Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Er hat vermittelt, daß die Ausgabe, die sich im Jahre 1670 auf 77 Millionen belief, 1679 auf 131 Millionen ansteigen konnte. Wie wäre das aber möglich gewesen, ohne daß er das ihm prinzipiell Verhaßte hätte tun oder dulden müssen? Colbert kannte recht wohl die Geheimnisse des Kredits und hat ihn durch einige Anordnungen gefördert; ihn anzuspannen trug er deshalb Bedenken, weil er fürchtete, die Leichtigkeit ihn zu benutzen werde zu unerträglichen Mißbräuchen und Unordnungen führen. Dennoch mußte er zu Anleihen schreiten, und zwar auf Zinsen von einer ihm verhaßten Höhe (von achthalb Prozent), deren Negoziation gleichwohl nicht ohne große Verluste von statten ging. Neue Taxen, Schaffung von Ämtern, mit allerlei drückenden fiskalischen Maßregeln waren nicht zu vermeiden. Und zugleich ward es für die Einbringung der Auflage, namentlich der Taille,229 nachteilig, daß die Truppen mit nicht zurückhaltender Gewalttätigkeit im Lande lagerten oder es von einer Grenze zur andern durchzogen. Die Besoldungen waren bisher regelmäßig in den bestimmten Terminen erfolgt; damit hatte es jetzt ein Ende, das Jahr der Pensionen fing an, zu 18 Monaten gerechnet zu werden. Die Schatzmeister der öffentlichen Bauten, die in der Regel Überschüsse verrechnet hatten, baten um Vorschuß; denn alles eingehende Geld brauchte man unmittelbar für den Krieg. Man bemerkte, daß Colbert, der sonst freudig bei der Arbeit war und sich im Gefühl einer befriedigenden Tätigkeit wohl die Hände rieb, wenn er daran ging, jetzt dagegen Verstimmung und Unmut an den Tag legte.
Nach dem Frieden von Nimwegen, als die gemachten Aufwendungen vollends liquidiert wurden, sind die Ausgaben noch höher gestiegen; überdies aber blieb die Armee auf dem Kriegsfuß, ungeheure Kosten machten die Bauten der Festungswerke. Noch ist nichts zutage gekommen, woraus sich ein Widerspruch dieses Ministers gegen die Verfolgung der Reformierten mit Bestimmtheit ergäbe. An der engen Verbindung zwischen Krone und Klerus, die dadurch befördert wurde, war auch ihm viel gelegen, und zum Äußersten kam es ja bei seinen Lebzeiten nicht. Er scheint den Erfolg des eingeschlagenen Verfahrens so wenig wie andre vorausgesehen, um die eigentlich religiöse Frage sich soviel nicht bekümmert zu haben. Aber daran kann kein Zweifel sein, daß er den Eintrag in den Finanzen, der schon damals aus den Drangsalen erwuchs, die man den Reformierten antat, aufs schmerzlichste empfand; für die Geldverwaltung lag eine neue Schwierigkeit darin. Dennoch gelang es ihm, das Gleichgewicht zwischen Ausgabe und Einnahme für das Jahr 1683 ziemlich wiederherzustellen; der schwersten Zinszahlungen wußte er das Land glücklich wieder zu entledigen.
Dem Kriege zum Trotz war der Handel, namentlich der levantische, in Aufnahme geblieben, die Manufakturen fanden in aller Welt reichliche Nachfrage. Der starke Ausgangszoll, mit dem sie belegt waren, und der der königlichen Kasse wohl zustatten kam, hinderte ihren Vertrieb nicht. Wie die Landmacht ward auch die Seemacht, und zwar diese unter Colberts eigener Aufsicht, in einen Achtung gebietenden Zustand gebracht. Bei seinem Eintritt in die Verwaltung der Marine hatte er nur 30 Kriegsfahrzeuge, darunter drei vom ersten Rang vorgefunden; im Jahre 1683 waren 32 Kriegsschiffe ersten Ranges in See, mit den noch im Bau begriffenen zählte Frankreich überhaupt 267 Kriegsfahrzeuge, mehr als irgend eine Macht der Welt.
