Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Die Administration empfing dadurch einen eigentümlichen Charakter, daß es für dieselbe eine Menge ererbter oder erkaufter, durch einen glänzenden Titel ausgezeichneter Ämter gab. Man hätte sie gern abgeschafft, zurückgekauft; da das nicht anging, so ließ man ihnen ihre Ehre, ihren Geldgewinn; vom Anteil an der Verwaltung aber waren sie ausgeschlossen. Die lokalen Autoritäten, Gouverneurs und Parlamentspräsidenten, Magistrate und Feudalherren bedeuteten nichts mehr neben den Intendanten, die in den Provinzen die oberste Gewalt in die Hände nahmen, und ihren Unterbeamten, den Kommissären, Inspekteurs, welche alles Wesentliche der Geschäfte besorgten. Mochten z. B. die Schatzmeister von Frankreich auch den Titel Voyers, Aufseher der Wege führen: die Sorge für die Straßen fiel den Ingenieurs zu, welche von den Intendanten eingesetzt wurden.
Der Unterschied der beiden Klassen ist, daß die erste einen Rechtstitel hatte, der ihr eine gewisse Unabhängigkeit verlieh, die Beamten der zweiten jeden Augenblick abgesetzt werden konnten. Denn eine andre Rücksicht als Tauglichkeit zum Dienst und unbedingter Gehorsam sollte nicht mehr gelten. Es war das System Richelieus, gegen das man sich in der Fronde erhoben hatte, das aber siegreich geblieben und dann von Ludwig XIV. vollkommen durchgeführt war. An der Spitze dieser Hierarchie standen die Minister, deren nach unten hin unbedingten Gehorsam erzwingende, von dem Monarchen aber ebenso unbedingt abhängige Autorität in der langen Regierung Ludwigs XIV. erst Wurzel geschlagen hatte. Sie waren allmächtig, aber jeden Augenblick absetzbar.
Die Vorkämpfer der Privilegien des Adels haben geklagt, die Unterordnung des Dienstes sei dazu erfunden worden, um das Vorrecht der Geburt herabzuwürdigen; sie können sich nicht darüber zufrieden geben, daß die Großen des Landes von der obersten Regierung ausgeschlossen, daß die vornehmsten Edelleute den Intendanten untergeordnet sind; sie sehen darin fast eine absichtliche Erniedrigung des Adels unter den dritten Stand. Das war nun aber einmal das Resultat der historischen Entwicklung. Die Teilnahme an der höchsten Gewalt war den Großen des Reichs in langem Kampfe abgerungen worden; wie hätte man darauf kommen sollen, sie ihnen zurückzugeben?
Für Ludwig XIV. knüpfte sich an seine Verwaltungsweise noch ein besonderes Mittel, den Gehorsam zu befestigen. Unter allem, was um ihn her ein eigenes Recht besaß, genoß das Parlament das größte Ansehen in der Nation, jede Bewegung desselben hätte ihm gefährlich werden können. Wenn wir sehen, wie er es geflissentlich niederhielt,261 so müssen wir doch hinzufügen, daß er es auch zu gewinnen wußte. Die großen Stellen des Staats wurden in der Regel parlamentarischen Männern zuteil; die hohe und beneidete Wirksamkeit, welche den vornehmsten Persönlichkeiten aus den großen Familien der Robe262 zufiel, die vielfache Förderung, die auch den übrigen zugute kam, machte die Parlamente geneigt, sich der Regierung anzuschließen, wiewohl diese ihre besonderen Gerechtsame sonst zurückdrängte.
Das Prinzip, von dem man ausging, war kein andres, als welches schon unter Ludwig dem Heiligen gegolten: die allgemeinen Interessen, deren Träger das Königtum ist, denjenigen gegenüber aufrechtzuerhalten, die durch ihren Stand darüber erhaben zu sein glaubten. Der Staat mußte eine ihm eigene lebendige Repräsentation haben. Aber unleugbar ist doch, daß es für den dritten Stand als solchen von Bedeutung war, wenn die Ausübung der höchsten Gewalt an Männer kam, die ihm angehörten und ihm zugerechnet wurden, ob sie schon Adelstitel trugen.
