Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
Das ganze System entsprang aus den Anschauungen, Erfahrungen und Absichten Jakobs I.; sie waren mit ihm auf den englischen Thron gekommen. Wie aber ein hochfliegender Theoretiker, so war dieser Fürst doch auch ein gewandter Praktiker.277 Unaufhörliche Bewegung zwischen entgegengesetzten Parteien war ihm zur Natur geworden. Er vermied es, die Gegner, die er bekämpfte, zum Äußersten zu bringen; nie trieb er die Sache auf die Spitze. Er verlor sein Ziel keinen Augenblick aus den Augen, aber er suchte seine Absicht auch auf Umwegen zu erreichen, vermittelst geschickter beugsamer Organe; wer ihm nicht diente, den ließ er ohne Skrupel fallen. Karl I. legte Wert darauf, dieses Schwanken zu vermeiden; er liebte Diener von entschiedener Farbe und Richtung und betrachtete es als Ehrensache, sie allem Andringen gegenüber zu behaupten. An den Maximen und Theorien, die er von seinem Vater aufgenommen hatte und als etwas Überkommenes betrachtete, hielt er ohne Wanken fest; er ging immer geradezu auf das zunächst vorgesteckte Ziel los.
Karl I. galt in der Welt, die ihn umgab, noch immer als ein Mann ohne Fehler, der keine Ausschweifungen begehe, keine Laster habe, Bildung und Kenntnisse die Fülle besitze, ohne damit prunken zu wollen, zwar nicht ohne eine angeborne Strenge, die er aber durch menschliche Gefühle mäßige: wie er denn schwer dahin zu bringen war, ein Todesurteil zu unterschreiben; seit dem Tode Buckinghams wähle er seine Minister nach Fähigkeit und Verdienst, nicht mehr nach Gunst; auch seine Gemahlin übe keinen politischen Einfluß auf ihn aus. Aber der ruhige, kunstbeflissene, religiöse Fürst hatte nun doch auch nicht die Gewandtheit, welche die Staatsverwaltung des Vaters kennzeichnete. Jakob war eigentlich nie zu beleidigen, er nahm alles hin was er nicht ändern konnte; Karl I. hatte ein sehr lebendiges und reizbares Gefühl von persönlicher Ehre, er war leicht verletzt und suchte sich zu rächen. Dann aber ging er wohl auf Unternehmungen ein, deren Tragweite er nicht übersah. Es fehlte ihm überhaupt an dem Gefühl der Dinge, welches das Ausführbare von dem, was es nicht ist, unterscheidet. Die Feindseligkeiten, in die er geriet, verfolgte er so eifrig und so lange wie möglich, dann stand er plötzlich davon ab. Man verglich ihn mit einem Geizigen, welcher jeden Pfennig umdreht, ehe er ihn ausgibt, aber dann plötzlich einmal eine große Summe wegwirft. Wenn aber Karl I. nachgab, so tat er es doch nie unbedingt. Der Mann der Zuverlässigkeit gewann es über sich, den Versprechungen, die er öffentlich machte, einen geheimen Vorbehalt entgegenzusetzen, der ihn derselben wieder entband. Für ihn war nichts verführerischer als das Geheimnis. Der Widerspruch seines Verfahrens verwickelte ihn in Verlegenheiten, in denen seine Erklärungen subjektiv noch immer wahr, doch nur eine Linie breit von Unwahrheit und selbst Unwahrhaftigkeit entfernt sind. Seine Staatsverwaltung an sich hatte einen zweideutigen Charakter, indem er die Gesetze von England aufrechthalten zu wollen erklärte und dann doch Dinge verfügte, die auf obsoleten Gerechtsamen beruhend dem, was alle Welt für gesetzlich hielt, entgegenliefen in dem er beteuerte, die parlamentarische Verfassung nicht antasten zu wollen, und dann doch alles tat, um der Berufung eines Parlaments auf lange Zeiten hinaus überhoben zu sein. Bei aller Schonung menschlichen Blutes, die er sich vorgesetzt hatte, ließ er doch an den Gegnern seines Systems die härtesten Strafen vollziehen, welche selbst das Leben gefährdeten. Denn alle andern Rücksichten überwog sein politischer Zweck; er wollte kein Mittel versäumen, um ihn zu erreichen.
