dennoch verloren gewesen, hätten sie im Angesicht der feindlichen Kriegsflotte in See gehen wollen. Da erschien Ruyter an der Küste von Bergen, um sie unter seinem Schutze zurückzuführen. Sie hatten dabei mehr von den widrigen Winden als von den Feinden zu leiden; aber zwei ostindische und vier andre Schiffe gerieten doch in die Hände des Earl von Sandwich, die übrigen brachten ihre Ladung glücklich nach dem Texel oder dem Vlie.

      In dem ersten Gange des großen maritimen Zweikampfes hatte sich die Republik gut geschlagen, aber in empfindliche Nachteile war sie dabei doch geraten. Wie lange sie Leib an Leib mit dem von Natur bei weitem mächtigeren England den Krieg würde aushalten können, war in der Tat sehr zweifelhaft. Aber schon genug, daß sie dem ersten Anlauf nicht erlegen war. Bei dem engen Zusammenhang aller europäischen Staatenverhältnisse konnte es ihr auf die Länge nicht an Bundesgenossen fehlen. Die englische Regierung würde den Krieg von Anfang an nicht so leicht unternommen haben, hätte sie nicht gemeint auf die Neutralität des Königs von Frankreich rechnen zu dürfen, der ja auch seinerseits nichts mehr wünschte, als sein Reich von dem Übergewicht der Reederei und des Handels der Holländer zu emanzipieren. Man traute ihm den Gedanken zu, daß der Streit der beiden seegewaltigen Nachbarn für ihn vorteilhaft