Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
---|---|
Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Im Februar 1681 trat der Kaiser, einige Monate später der König von Spanien der Assoziation bei. Ihr Einfluß auf eine Unzahl Fürsten und Stände des Reiches war so stark, daß man sofort von einer Erneuerung des Krieges gegen Frankreich redete. Dem aber setzten sich andre entgegen, vor allem der Fürst, welcher zu Nimwegen aufs entschiedenste gegen den Abschluß des Friedens gewesen war, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Damals, sagte er, habe man auf einen längeren Stillstand mit den Türken zählen können, tapfere und erfahrene Kriegshäupter seien vorhanden gewesen, eine Armee im Anzuge, die einige Jahre vorher einen Sieg nach dem andern erfochten, Straßburg noch unerobert und mit allen notwendigen Kriegsmitteln versehen; dennoch habe der Kaiser damals den Frieden unter den ungünstigsten Bedingungen geschlossen. Jetzt seien die besten Truppen abgedankt, der türkische Stillstand dem Ablauf nahe, an Einigkeit im Reiche nicht zu denken, Straßburg verloren, und da solle nun der Krieg wieder angefangen werden. Kein Zweifel, daß das Reich an sich dazu berechtigt wäre, aber welche Mittel habe es, den gerüsteten, übermächtigen König zu bestehen? Wenn es mit ihm breche, wer könne ihn hindern, Mainz zu erobern und seine Besitzergreifungen bis nach Franken auszudehnen? Auch das bisher Eingenommene werde er dann mit besserem Schein und größerer Sicherheit besitzen. Jene zu einem Austrag bestimmte Konferenz239 war indes zusammengetreten240; der Kurfürst drang darauf, daß man den König von Frankreich bei seinem Versprechen, nicht weiter gehen zu wollen, festhalten und, da man ihn nicht angreifen könne, ohne das Bestehen des Reiches in Frage zu stellen, eine Abkunft mit ihm treffen möge. Die Wahrheit dieser Erwägungen ist einleuchtend; denn wie darf man die Entscheidung des Schwertes herausfordern, wenn man zum Kampfe nicht gerüstet ist? Vor allem stimmten die zunächst bedrohten rheinischen Fürsten bei; sie erwarteten nicht das mindeste von den Truppen des Reiches. Eine militärische Bewegung derselben, meinten sie, werde nichts andres bewirken, als daß die französische Kriegsmacht mit ungeheurem Übergewicht das gesamte Reich überflute.
Überdies aber hatte eine erbitterte Stimmung gegen ein Oberhaupt, das sie nicht mehr schützen zu können schien, im Reiche um sich gegriffen. Bei dem Falle von Straßburg hat der Kurfürst von Mainz ausgerufen, Österreich sei nicht mehr fähig, das Reich zu behaupten, man müsse sich einen andern Kaiser suchen. Und diese Gesinnung teilte nun wieder der Kurfürst von Brandenburg. Ergrimmt über den Kaiser, der in Nimwegen gegen seinen Wunsch zum Frieden geschritten, empört über Spanien, durch dessen nachlässige Kriegführung die Zurückgabe seiner über Schweden gemachten Eroberungen zur Ausgleichung notwendig geworden war, und entschlossen diese ein andermal wiederzugewinnen, hatte er mit Spanien-Österreich gebrochen und dagegen die engste Verbindung mit Frankreich getroffen.241 Sobald Schweden einen Rückhalt an dem Kaiser fand, warf sich Brandenburg wie von Naturnotwendigkeit gedrängt auf die Seite von Frankreich. Nur mit Hilfe von Frankreich und Dänemark meinte der Kurfürst die Schweden vom deutschen Boden verjagen zu können; er behauptete, mit diesen beiden Reichen darin einig zu sein, daß die schwedische Macht wieder in ihre alten Grenzen zurückgetrieben werden müsse. Aber überdies machte sich Frankreich anheischig, ihm zu seinen schlesischen Ansprüchen zu verhelfen: eben das sind die beiden Direktionen, durch deren Ausführung Brandenburg später eine Macht geworden ist. Noch nie hatte sich die