Название | Leopold von Ranke: Historiografische Werke |
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Автор произведения | Leopold von Ranke |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027206056 |
30. Besetzung Straßburgs durch die Franzosen 1681
Französische Geschichte III, Werke Bd. 10, S. 338 ff.
Gegen Ende September 1681 war ein Aufenthalt des Hofes in Chambord angesagt und Graf St. Aignan bereits dahin abgegangen, um einiges für die Vergnügungen, Komödie und Musik vorzubereiten, als der König plötzlich zu erkennen gab, er werde sich nicht nach Chambord, sondern nach Metz und in das Elsaß begeben. Wenn gefragt ward, in welcher Absicht, so machte man selbst dem kaiserlichen Gesandten kein Hehl daraus. Der König wolle, sagte man ihm, die im westfälischen Frieden ihm abgetretenen Rechte vollends zur Ausführung bringen, er wolle die Huldigung der Stadt Straßburg einnehmen. Die Huldigung einer freien Stadt, die seit unvordenklicher Zeit ihre Freiheit unter dem Schutze des Deutschen Reiches genossen hatte!
Auch das war aber schon vorbereitet. Indem das Elsaß sich unterwarf, hat man auch der Stadt Straßburg bereits gegen Ende des Jahres 1680 angemutet, sich von dem Reiche freiwillig zu trennen, um fortan im Besitz ihrer alten Freiheit unter der Protektion von Frankreich zu leben. Da sie darauf nicht einging, so beschloß man sie mit Gewalt zu unterwerfen. Sich zu verteidigen war Straßburg damals nicht fähig. Die kaiserliche Besatzung, die es zuletzt aufgenommen, war auf Andringen des französischen Hofes abgezogen, der größte Teil der städtischen und schweizerischen entlassen; man zählte etwa 400 Kriegsleute von Gewerbe im Dienste der Stadt. Von den vierzehn Bastionen der Befestigung hätte kaum eine gehörig besetzt werden können. Wohl war die Bürgerschaft kaiserlich und von ganzem Herzen deutsch gesinnt, aber auch eine französische Partei gab es, deren Mittelpunkt die Domherren bildeten; der Rat der Stadt selbst nahm eine zweifelhafte Haltung an. Wenn Kaiser und Reich den Mut des Widerstandes nicht besaßen, woher sollte die Obrigkeit und eine einzelne Stadt ihn nehmen? Von der deutschen Seite hilflos gelassen dachte der Rat nur noch auf Rettung der Stadt vor dem von Frankreich angedrohten Verderben. Man hat gesagt, einige Mitglieder desselben seien mit Geld bestochen worden. Bewiesen ist es nicht, und kaum sollte man glauben, daß Magistrate einer alten freien Stadt sich so tief hätten wegwerfen können. Aber anders ist es doch nicht: von der Bedrängnis ihrer Stadt, und zugleich auf Sicherstellung ihrer Person Bedacht nehmend, mögen einige Ratsherren sich zu Schritten haben hinreißen lassen, bei denen sie ihre Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland aus den Augen verloren. Noch immer sind ihre Verhandlungen mit dem französischen Hofe in Dunkel begraben.232 Sehr unterrichtete, diesem Hofe nahestehende Männer233 hielten sich überzeugt, und es ist in der Tat wahrscheinlich, daß sie schon im voraus eine Kapitulation, durch welche die Freiheiten und Rechte ihrer Stadt gesichert werden sollten, mit Louvois verabredet hatten.234 Genug, mit so gut wie vollkommener Gewißheit des Gelingens konnte der König zur Unterwerfung von Straßburg schreiten. Doch wurden schon deshalb, um nicht eine Gegenwirkung von Deutschland her zu veranlassen, die Vorbereitungen dazu im tiefsten Geheimnis getroffen.