Für die Bauten der königlichen Schlösser in Fontainebleau, Chambord, St. Germain und ihre Kosten schaffte er Rat. Versailles, das eben damals instand gesetzt wurde, um vom Hofe bezogen werden zu können, hat in den fünf Friedensjahren 40 Millionen Livres gekostet. An diesen Bau von Versailles knüpfte sich der Tod oder, wenn man will, die Katastrophe Colberts. Die von einem spätern Schriftsteller herrührenden Nachrichten von einem tadelnden Wort, das der König wegen der großen Kosten einiger Teile des Baues, z. B. des großen Gitters am Eingang, im Vergleich mit den Festungsbauten von Louvois an ihn gerichtet haben soll, wage ich nicht zu wiederholen. Aber ganz ohne Grund sind sie nicht. Auch der brandenburgische Gesandte weiß, daß ein Verdruß Colberts über jenen Bau zu seinem Tode beigetragen; er habe sich über die Arbeiter erzürnt, durch deren Nachlässigkeit die Brüstung eines neuen und schönen Zimmers zusammengebrochen sei. Der venetianische Gesandte meldet seiner Signorie das Ereignis, über das er besser als andre unterrichtet zu sein behauptet, folgendergestalt: Nicht über Colbert selbst, aber über dessen jungen Sohn Armois, welcher zu des Vaters Nachfolger bestimmt die Aufsicht über den Bau von Versailles führte, habe sich der König gegen Colbert beschwert; er habe gesagt, er wisse nicht wie es zugehe, daß er trotz seines großen Geldaufwandes schlechter als jeder andre bedient werde; Bald darauf, als Colbert wegen der Zahlung einer Summe Schwierigkeiten erhoben, habe ihm der König seine Verwunderung ausgesprochen, daß er ihn in solchen Dingen hartnäckig finde und ihn bitten müsse; das sei nicht der Fall mit Louvois, dem brauche er seine Wünsche nur anzudeuten, so seien sie schon ausgeführt. Colbert, von dem wir wissen, wie ganz er von der königlichen Gnade abhing, habe diesen Beweis der Ungunst, diese Bevorzugung seines Nebenbuhlers nicht ertragen können, er habe seinen Sturz vorauszusehen gemeint und sei darüber in eine tödliche Krankheit gefallen. Man habe ihm geraten, dem König über die Sache zu schreiben, ihm seine Verdienste in Erinnerung zu bringen; er habe jedoch davon nichts hören mögen, zu sterben sei ihm nicht unlieb gewesen. Mit Gewißheit weiß man, daß der König in seiner Krankheit an ihn schrieb; Colbert, der sich seinem Ende nahe fühlte, wollte den Brief nicht lesen, er wollte sich nur noch mit seinem Gott beschäftigen. Er starb im September 1683.
Hat aber Colbert nicht bis zuletzt die volle Gnade des Königs behauptet, so hat ihn das Volk, das in der Strenge seiner Staatsverwaltung eine willkürliche Bedrückung sah und an den Reichtümern, die seine Familie sammelte, Ärgernis nahm, mit bitterem Haß verfolgt. Die Leiche mußte mit militärischem Geleit nach der Grabkapelle geschafft werden, die heftig erregte Menge hätte sie sonst in Stücke gerissen. Man ließ sich nicht abhalten, Pasquille an dieser Kapelle anzuschlagen. Vierzehn Tage hörte man von nichts als Schmähreden gegen den Verstorbenen.
Ein Menschenleben voll Größe, Ernst und Schicksal. Eine für die Welt bedeutende, gleichsam angeborene Geistesrichtung und Gabe, ihr Raum zu verschaffen; auf den ersten Stationen des Dienstes Leistungen, die sich förderlich, unentbehrlich erweisen, und eine unerschütterliche Ergebenheit, die sich Vertrauen gewinnt; hierauf mutiges Vorgehen gegen einen Feind, der die höchste Stelle besitzt,230 jedoch einen verderblichen Weg eingeschlagen hat, bis es endlich gelingt, denselben zu stürzen; nunmehr die Gründung eines neuen Systems, durchgreifende rücksichtslose Reformen, nicht allein bedeutend für den Augenblick, sondern für alle Jahrhunderte. Alle Anstrengungen, die gemacht und andern zugemutet, die Gewaltsamkeiten, die nicht vermieden werden, erscheinen durch die Aussichten eines universalen Gedeihens, die sich daran knüpfen, der Wohlfahrt des Volkes und der Größe des Staates gerechtfertigt, erträglich, bis dann aus den Gegensätzen der Welt Verwicklungen hervorgehen, welche ein ruhiges Verfolgen des vorgesteckten Zieles unmöglich machen. Das Schicksal will, daß dieselben nicht ohne eigenen Anteil eintreten; der Rückschlag der Erfolge nötigt den Staatsmann, in den Verlegenheiten des Augenblicks fast zu dem Gegenteil von dem zu schreiten, was er ursprünglich beabsichtigte; dann erfüllt sich alles mit dornenvollem Mißvergnügen. Niemand erkennt mehr die Absicht, die große Idee; die Ordnung erscheint nur noch als Gewalt und Eigenmacht; sie entrüstet die Menge, für die man sorgen, den Fürsten, dessen Sache man führen wollte; am wenigsten genügt man sich selbst: bis zuletzt irgendein Vorteil, der das Herz ergreift, die schon gebrochene Existenz, vollends niederwirft und das Los der Sterblichen sich an ihr erfüllt.
Glücklich, wenn die ergriffene Idee die Sympathien