Das System Karls I. aber war, die königliche Prärogative zur Grundlage der Regierung zu machen. Er hatte dazu keine militärische Macht zu verwenden, wie diese damals in Frankreich dazu diente, die höchste Gewalt aufrechtzuhalten; den Fremden fiel es auf, wie so ganz der König in den Händen seines Volkes sei; kaum gebe es einige feste Plätze, wohin er sich im Notfall retten könne; alles beruhe auf den Gesetzen und ihrer Auslegung. Eben darum war es ein so großes Ereignis, daß einige Häupter des Richterstandes, und zwar gerade solche, die früher der parlamentarischen Partei angehört hatten, sei es aus veränderter Überzeugung und sachwalterischer Parteinahme, da sich in den Gesetzen vieles fand was sich dafür sagen ließ, oder aus servilem Ehrgeiz, um zu den höchsten Stellen zu gelangen, die Sache der Prärogative verfochten. Mit ähnlichem Eifer wie in Frankreich ergriffen manche auch in England die Idee von der Souveränität der Krone, die allem Parlament vorausgegangen und in den Gesetzen anerkannt sei; aus der Pflicht, das Reich zu verteidigen und zu regieren, leiteten sie das Recht des Königs ab, von den Untertanen die Mittel zur Erfüllung derselben zu fordern. Alle entgegenstehenden Bestimmungen der Magna Charta, oder der Gesetze Eduards I. oder die Lehren der Rechtsbücher wie sie denn in der Tat vieles unbestimmte, von den Zeitumständen abhängige enthalten, verschwanden ihnen dagegen.
Besaß man aber dergestalt einen Anhalt, der als legal angesehen werden konnte, so war in dem Lord Deputy von Irland278 auch schon ein Mann der Administration gefunden, der den Willen und die Fähigkeit hatte, die Regierung durch Prärogative zu voller Erscheinung zu bringen. Und in der Kirche waltete der Erzbischof von Canterbury,279 der nie einen Augenblick geschwankt hatte, in einem der geistlichen Prärogative, dem Supremat, vollkommen entsprechenden Sinne. Er schien nach einem britannischen Patriarchat zu trachten oder es eigentlich dem Wesen nach zu besitzen, dem ähnlich, wie es einst in Konstantinopel den griechischen Kaisern ihre Absichten fördernd zur Seite gestanden hatte.
Wiewohl im Verfahren und in der Grundlage abweichend, trafen diese Bestrebungen doch im allgemeinen mit dem zusammen, was in andern großen Monarchien durch ehrgeizige Minister, abhängige Gerichte und ergebene Bischöfe im Namen des Fürsten ausgeführt wurde. Wo war in England die Macht, die dem hätte widerstehen können? Um sich den dumpfen und an dem Mutterlande verzweifelnden Widerwillen zu vergegenwärtigen, der darüber um sich griff, muß man sich erinnern, daß die Gründung von Neu-England durch Auswanderung daher entsprungen ist. Schon früher war eine Schar von flüchtigen Gläubigen, die sich Pilgrime nannten und eigentlich eine Zuflucht in Virginien suchten, weiter nach Norden getrieben worden, wo sie New-Plymouth gründeten; nach zehn Jahren ihres Bestehens zählte die Kolonie nicht mehr als dreihundert Mitglieder, und es fehlte ihr an gesetzlicher Anerkennung. Nun aber ward der zunehmende kirchliche Druck für eine Anzahl von Familien von einem gewissen Besitz und Rang in Suffolk, Rutland, Lincoln, Northampton zum Antrieb, sich ebendahin zu wenden. Da es zu ihrer Sicherheit gehörte, daß sie nicht als rechtlose Flüchtlinge hinübergingen, so verschafften sie sich eine in den Formen des englischen Rechts abgefaßte Übertragung von Massachusettsbai und den angrenzenden Gebieten. Aber auch diese genügte ihnen noch nicht, denn nicht auf die Weise andrer Kolonien, von England aus, wollten sie regiert sein; zur Übersiedlung entschlossen sie sich erst dann, als man ihnen aus der Urkunde auch das Recht nachwies, die Regierung der Kolonie auf den andern Kontinent zu verpflanzen. John Winthrop, wenn nicht an Reichtum, worin ihm einige andre vorangingen, aber durch Herkunft und Lebensstellung der vornehmste von den Unternehmern, ward der erste Governor der Gesellschaft und der Kolonie. Im Jahre 1630 gingen sie in siebzehn Schiffen aus verschiedenen Häfen nach Amerika über, etwa 1500 an Zahl. Jahr für Jahr folgten ihnen andre Züge nach. Denn immer stärker wurde diesseits die Bevorzugung der episkopalen Kirche; dort fand der Presbyterianismus in der strengen Form, in der man ihn verwirklichte, freien Boden. Im Jahre 1638 wurden die Kolonisten auf 50 000 angeschlagen; eine Menge von Ansiedlungen hatten sie da bereits ausgeführt.
Und auch schon als eine politische Zuflucht erschien diese Kolonie. Zwar muß als unbegründet verworfen werden, was man so oft erzählt und wiedererzählt hat, Hampden und Pym seien durch die Regierung selbst gehindert worden, nach Amerika zu gehen; aber wahr ist, daß sie den Gedanken gehabt haben. Ihre Namen finden sich unter denen, welchen der Earl von Warwick einen großen Küstenstrich, den er erworben hatte, zur Ansiedlung anwies. Das Verzeichnis dieser Namen ist auch sonst merkwürdig; wir finden in demselben Lord Brook, Lord Say und Scale, welche, wie der Earl von Warwick selbst, zu den Mitgliedern der Aristokratie gehörten, die den Absichten Karls I. und