Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Koblenz und Köln wurden noch durch rechtzeitiges Eintreffen nachbarlicher Hülfe geschützt. Aber wie Trier, von seinem Erzbischof verlassen, in der Tat nicht hatte gerettet werden können, so wurden die Festungen des Kölner Erzstifts, Neuß, Bonn, Rheinberg und Kaiserswerth, von dem Kardinal Fürstenberg aus freien Stücken den Franzosen überliefert; diese sollten sie für ihn gegen Kaiser und Reich behaupten. Auf diese Weise waren die Franzosen Meister der vier vorliegenden Kurfürstentümer geworden; sie beherrschten den Rhein weit und breit an beiden Ufern, sowie den Neckar. Unschätzbare Vorteile, wenn nun der Krieg mit den zuerst gefaßten Absichten weiter geführt werden konnte; sie waren recht geeignet die deutschen Patrioten, die von der Haltbarkeit jener Festungen und Städte einen ganz andern Begriff gehabt hatten, zu entmutigen und sie zur Annahme des Friedens zu stimmen. Aber als der große Bund geschlossen ward,247 fühlte sich alles in demselben Grade zum Widerstand angefeuert, da es am Tage lag, daß Frankreich nunmehr Feindseligkeiten von größerer Nachhaltigkeit zu bestehen haben würde als bisher.
Zunächst hatten die Franzosen für Verstärkung der Verteidigungsanstalten längs des Ozeans Sorge zu tragen. Bei 50 000 Mann Milizen, welche die Pfarren stellen mußten, wurden an den Küsten von Guienne, Bretagne und Normandie verteilt und geübten Offizieren zur Einübung anvertraut, um die bedroht scheinenden Punkte zu schützen. Besonders auf Guienne war die Aufmerksamkeit gerichtet, wie denn in der Tat in England gleich anfangs ein Anfall auf diese Provinz beabsichtigt worden ist, weil sie noch Hugenotten in Menge enthielt, von denen man meinte, sie würden sich bei der ersten Gelegenheit erheben. Galeeren wurden daselbst instand gesetzt, um jede Annäherung kleiner Fahrzeuge zu hindern.
Aber überdies mußte der Krieg in den Niederlanden und an den Pyrenäen geführt werden. Die Franzosen versicherten zwar, daß sie 800 000 Mann aufstellen und von diesen gewiß die Hälfte im offenen Felde würden verwenden können, aber wenigstens in dem ersten Feldzuge haben sie diese Anzahl nicht von ferne erreicht. Wohlunterrichtete Männer berechnen, daß sie anfangs an den Pyrenäen 10 000, in den Niederlanden etwa 40 000 Mann, in Deutschland gewiß ebenfalls nicht mehr im aktiven Dienste hatten. Wie es sich aber auch mit der Richtigkeit dieser Ziffern verhalte, auf keinen Fall waren die Franzosen stark genug, alle die Plätze, welche sie am Mittelrhein besetzt hatten, zu behaupten. Die Unfähigkeit, dies zu bewirken, die Verlegenheit, in die sie dadurch gerieten, führte sie zu einer gräßlichen Handlung. Sie entschlossen sich, von den eingenommenen Plätzen nur die beiden mit den besten Werken versehenen, Philippsburg248 und Mainz, ernstlich zu verteidigen. Was sollte aber mit den übrigen geschehen? Sollten sie den vordringenden deutschen Heeren einfach wieder überlassen werden?
Vauban hatte von der Zitadelle von Mannheim, Friedrichsburg, die mehr durch Verrat als Überlegenheit der Waffen gewonnen worden, bemerkt, daß man sie um keinen Preis wieder in die Hände der Deutschen dürfe geraten lassen; sie könnte dann an dieser wichtigen Stelle bis zur Unbezwinglichkeit befestigt werden und jetzt oder in Zukunft viel zu schaffen machen. Dann äußerte Marschall Duras, der mit dem Oberbefehl am Rhein betraut war, für die Verteidigung von Mainz und Philippsburg werde aus jenen zwar nur mittelgroßen, aber begüterten Ortschaften eine Gefahr entspringen, da sie dem deutschen Heere Hilfsquellen zu seinen Angriffen bieten würden. Folgerichtigermaßen regte sich der Gedanke und ward von dem erbarmungslosen Louvois ergriffen, daß es das beste sei, die Städte zu zerstören und ihre Einwohner nach dem französischen Gebiet wegzuführen. Man wünschte besonders die Pfalz in einem so wehrlosen Zustand zu setzen, daß der Kurfürst nicht daran denken könne, dahin zurückzukehren und wieder festen Besitz zu ergreifen. Aber auch die Bemerkung soll gemacht worden sein, daß dann um so leichter zwischen den Verbündeten wegen der Quartiere Streit ausbrechen werde.
