Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Ein Umschwung der öffentlichen Meinung in England trat dadurch ein, daß Ludwig XIV. nach dem Tode Jakobs II., im September 1701, sofort dessen Sohn Jakob (III.) als rechtmäßigen König von England anerkannte. Im Januar 1702 beschloß das Parlament, 40 000 Mann Landtruppen und 40 000 Matrosen auszurüsten; Englische Geschichte 7, 271. 277. Am 8./19. März starb Wilhelm III., nachdem ein englisches Heer unter Marlborough in Holland gelandet war.
38. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst von Brandenburg
Preußische Geschichte I u. II, Werke Bd. 25 u. 26 S. 378-382.
Kurfürst Friedrich Wilhelm erscheint als ein Mann von natürlichster Einfachheit, der, wenn er über den Markt geht, wohl ein paar Nachtigallen kauft, die man feilbietet, denn er liebt Singvögel in seinen Gemächern; der in seinem Küchengarten das aus der Fremde gebrachte Reis mit eigner Hand pfropft, in Potsdam die Trauben im Weinberge lesen, die jungen Karpfen im Teich fischen hilft. Dabei aber richtet er sich doch eine stattliche Hofhaltung ein; er hält auf die Abzeichen, die ihn von allen andern unterscheiden, er legt selbst Wert darauf, daß er einen gewissen Aufwand machen kann, nach welchem ihn niemand zu fragen hat. Für die Künste wohnte ihm ein natürliches Talent inne, so daß er das Gute und Brauchbare auf den ersten Blick unterschied. Er war mehr ein Kriegsmann als ein Gelehrter, aber er hatte Sinn für Gelehrsamkeit und den Wunsch sich allseitig zu unterrichten. Wichtige Fragen über zweifelhafte Punkte legte er den Gelehrten vor, die er erreichen konnte, und ließ sich von ihnen Vortrag halten, ohne die Kontroverse zu scheuen. In seinen mittleren Jahren geschah das alle Tage; die Staatsgeschäfte litten dabei nicht. Er war vielmehr überzeugt, daß er eben des Rates der Gelehrten bedürfe, um sie zu führen.
Seine Staatsverwaltung hatte eine patriarchalisch-familiäre Ader. Eine große Anzahl eigenhändiger Briefe von ihm an seinen vertrautesten Rat, Otto von Schwerin, sind aufbehalten. Alle öffentlichen Geschäfte und häuslichen Ereignisse werden darin in den Formen der herzlichsten Freundschaft erörtert. Der Fürst wünscht z. B. seinem Minister einen glückseligen guten Morgen oder Gottes Beistand bei der bevorstehenden Entbindung seiner Frau Liebsten. Darum aber durfte dieser keine persönlichen Interessen in die Verhandlungen mischen. Er wird wohl bedeutet, keine Affekte blicken zu lassen, wo er nur seine Meinung zu sagen habe.
In der alten Weise deutscher Fürsten liebte Friedrich Wilhelm noch regelmäßige und eingehende Deliberation. Schon Oxenstierna328 lobt einmal den Fleiß, mit welchem der Kurfürst in seiner Jugend den Sitzungen seines Geheimen Rates beigewohnt, wie er sich sogar die Mühe gegeben habe, die verschiedenen Abstimmungen aufzuzeichnen. Er zog besonders juristisch gebildete Männer, welche politisches Talent verrieten, in denselben. Im versammelten Staatsrat hielt er fürs beste alle sprechen zu lassen, und zwar die jüngsten Mitglieder zuerst, weil sie, wenn die älteren ihre Meinung zuvor aussprächen, durch deren Autorität leicht beherrscht werden würden. Seine Methode war, alles zu hören, aber selbst keine definitive Meinung zu äußern. Dafür behielt er die stille Überlegung mit sich selbst vor, nicht ohne Gebet. Durch diese Erhebung der Seele meinte er in den Stand gesetzt zu werden, den besten Rat zu finden und zu wählen. Man verglich sein Urteil mit dem Neigen der Zunge in der Wage, nach der Seite hin, wo das Übergewicht der Gründe fällt, fast ohne Willkür. »Und was ich dann«, sagt er, »im Geheimen Rat einmal beschlossen, das will ich auch vollzogen haben.«329 Eben aus dieser Verbindung von Deliberation und entschiedenem Willen leitete man seine Erfolge her. Seine Grundsätze waren: wohl überlegen, rasch ausführen; wo die Not vorhanden, da gilt kein Privilegium.