Diese zentralisierte und durch ergebene Hände ausgeübte Autorität der allgemeinen Interessen, deren Einfluß man nicht leichthin verdammen darf, bemächtigte sich der Gemüter. Gar nicht auszusprechen ist, wie Ludwig XIV. durch Anwendung ansehnlicher Mittel auch in den späteren Jahren zur Förderung der Wissenschaften gewirkt hat. An die Gründung des Observatoriums263 knüpften sich die Fortschritte der Astronomie und Geographie, an die Einrichtung des botanischen Gartens die Entwicklung der Naturgeschichte, selbst der Physiologie. Die großen historischen Sammelwerke verdanken seiner Protektion ihren Ursprung und Fortgang. Verdienste, die weit über die Staatsverhältnisse hinausreichen und doch auch für diese nicht ohne Bedeutung sind, weil dadurch eine Anzahl ausgezeichneter Männer in nahen Zusammenhang mit der Regierung trat. Auch Gewerbe und Verkehr fühlten sich als ein Teil des Ganzen. Ein jeder wußte, daß, wenn die kommerzielle und industrielle Tätigkeit sich in den von dem höchsten Willen vorgeschriebenen Richtungen bewegen mußte, der leitende Gedanke dabei auf Erhöhung der materiellen Kräfte der Nation, Beförderung ihres Reichtums nach den noch allenthalben geltenden Begriffen gerichtet war.
So diente das religiöse Interesse, welches der Krieg auf eine und die andre Weise darbot, dem Klerus zum Antrieb für die umfassenden Bewilligungen, welche seine Unterordnung unter die Krone zugleich an den Tag brachten und befestigten. In mancherlei Art kam der Klerus der königlichen Autorität zu Hilfe, selbst bei Eintreibung der Steuern. Die Beichtväter wurden erinnert, das Gewissen ihrer Pflegebefohlenen gegen die Defraudationen zu schärfen, über welche die Partisans und Antizipanten264 klagten. Die Bischöfe versäumten nicht, ihre Verwandten, die dem König mit den Waffen dienten, aus den Überschüssen ihrer Pfründen zu unterstützen. Der Bauer fluchte, wenn er die Steuer zu zahlen hatte; mit dem Rest seines Geldes begab er sich dann ins Wirtshaus, um mit seinem Nachbar zu schwatzen. Den Gegenstand ihres Gesprächs bildeten die Kriegsereignisse; in Gedanken eroberten sie Festungen, gewannen Schlachten und nahmen teil an den kriegerischen Großtaten ihrer Landsleute; sie endigten damit, auf die Gesundheit des Königs und der nahmhaftesten Kriegsführer zu trinken.
An Mißvergnügten konnte es nicht fehlen, aber es gab niemand, um den sie sich hätten sammeln können. Eine so enge Verflechtung aller Interessen bestand, daß an keine Absonderung eines einzelnen zu denken war. Wenn dennoch Gegensätze auftauchten, so entsprang das vor allem daher, daß die höchste Gewalt auch in der umfassenden Autorität, mit der sie ausgerüstet war, ihre Zwecke nicht erreichen konnte. Nachdem der König alles getan, um mit der Kirche in gutem Vernehmen zu stehen, war er doch zuletzt in eine kirchliche Streitigkeit geraten,265 aus welcher er keinen Ausgang finden konnte. Sobald hohe Geistliche den Mut faßten, seinem Willen zu widerstreben, hatte man auf geistlichem Gebiete kein legales Mittel, sie zur Unterwerfung zu nötigen. Das innigste Zusammenwirken des Papsttums mit dem Königtum wäre dazu nötig gewesen; aber es fand entweder an den Satzungen des Königreichs oder an den Maximen von Rom ein unüberwindliches Hindernis. Um seine Regierungsweise über die Dauer seines Lebens hinaus fortzupflanzen, griff der König zu Mitteln, deren Legalität sehr zweifelhafter Natur war.266
Man hat in dieser Epoche den Versuch gemacht, die Grenzen der absoluten Gewalt zu bestimmen. Die Protestanten, welche früher die gehorsamsten Untertanen gewesen, suchten nach einer Rechtfertigung ihres Widerstandes, wiewohl derselbe nur eigentlich in der Flucht hervorgetreten war,267 und fanden eine solche in der Lehre von der Souveränität des Volkes,268 die allerdings auf den König übergegangen sei, aber nicht ohne die Beschränkung, welche ihr von Natur einwohne. Später hat man jede Gewaltsamkeit mit der Idee der Volkssouveränität zu rechtfertigen gemeint; Jurieu dagegen lehrt, daß sie sehr bestimmte Grenzen, habe, vor allen