Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Er hat den brandenburgischen Staat nicht etwa geschaffen, denn in seinen Grundlagen bestand derselbe bereits und hatte seinen eigentümlichen Charakter, aber diese Bestandteile hat Kurfürst Friedrich Wilhelm nicht allein zusammengehalten, sondern auch solche von wesentlichster Bedeutung hinzugefügt und ihnen die Idee eines Staates eingehaucht, das Bewußtsein nicht allein eines äußern, sondern auch eines innern Zusammenhaltes. Die bewaffnete Macht war der vornehmste Mittelpunkt der Einheit des Landes; sie hat ihm selbst und allen seinen Nachfolgern ihre Stellung in der Welt gegeben. Seine ganze Staatsverwaltung beruht darauf; er selbst hat der Armee zwei Drittel der Einkünfte zugewendet; seinem Nachfolger hat er sterbend das Heer als seine eiserne Hand empfohlen und ihn verpflichtet, sie aufrechtzuerhalten. Ein andres Moment, das alles zusammenhielt, war die Religion. Nicht sowohl die Ausbreitung des evangelischen Bekenntnisses als die Verteidigung desselben hat seine Politik alle die Jahre seiner Regierung hindurch beschäftigt. Anknüpfend an die Altvordern hat er dem werdenden Staate seinen protestantischen Charakter auf das tiefste eingeprägt und ihn für alle Folgezeit befestigt.333
Die Verbindung Brandenburgs mit dem Reiche war die Grundlage seiner Politik. Die Idee des Reiches trug er tief in seiner Seele; man sagte wohl, er sei der einzige, in welchem diese Idee lebe, ohne ihn würde sie zugrunde gehen. Und wenn Brandenburg durch ihn eine gesicherte Stellung in Deutschland und Europa gewann, so hat er gleichsam seinen Nachkommen ihre künftigen Bahnen demgemäß vorgezeichnet. Die Erwerbung von Pommern in den Verbindungen, in denen sie später ausgeführt worden ist, die Eroberung von Schlesien schon mit Andeutung eines Feldzugsplanes zu diesem Behuf, selbst ein Unternehmen gegen Frankreich, wo er das alte durch Parlamente und mächtige Stände beschränkte Königtum, mit welchem Europa in Frieden leben konnte, herzustellen gedachte, hat er entworfen; eine kleine Marine, die freilich wieder zugrunde ging, hat doch die Idee einer brandenburgischen Seemacht lebendig erhalten.
Eine der empfindlichsten Schwierigkeiten in seinem Leben bildete die Differenz des reformierten Bekenntnisses, zu welchem er sich mit vollem Herzen hielt, und des lutherischen, welches seine Untertanen mit altdeutscher Glaubensfreudigkeit erfüllte. Seiner Gemahlin Dorothea, die ihm zu Liebe zum reformierten Bekenntnis übergetreten war, schreibt man zu, daß sie seinen Eifer gegen die Lutheraner gemäßigt habe. Er hätte dann nichts mehr gewünscht, als beide Bekenntnisse, wenn nicht zu vereinigen, so doch zu versöhnen. Er beschwerte sich oft über die Hartnäckigkeit der Lutheraner, aber auch über den Eifer der Reformierten, namentlich in Behauptung der Beschlüsse von Dordrecht. Noch in seinen letzten Stunden beklagte er sich darüber, daß unter den Evangelischen so wenig Eintracht herrsche. Er wußte, welch ein Moment entscheidungsvoller Kämpfe dem Protestantismus bevorstand.334 Jene Erwartung einer durchgreifenden Umwandlung der europäischen Politik zugunsten des allgemeinen Gleichgewichts, die er in seinen letzten Tagen kundgab, war zugleich religiöser Natur. Was aber könnte den Abschied aus diesem Leben leichter machen als religiöse Überzeugung? Der Kurfürst zeigte ein volles Bewußtsein davon. Der Stoismus, den man ihm wohl zuschreibt, ist eben der feste, seiner Sache gewisse Glaube. Er wußte, was die Lehre von der Erlösung bedeute: die Reinigung der im Laufe des Lebens nicht ohne Makel gebliebenen Seele und ihre Rettung. In ihm durchdrang sich das Vertrauen auf den Sieg der guten Sache in der Welt und auf die Fortdauer des persönlichen Daseins auf einer höheren Stufe.