In früheren Zeiten war immer der gute und der böse Krieg unterschieden worden. Daß die Maßregel, die Frankreich vorhatte, allem Kriegsgebrauch entgegenlief und unbeschreibliches Unheil über ein großes blühendes Land verhängte, konnte diejenigen nicht irren, die einer vermeinten Beleidigung wegen Genua249 beschlossen, dem Vorurteil der religiösen Einheit zuliebe Hunderttausende ihrer eignen Angehörigen mit den äußersten Gewalttätigkeiten bedrängt und schon in dem letzten Kriege ähnliche Verwüstungen, wiewohl in kleinerem Umfange, angeordnet hatten.250 Sie hatten nur dafür Sinn, daß sie dadurch in den Stand kommen würden, die eingenommene militärische Stellung im ganzen zu behaupten; wie den Einwohnern von Speier angekündigt worden ist, der König habe nicht Truppen genug, eine so große Stadt wie die ihre zu bewahren, aber auch der Feind dürfe hier keinen Unterhalt finden, nicht die Handreichung eines einzigen Menschen solle ihm zugute kommen, deshalb müsse Speier verlassen und geschleift werden; nicht etwa durch Mißvergnügen über die Einwohner werde der König zu diesem Entschlüsse bestimmt, die Beschaffenheit der Dinge bringe es so mit sich. Wie Speier, so wurden Worms, Mannheim und Heidelberg der Verwüstung preisgegeben;251 die Schlösser und Dörfer, die Zinnen der Mauern und die Bürgerwohnungen, die Rathäuser und die Dome, die Brücken über die Flüsse, die Grabstätten der alten Kaiser: der Besitz der lebenden Generation und die Denkmale der Vergangenheit, unschätzbar in diesem alten Lande der Kultur. Man kann noch heute die Holzschnitte der Zeit, in denen über den Türmen und Dächern so vieler altberühmten und kunstgeschmückten Städte die herausschlagenden Flammen und die darüber liegenden Rauchwolken abgebildet sind, nicht ohne Herzeleid ansehen.
Der Herzogin von Orleans, Elisabeth Charlotte,252 hatte man den Dauphin, als er nach Philippsburg ging, als ihren Ritter bezeichnet, der ihr Recht an die Pfalz mit dem Schwert verteidige, und sie meinte später selbst, daß die Erinnerung an sie, die alte Hingebung an ihr Haus dazu beigetragen habe, daß derselbe in der Pfalz so gut wie keinen Widerstand fand. Aber von Anfang an ahnte sie Unheil. Zum Erstaunen und Mißfallen des Hofes und des Königs verhielt sie sich schweigsam bei der Verteidigung ihrer Rechte oder äußerte sich mit Kälte und Besorgnis. Wie mußte sie es empfinden, als die Dinge nun, trotz der Bitte, die sie für Mannheim und Heidelberg einlegte, eine so entsetzliche Wendung nahmen. Sie betrachtet sich als die Ursache zu dem Ruin ihres Vaterlandes,253 den sie von der Ferne mit durchlebt, als wenn sie gegenwärtig wäre; mitten im Schlaf fährt sie auf, und alles stellt sich ihr vor, wie es früher gewesen war, sich unter dem fürsorgenden Auge ihres Vaters erst recht gestaltet hatte, und wie es nunmehr geworden sein mußte, und in welchem Zustande sie sich selber befand; in lautem Weinen brachte sie die Nächte zu.
Wenn aber diese Gewaltsamkeiten dienen sollten Mainz zu verteidigen, so ward der Zweck dadurch nicht erreicht. Die deutschen Streitkräfte, welche sich unter dem Herzog von Lothringen254 sammelten, wurden durch die Hilfstruppen, welche der Kurfürst von Bayern