Früh am Morgen des 28. September, es war eines Sonntags, nahmen zuerst ein paar tausend französische Dragoner die Rheinschanze in Besitz; dann erschienen eine Anzahl Regimenter und besetzten rings umher die Zugänge der Stadt. Sie hatten in der Stille um Freiburg und Breisach235 her gelagert und wurden plötzlich herangezogen. Des andern Tages traf Louvois im Hauptquartier zu Illkirch ein. Auf Grund des Ausspruchs der Kammer zu Breisach, welche das Recht der Souveränität über das Elsaß dem Könige zuerkannt habe, forderte er die Stadt auf, sich demselben ebenfalls zu unterwerfen. Jede Unterhandlung darüber wies er von der Hand; würde die Stadt sich der königlichen Gnade würdig machen, so sei er ermächtigt, ihr die Erhaltung ihrer Privilegien zuzusichern; sollte sie widerstehen, so sei er stark genug sie der Verwüstung preiszugeben und werde die Bürger als Rebellen gegen ihren rechtmäßigen Herrn behandeln. Nur der entschlossenste Heldenmut hätte eine Verteidigung wagen können. Einem eben in Belagerungen geübten Feinde gegenüber, wie dieser war (auch Vauban war bereits in die Nähe gekommen), hatte ein solcher Versuch keinerlei Aussicht auf Erfolg; das Zeitalter, wo streitbare Bürgerschaften auf eigene Kraft sich mit mächtigen Fürsten messen konnten, und damit die Epoche der städtischen Freiheit war längst vorbei. Der Magistrat hat keinen Augenblick an Widerstand gedacht. Absichtlich ließ er die Kanonen auf den Wällen ohne Munition, damit nicht der Unbedacht der Bürger einen Konflikt veranlassen möge; mit einer Art von Bedauern über die demokratische Verfassung, die das notwendig mache, bat er Louvois um ein paar Stunden länger Bedenkzeit, auf so lange, bis die Bürgerschaft zu derselben Gesinnung gebracht sei, die er selber hege. Die Schöffen der Zünfte wurden zusammenberufen; als diese überzeugt waren, daß der Widerstand ins Verderben führen müßte, ward ihre Meinung den Bürgern, die auf den Wällen und unter Waffen standen, kundgetan. Tausendmal lieber hätten sie sich zur Wehr gesetzt; sie verwünschten den Rat, aber sie unterwarfen sich der Notwendigkeit. Die Kapitulation, die man nun von beiden Seiten unterschrieb, sicherte der Stadt ihre Verfassung, Rechte, Besitztümer und die Ausübung ihrer Religion; nur das Münster hatte sie dem Bischof und das Zeughaus dem König zu überliefern. Privatgerechtsame konnte sie retten, die politische und religiöse Autonomie, welche sie beim Deutschen Reich von jeher behauptet hatte, war auf immer verloren. Die französische Regierung, wo alles der großen Einheit Untertan war, konnte eine solche ihrer Natur nach nicht gestatten.
Vierzehn Tage darauf hielt der König einen prächtigen Einzug in Straßburg. Sein erster Besuch galt dem Platz, auf welchem Vauban die neuzuerrichtende Zitadelle bereits abgesteckt hatte. Die vorhandenen Befestigungen wurden besichtigt, der Entwurf zu denen gemacht, welche, um den Rhein zu sichern, hinzufügt werden sollten. Ludwig XIV. verschaffte es nun auch unter den Deutschen eine gewisse persönliche Bewunderung, daß er überall selbst zur Stelle war und die Anordnungen traf, zu deren Ausführung des andern Tages geschritten ward. Die aus der Umgegend aufgebotenen Landleute sah man auch Sonntags an den Schanzen arbeiten. Fünftausend Mann lagerten in der Nähe und hielten Wache an der gewonnenen großen Grenzfeste.
Das Unternehmen trug ungefähr denselben Charakter wie der erste Einfall in die spanischen Niederlande und die Invasion von Holland, den der plötzlich hervorbrechenden Gewaltsamkeit auf Grund einseitiger Ansprüche. Den Spaniern waren die Generalstaaten zu Hilfe gekommen, diesen Kaiser und Reich; der endliche Erfolg war aber beide Male das Verderben eben derer gewesen, welche die andern hatten retten wollen. Wer sollte es jetzt wagen, trotz dieser Erfahrung sich dem Allgewaltigen entgegenzusetzen? Wohl fehlte es nicht an Regungen dafür. Eine sonderbare Verwicklung lag darin, daß Schweden, das doch in alle europäischen Angelegenheiten eingriff, von den Reunionen unmittelbar berührt wurde. König Karl XI., der aus dem Hause Pfalz-Kleeburg stammt, gelangte eben damals durch Erbrecht in den Besitz von Zweibrücken, das von der Reunionskammer zu Metz als französisches Lehen betrachtet ward. Ludwig XIV. ließ ihm sagen, er schmeichle sich, sein alter Verbündeter werde die Anerkennung der Lehnshoheit Frankreichs dem Verhältnis zum Kaiser vorziehen. Welch ein Unterschied aber: deutscher Reichsfürst und Lehnsmann von Frankreich, wo alle Autonomie der Großen gebrochen war. Und ohnehin war Karl XI. nicht mehr französisch gesinnt; er war auch über den Frieden von Nimwegen mißvergnügt, in dem ihm doch einige Verluste zugemutet worden waren; sein vornehmster Minister, Benedikt Oxenstierna,236 ging von dem Grundsatz aus, daß Schweden, wenn es werden wolle was es sein könne, nicht mehr im Gefolge der französischen Politik einhergehen dürfe. Die zweibrückischen Lehen wurden in Wien nachgesucht; um statt der französischen eine andre Allianz zu haben, wandte sich Oxenstierna an Holland. Auch dahin hatten die Reunionen zurückgewirkt. Von der Einziehung der Grafschaft Chiny