Unterwerfung der ostpreußischen Stände, Preußische Geschichte 1 u. 2, S. 284 bis 288. Schlacht bei Fehrbellin, S. 318-321. Aufnahme der französischen Reformierten, S. 351-360. Testament. S. 388-401.
39. Staatsverwaltung König Friedrich Wilhelms I. von Preußen
Preußische Geschichte III u. IV, Werke Bd. 27 u. 28 S. 160-183.
Wenn es unleugbar ist, daß die gesamte Administration den Zweck hatte die Armee zu erhalten und zu vermehren, so wäre derselbe doch nicht durch einseitig drückendes Gebot zu erreichen gewesen. Die Verwaltung Friedrich Wilhelms charakterisiert es, daß sie zugleich die natürlichen Hilfsquellen des Landes erschloß und seine Ertragsfähigkeit hob. Dabei eröffnete sich ihm ein weites Feld für sein eigentümliches Talent und eine dem Bedürfnis entsprechende Tätigkeit. Bei seines Vaters Tode, sagt er einmal, habe er nicht allein die Armee in ungenügendem Stande gefunden, sondern auch die Domänen verpfändet und zum Teil in Erbpacht ausgetan, die Finanzen einem Bankerott nahe, in allen Dingen eine unbeschreibliche Unordnung, überdies das Land Preußen durch eine verderbliche Seuche herabgebracht. Alledem abzuhelfen, und zwar in verhältnismäßig kurzer Zeit, erklärt er für sein Meisterstück.
Die Grundlage von allem war die landwirtschaftliche Einrichtung, namentlich der Domänen. Wir berührten schon, welchen Anteil er an dem Falle des Erbpachtsystems hatte;335 er hielt es für eine seiner dringendsten Angelegenheiten, die bei seiner Thronbesteigung noch in den Händen der Erbpächter befindlichen Domänen sich wieder zuzueignen. Das Erbstandsgeld, das sie gezahlt, ließ er ihnen zurückgeben, aber sofort mit Sack und Pack sollten sie die Güter räumen, welche sein, des Königs, seien, deren Besitz ihm von Gott und Rechts wegen zugehöre. Die Gefahr dieses Versuches diente ihm zum Anlaß, eine alte Satzung des Hauses, nach welcher die von den Vorfahren angeerbten Lande nicht veräußert werden durften, in den stärksten Ausdrücken zu erneuern und auf alle Güter und Einkünfte auszudehnen, die seitdem erworben seien oder noch erworben werden würden.336 Der König führte überall die Zeitpacht zurück und genoß das Vergnügen, seine Einkünfte dabei sich noch mehren zu sehen. Die Pacht war immer auf sechs Jahre bestimmt, und er ordnete die strengste Aufsicht bei Erneuerung derselben an. Der Präsident der Provinzialkammer, unter welchem die Ämter stehen, soll sie bereisen sowie der Schnee schmilzt, nachsehen ob die Zahl und Beschaffenheit der Äcker mit dem Anschlag übereinkommt, diese nötigenfalls wieder ausmessen lassen und sich in Person eine so genaue Kenntnis verschaffen, daß er weder von den Pächtern noch etwa von seinen Räten betrogen werden kann. Für jede Verbesserung sollen Voranschläge gemacht und diese alsdann um keines Hellers Wert überschritten werden; der Pächter, der durch seine Kaution gebunden ist, soll niemals Zahlungsfrist erhalten. Die Hofkammer, die an der Erbpachtsache so vielen Anteil genommen, ward aufgelöst und eine allgemeine Direktion der Domänen eingerichtet, unter welcher sämtliche Amtskammern standen. Eine andre Art von Aufsicht, die alle Behörden durchsetzte und in einer mehr durch Furcht als durch Hoffnung angeregten Spannung hielt, führte der König selbst; für den Betrieb der Landwirtschaft hatte er nicht weniger Gaben als für den militärischen Dienst und sich ebensoviel besondere Kenntnis davon erworben.
Man hat damals gesagt, was man von Friedrich Wilhelm I. nicht erwarten sollte, eine Stelle aus einem alten griechischen