Sehr bequem und beliebt war sein Regiment mit nichten; die allgemeine Klage war, daß er die Untertanen zu sehr belaste, und zwar immer stärker, je älter er wurde. Man hatte viel von seinem Jähzorn zu leiden, der dann auch keineswegs ohne Einfluß auf die Geschäfte blieb. Wenn die großen Angelegenheiten überhaupt selten ohne Leidenschaft verwaltet werden, so war das auch bei ihm nicht der Fall; aber in der Situation lag ein gutes Korrektiv momentaner Aufwallungen. Man hat wohl erlebt, daß er nach irgendeiner ihm geschehenen Mißachtung Feuer und Flamme war, um sich zu rächen, den andern Tag aber Friedensentwürfe zum Vorschein brachte, welche sehr wohl erwogen und von der andern Seite angenommen werden konnten. Alles war voll von Gärung und Wechseln der Entschlüsse; wer im vorigen Jahre mit Krieg und Verderben bedroht worden, dem wurden nach veränderten Umständen im laufenden Anerbietungen zu der engsten Verbindung gemacht. Jede neue Wendung der Dinge regte neue Entwürfe auf; die persönliche Stimmung wurde doch immer durch die allgemeine Erwägung beherrscht.
In seinem Geiste war etwas Weitausgreifendes, man möchte sagen: allzuweit, wenn man sich erinnert, wie er Brandenburg in unmittelbaren Bezug zu den Küsten von Guinea brachte und auf dem Weltmeer mit Spanien zu wetteifern unternahm, oder wie er auf den Entwurf einging, zur Begründung einer allgemeinen Wissenschaft eine von aller Rücksicht auf die christlichen Konfessionen unabhängige Universität zu stiften.330 Er zweifelte nicht an dem Erfolge der geheimen Wissenschaften;331 er liebte von dem Entlegenen und Wunderbaren zu hören, und dabei war er doch durch und durch praktisch. An jeder Tätigkeit der Menschen hat die Imagination großen Anteil, denn das Zukünftige muß sich dem Geiste in ergreifbaren Formen darstellen. Die Verbindung einer ausführenden Tätigkeit mit einer Phantasie, die vor dem Unausführbaren nicht auf den ersten Blick zurückweicht, gibt seinem Wesen um so mehr etwas Großartiges und Außerordentliches. Wir fühlen um ihn her die geistige Luft, in welcher der Genius atmet, die Handlungen, die sich auf einem unendlichen Hintergrund der Gesinnung und der politischen Anschauungen erheben.
In seinen jüngeren Jahren erschien der Kurfürst als ein schöner Mann, groß und wohlgewachsen, mit vollem Gesicht, bedeutend ausgeprägten Zügen und hellen Augen. Er vereinigte den Ausschluß der Entschlossenheit mit höflichem Wesen; man urteilte aus seinem Gespräch, daß er die Welt kenne und die Geschäfte verstehe. So erschien er bei jener Zusammenkunft in Bromberg,332 auf welche dann bald ein Besuch der Königin von Polen in Berlin folgte. Da kehrte der Kurfürst eine andre Seite seines Wesens hervor; er holte sie mit einem Gefolge von 4000 Mann ein und ansehnlichem Geschütz, das zu ihrer Begrüßung gelöst wurde. So begleitete er sie auch, als sie wieder abreiste. Als sie sich von seiner Gemahlin getrennt hatte, ritt er noch eine Zeitlang neben dem Wagen her, stieg dann ab, um persönlich Abschied zu nehmen. Der Besuch hatte seiner Gemahlin Luise Henriette von Oranien gegolten, die auch mit ihm in Bromberg gewesen war. Sie erschien neben ihm sanfter und ruhiger, sie war klein, aber wohlgestaltet; sie sprach wenig und verriet eine Neigung zu Melancholie. Sie fastete alle Dienstage, weil ihr Bruder an diesem Tage gestorben war. Auch bei festlichen Gelagen hielt sie dies ihr Gelübde; sie nahm die Gesundheiten an, die man ihr brachte, und erwiderte sie, ohne zu trinken. Aber mit