brandenburgische Selbständigkeit im deutschen Reiche so hervorgetan. Immer gewohnt, die entschiedensten Richtungen einzuschlagen, die letzten Folgen derselben kühnlich ins Auge zu fassen, ging Kurfürst Friedrich Wilhelm auf den Gedanken ein, dem Hause Österreich bei der nächsten Vakanz das Kaisertum zu entreißen und entweder, wie sein Vorfahr Joachim I., dem König von Frankreich selbst oder, was später der ruhmvollste seiner Nachfolger getan hat, einem Fürsten, über den er sich mit Frankreich verständigen würde, seine Stimme bei der Kaiserwahl zu geben. Hatte er nicht einst dem Kaiser Leopold die Krone im Gegensatz gegen die Anhänger von Frankreich verschafft? Er meinte ihn zu dem Manne gemacht zu haben, der er war, und wollte sich nun nicht von seiner einseitigen Politik ins Verderben ziehen lassen. Alles Heil schien ihm darin zu liegen, daß das Reich vor weiteren Verlusten gesichert würde. Der König von Frankreich mußte ihm versprechen, von allen Umgriffen im Reiche fortan abzustehen, allen Rechten und Ansprüchen, welche er auf Besitzungen oder Rechte in demselben sonst wohl machen könne, für sich und seine Erben zu entsagen.242
So geschah, indem Deutschland eine Vergewaltigung erlitt, wie es noch nie erfahren, daß im Innern ein Zwiespalt ausbrach, der jeden Widerstand dagegen unmöglich machte, beruhend auf den alten Gegensätzen der Religion und Politik, der Verstimmung welche die letzten Ereignisse hervorgebracht hatten, der Furcht vor den noch bevorstehenden. Überhaupt für das deutsche Reich ein Moment der größten Gefahr, den es je erlebt. Zu der Entzweiung, die sich in verzweifelten Entschlüssen kundgab, und den Feindseligkeiten von Frankreich kam noch ein mit aller Heftigkeit eines barbarischen Heerhaufens unternommener Angriff der Türken. Mit den ungarischen Mißvergnügten, die sonst von Frankreich her gegen Österreich unterstützt worden, einverstanden, im Verein mit Tököli, den sie als König anerkannten, wälzten sie sich im Jahre 1683 daher, um die Unternehmung gegen Wien durchzuführen, die ihnen anderthalb Jahrhunderte früher mißlungen war.
Man hat oft angenommen, der König von Frankreich habe diesen Anfall hervorgerufen oder einen wesentlichen Einfluß darauf ausgeübt. Ich denke nicht, daß sich das behaupten läßt. Ein wirkliches Einverständnis zwischen den beiden Mächten vorauszusetzen, liegt kein Grund vor. Jede Andeutung von dem Bestehen eines solchen hat der französische Minister Colbert Croissy243 mit Ausdrücken des Abscheus zurückgewiesen. Dennoch ist unleugbar, daß auch ohne Übereinkunft ein in der Lage der Dinge begründetes Verhältnis zwischen dem Anfall der Türken und der feindlichen Haltung der Franzosen bestand. Colbert Croissy sagte einmal, nicht die Eroberung von Wien durch die Türken liege im Wunsche der Franzosen, aber allerdings eine längere Dauer der Belagerung; sie meinten, unter dem Eindruck dieser Gefahr alle ihre Ansprüche gegen den Kaiser und gegen Spanien durchzuführen.
Ludwig XIV., der bei der ersten Nachricht von dem bevorstehenden Zuge der Türken die Blokade von Luxemburg aufgehoben hatte, und zwar, wie er verkündigte, um die Verteidigung gegen dieselben nicht zu hindern (denn er wollte zwar noch nichts gegen sie unternehmen, aber auch um keinen Preis als ihr Verbündeter erscheinen), wurde im Sommer 1683 bewogen, auch in den deutschen Sachen von der Strenge seiner Forderungen nachzulassen. Er bestand nicht mehr auf einer definitiven Annahme der von ihm vorgelegten Bedingungen durch einen förmlichen Friedensvertrag, sondern nur auf dem Abschluß eines langjährigen Stillstands.244
31. Verwüstung der Pfalz durch die Franzosen 1689
Französische Geschichte IV., Werke Bd. 11 S. 34 ff.
Noch zwei Tage früher, als